Man begann, sich auf den Großen Umbau vorzubereiten. Innerhalb weniger Jahre setzte sich die Meinung durch, die beste Methode, sich vor angriffslustigen Ranken und herabfallenden Himmelsstücken zu schützen, sei, sich in die Felshöhlen im Zwerggebirge zurückzuziehen. Berge gab es dort genug für alle, ebenso wie Höhlen darin. Die Pimpfe zogen mit Spitzhacken und Laternen bewaffnet los, um die Höhlen tiefer und tiefer in die Felshänge zu graben. Zwanzig Jahre lang arbeiteten sie, und am Ende waren die Höhlen tief genug, um alle Pimpfe des Feenlands zu beherbergen. Die Bauarbeiter waren zufrieden und feierten ein großes Fest. Ab dem Jahr Zwanzig begannen sie dann, all ihr Hab und Gut in die Gebirgsstollen zu verlegen. Die Hütten wurden abgerissen, die Gemälde und Musikinstrumente sicher verpackt und in Museumsgewölbe unter den Bergen verfrachtet. Im Herbst des Jahres Zehn fuhren die Pimpfe wie jedes Jahr die Ernte ein und packten dann große Kisten voller Körner und Gemüsesaaten. Im Frühling schleppten sie die Kisten gemeinsam zum Zwerggebirge, um sie direkt vor den Eingängen der Höhlen auszusäen. So konnten die Bauern – das war die allgemein vorherrschende Meinung – sicher Landwirtschaft betreiben, jedoch auch beim ersten Anzeichen von herabfallenden Himmelsstücken in die Sicherheit der Höhlen entkommen. Die Schafherden wurden in zwei Gruppen aufgeteilt: Die zähsten und genügsamsten Schafe wurden mit in die Höhlen genommen, um tagsüber auf den Gebirgshängen zu weiden. Dabei besagte eine feste Regel, dass jedes Schaf nur jeden zweiten Tag auf die Weide durfte. Nur so könne man sicher sein, dass noch genug Schafe übrig wären, wenn unvermutet der Himmel über den Bergen einstürzte. Diejenigen Schafe, die nicht widerstandsfähig genug für dieses Leben waren, wurden auf den „unsicheren“ Weiden hinter den Äckern von einer kleinen Untergruppe der Pimpfe gehütet, die weiterhin in den Dörfern des Feenlandes wohnten. Dieses Grüppchen wurde von den übrigen Pimpfen misstrauisch beäugt. Umso mehr, als die Dörfer sich in den Jahren Zehn bis Eins langsam leerten und der Große Umbau nun kurz bevorstand. Die verbliebenen Dorfbewohner waren ein bunt gemischtes Trüppchen, manche Bauern, manche Schafhirten und manche Stockkämpfer. Manche von ihnen waren jung, manche alt. Manche hatten die Alten Prophezeiungen genau studiert, manche konnten noch nicht einmal die gängigsten Märchen auswendig. Gemeinsam hatten sie nur, dass sie nicht so recht daran glauben wollten, dass ihnen wirklich etwas Schlimmes bevorstand. Die Pimpfe in den Höhlen schauten mit wachsender Besorgnis auf ihre Mitpimpfe, die ohne sicheren Stein unter ihren Füßen und über ihren Köpfen dem sicheren Untergang entgegensahen. In der letzten Hälfte des Jahres Eins versuchten die Höhlenbewohner verzweifelt, die Dorfbewohner davon zu überzeugen, dass sie zu ihnen ins sichere Halbdunkel der Berge fliehen mussten, ehe es zu spät sei. Die Dorfbewohner entgegneten, dazu bestünde keine Notwendigkeit. Immerhin stehe ein Großer Umbau bevor und nicht der Weltuntergang. Die Höhlenbewohner verwiesen hitzig darauf, dass Großer Umbau und Weltuntergang Synonyme seien. Die Dorfbewohner boten ihnen Schafsmilch mit Honig zur Beruhigung an und begannen dann, ihnen Vorträge zu halten. Sie erklärten, das Land sei schließlich schon mit Ranken überwuchert, und die Wilden Tiere seien nichts anderes als Monster. Die Höhlenbewohner entgegneten, das seien aber nicht die gleichen Ranken und Monster wie auf den Bildern. Die Dorfbewohner fragten, ob die Bilder denn aus den Alten Prophezeiungen kämen oder aus der Fantasie der Maler? Die Höhlenbewohner wussten nicht mehr weiter. Schließlich versuchte eine kleine Splittergruppe sogar, Dorfbewohner bewusstlos zu schlagen und in die Höhlen zu tragen. Doch kaum waren die Dorfbewohner wieder wach, standen sie in aller Ruhe auf und kehrten in ihre Dörfer zurück. Dabei blieben sie so freundlich, dass die Mehrheit der Höhlenbewohner schon nach wenigen Wochen ein offizielles Verbot von Angriffen auf Dorfbewohner verhängte.
Endlich kam das Jahr Null. Die Höhlenbewohner verbarrikadierten die Eingänge ihrer Gebirgsstollen mit schweren Falltüren, die sie aus giftgrünem Rankenholz gefertigt hatten.
Nur die Bauern, Schafhirten und Stockkämpfer, die gerade im Dienst waren, durften die Höhlen noch verlassen. Und auch ihnen war es streng untersagt, die abgesteckten Bereiche ihrer Äcker und Bergweiden zu verlassen. Der Weltuntergang konnte schließlich jeden Augenblick losgehen.
Jeden Augenblick.
Jeden einzelnen Augenblick des Jahres Null lang stand ein Pimpf an jeder Falltür, um sie den fliehenden Arbeitern aufzuhalten, wenn es endlich losging.
Jeden Tag wurden die heimkehrenden Arbeiter voller Aufregung in Empfang genommen. Man fragte sie aus, ob sie denn noch immer keine Monster oder Ranken gesehen hätten. Oder wenigstens ein herabfallendes Himmelsstück? Ein ganz kleines? War das wirklich nur eine Eisscholle gewesen, die heute Morgen im Bach so verräterisch blau gefunkelt hatte?
Nach einem Jahr begannen die Pimpfe, sich darüber zu streiten, ob sie bei ihrem Umzug auch den richtigen Kalender mitgenommen hatten. Viele waren der Meinung, dem sei nicht so. Nach zwei Jahren gelangten die ersten Pimpfe zu der Überzeugung, dass es gar keinen Großen Umbau gäbe und dass die Alten Prophezeiungen in Wirklichkeit Märchen seien, die man in den früheren Jahrhunderten falsch gedeutet habe. Einige Sturköpfe behaupteten, der große Umbau könne erst stattfinden, wenn wieder genug Pimpfe auf der Erdoberfläche lebten, da die Monster die ganze Unternehmung vorher nicht als lohnend erachteten. Die vorherrschende Meinung blieb jedoch, man habe sich in der Zeitrechnung geirrt und es könne jeden Moment losgehen.