Planet B3 des Systems Theta
Forschungsstation Südseite
Hinter der Flussbiegung
Edward
Das hier war die Grenze. Weiter als bis zu dieser Flussbiegung war er nie gekommen und Edward konnte sich nicht daran erinnern, dass es ein anderer Forscher getan hatte. Sicher, sie hatten Erkundungsflüge gestartet und er wusste ganz genau, dass auch hinter dieser Biegung nichts anderes war, als davor: Baum, Busch, Geäst und hier und da eine kleine Blüte. Dennoch ließ es ihn zögern. Vielleicht, weil er nicht damit gerechnet hatte, dass Sophie - Dell, merkte eine Stimme in seinem Kopf an, die er eilig wieder vertrieb - ihn am Ende seiner Tour durch die Station in eine Kammer schob. Vielleicht, weil er nicht damit gerechnet hatte. Nicht so spät am Tag. Die Sonne ging bereits unter, und auch das war eine Grenze, die er noch nie gewagt hatte, zu überschreiten: in der Dämmerung tauchen gehen.
“Wo hast du dieses Bild geschossen?” Er hätte es später fragen sollen! Aber seine Neugier…
“Edward? Kommst du?” Sophie tauchte vor ihm hinter einem Baumstamm auf. So dick, wie sie beide zusammen, aber mit so zarten Ästen, dass er nicht sicher wusste, wie das beides zusammen passen sollte.
Wie bei viel zu vielem auf diesem Planeten. Seine Ergebnisse sagten A, die Erkundungsflüge untermauerten die These, aber jeder Ausflug ins Feld war eine reine Enttäuschung gewesen. Es war frustrierend - überaus! - und vielleicht hatte er auch deshalb dieses Bild an der Wand einfach nur angestarrt.
Und ihr war es merkbar unangenehm gewesen. Das tat ihm selbst jetzt noch, Stunden später, leid.
Aber vielleicht konnte sie es verstehen. Larven hatten sie nie gesehen, obgleich sie Scans diverser Insekten in ihren Datenbanken hatten. Andererseits…
Edward stieß ein leises Seufzen aus. Abgesehen von diesen Aufzeichnungen hatte auch noch niemand ein echtes Insekt hier gesehen. Manchmal wünschte er sich deshalb, auf B1 oder B2 gelandet zu sein. Steppen und Wüstenplaneten und dort… da purzelten die neuen Ergebnisse nur so dahin, während sie sich hier zwischen Baum und Borke versteckten.
“Edward?” Etwas berührte seine Brust und er blinzelte. “Ist alles gut bei dir?”
“Natürlich.” Warum sollte es auch nicht? Es war nur so viel Neues! Und er tief in Gedanken, das konnte schon einmal passieren.
Sophie - Dell, das würde sein Kopf wahrscheinlich ewig daraus machen - zuckte mit den Schultern. “Sicher? Du stehst da schon eine ganze Weile rum und wir müssen uns beeilen.”
“Beeilen?”, fragte er. “Warum?”
“Die Larven sind Dämmerungsaktiv.”
Und die war bald vorbei. Edward nickte und war irgendwie fasziniert, wie viel sie wusste über eine Welt, in der er forschte und sie nur Fotos schoss.
Und vielleicht fühlte er sich Unwohl deshalb. Waren sie es bisher falsch angegangen und hatten sich zu sehr auf die Vorgänge auf B1 und B2 verlassen? Ja, sagte etwas in ihm und Edward wusste, dass diese Stimme recht hatte. Es hatte gut bei der Pflanzenwelt funktioniert, bei Gesteinsarten. Aber bei Tieren waren sie kläglich gescheitert und wussten kaum mehr, als dass sie kaum etwas wussten. Sie waren naiv gewesen! Und das als Forscher!
Aber sie war jetzt da und so hart es auch war, sie zeigte ihnen ihre Fehler auf. Oder zumindest ihm.
“Dann sollten wir uns beeilen!” Sie lächelte und ihre Hand griff nach seiner.
Dann zog sie ihn mit sich, vorbei an Blüten, über Steine und unter Wurzeln hindurch. Immer weiter zu einem Ort jenseits der Grenze, die viel zu lange existiert hatte.