Butcher freute sich auf den heutigen Auftrag. Er hatte bereits seine Werkzeuge auf einem metallenen Tablett ausgebreitet und schob nun das Wägelchen, auf dem es platziert war näher an die gut beleuchtete Liege. Man musste ja schließlich sehen, was man tat.
Vor langer Zeit hatte er eine Lehre im Fleischerhandwerk begonnen, doch es hatte ihn nicht erfüllt, tote Tiere zu zerlegen. Jetzt war sein Geschäft die Informationsbeschaffung. Er war sozusagen Freiberufler. Jede Gang konnte ihn anheuern, um an die gewünschten Informationen zu kommen. Voraussetzung war natürlich, dass man ihm auch Informationsträger lieferte, mit denen er arbeiten konnte. Über die Jahre hatte er seine Fertigkeiten ständig verfeinert und erweitert. Inzwischen konnte er mit fast allem umgehen. Die klassische Folter mit allerlei interessanten Werkzeugen lag ihm ebenso, wie der Einsatz von Drogen, Hypnose oder moderneren Methoden. Seine Leidenschaft war es Leiden zu schaffen.
Die Razors hatten ihn engagiert. Sie wollten unbedingt etwas über die Struktur und die wichtigen Leute hinter einer neuen Gang im Revier erfahren. Die Bajou Priests waren vor ungefähr einem halben Jahr zum ersten Mal aufgetaucht. Obwohl sie sich ziemlich bedeckt hielten und den Razors eigentlich nicht in die Quere kamen, was den Drogenverkauf oder die Schutzgelderpressungen anging, liefen den Razors doch immer mehr Mitglieder weg. Das heißt, man wusste nicht wirklich, ob die Verschwundenen desertiert oder einfach "verschwunden" waren. Die Bajou Priests hatten in der kurzen Zeit jedenfalls einen gewissen Ruf gewonnen. Butcher war nicht bekannt, ob sie rekrutierten, aber sie gewannen zunehmend an Einfluss. Es gingen Gerüchte um, dass die Priests irgendwelchen Voodoo-Scheiß praktizierten. Die Razors wollten wissen, wer dahinter steckte, wer ihnen das Geschäft kaputtmachte.
Gemäß der Ankündigung, würde man ihm eine Person bringen, die den Bajou Priests nahestand. Seine Aufgabe war es, alles Brauchbare aus dieser Person herauszubekommen. Die Wahl der Mittel war ihm freigestellt. Sehr schön. Die weitere Verwertung der überlassenen Person, überließ man ebenfalls seinen Vorlieben. Das war sogar noch besser, falls es noch etwas zu verwerten gab.
Es war immer sehr abhängig davon, wen man ihm da brachte, welche Methode letztlich zum Erfolg führen würde. Generell machte es bei den meisten ihm Anvertrauten schon mal einen guten Eindruck, wenn die klassischen Werkzeuge ordentlich sortiert und gut sichtbar aufgebaut waren. Die Härteren unter ihnen wurden oft ganz weich, wenn man ihnen dann erklärte, welchem Zweck die Utensilien jeweils dienten. Aber es gab durchaus auch Personen, die man nur begrüßen musste damit sie in Ohnmacht fielen. Das war natürlich wenig hilfreich. Für solche Fälle hatte er auch die passenden Mittelchen dabei, mit denen die Motivation angeregt werden konnte. Bisher hatte Butcher immer die gewünschten Informationen von den Probanden erhalten.
Endlich war es soweit. Die Schiebetür öffnete sich. Vier grobschlächtige Gangmitglieder der Razors trugen eine sich windende, junge Frau herein. Sie wurde auf die Liege gedrückt und festgeschnallt.
"Wunderbar die Herren. Ich würde empfehlen den Raum zu verlassen. Es könnte sie traumatisieren", sagte Butcher. "Der Chef sagt ich soll dich im Auge behalten", antwortete einer der Kerle. Seine Nase war irgendwann übel zertrümmert worden, so dass er beim Atmen ein leise pfeifendes Geräusch verursachte. Butcher musste sich das Lachen verkneifen.
"Okay Piper. Dann nimm dir einen Stuhl und genieße die Show."
Butcher wandte sich seiner heutigen Gesprächspartnerin zu.
"Guten Abend die Dame. Wie ist ihr Name?" Sein Blick fiel auf ein Branding auf dem Hals unterhalb des Kehlkopfes. Sein Blut geriet in Wallung, das könnte eine Herausforderung werden.
"Mein Name ist Mara. Guten Abend." Butcher zog die Augenbrauen überrascht nach oben. Wow, kein Zittern, kein Wanken in der Stimme. Sie wirkte vollkommen gefasst.
"Willkommen Mara. Wie sie vielleicht ahnen. Liegt es in meinem Interesse, so viel wie möglich über die Bajou Priests zu erfahren." Butcher begann sie zu entkleiden. Zerschnittene Unterarme. Butcher fühlte wie sich in seiner Leistengegend etwas regte.
"Sie stehen ihnen nahe?", fragte er.
"Aber ja, ich bin fester Bestandteil der Priests."
Er schnitt ihre Hose auf. Prothesen. Beide Beine waren kurz unterhalb der Hüfte entfernt und durch künstliche Extremitäten ersetzt worden.
"Schick nicht? Habe ich vor zwei Jahren machen lassen."
Jetzt widmete sich Butcher ihrem Shirt. Sein Messer legte weiße Haut frei, die vom Schambein bis hinauf zur Schulter von einer groben Narbe verunziert war. Sein Schritt rebellierte.
"Meine Güte", sagte er. "Das ist ja ein wahres Schmuckstück. Was ist da Geschehen?"
"Ein Motorradunfall. Ich lag auf fünf Quadratmetern Straße verteilt. Sie haben alles wieder ŕeinegstopft. Bis auf die Milz.", hauchte Mara.
Butcher räusperte sich, schluckte schwer. Er konnte spüren wie ihm die Schweißtropfen auf die Stirn traten.
"Und welche Position bekleiden sie bei den Priests?"
"Man könnte sagen, wir sind Kollegen. Wissen Sie, auch die Priests sind immer an neuen Informationen interessiert."
Butcher schloss die Augen. Er musste kurz durchatmen. Dann legte er die Schere beiseite und nahm stattdessen das Fleischerbeil von seinem Tablett. Ohne sich umzuwenden sprach er den pfeifenden Razor in seinem Rücken an.
"Piper, komm doch mal her. Ich könnte hier deine Hilfe brauchen."