Prompt: "Nach einer durchzechten Nacht findet sich deine Truppe in einem Hotel wieder, in dem es vor Monstern – und Menschen! – nur so wimmelt."
Blick vom Balkon
„Wach auf.“
Unwirsch schlug Zac die Hand zur Seite, die an seiner Schulter zupfte, rollte sich herum und kuschelte sich tiefer in die Kissen.
„Wach auf!“ Die leise Stimme wurde drängender.
Er brummte ungehalten. „Lass mich“, stieß er hervor und zog die Bettdecke über seinen Kopf.
„Nein!“, fauchte sie. „Wach auf jetzt!“ Bevor er reagieren konnte, riss sie ihm die Decke weg.
„Hey!“ Es war zwar mitten im Juli und auch ohne Bettdecke warm genug, aber gefallen tat ihm diese Behandlung trotzdem nicht. „Was soll das?“ Vorsichtig blinzelnd öffnete er seine Augen und entdeckte Grace, die vollständig angezogen neben dem Bett stand und ihn grimmig anfunkelte.
„Wenn du nicht hörst“, sagte sie knapp. „Steh auf und zieh dich an!“
„Was ist denn los?“, fragte Zac verwirrt. Sein Kopf dröhnte und in seinem Magen rumorte die bekannte Übelkeit, die einen Kater begleitete. Der letzte Abend war lang und feucht-fröhlich gewesen und die Nacht eindeutig zu kurz. Den Lichtverhältnissen nach zu urteilen, konnte es nicht lange nach Sonnenaufgang sein.
„Wir müssen hier weg“, sagte Grace. „Beeil dich.“
„Wieso?“ Vorsichtig stemmte Zac sich in eine sitzende Position und stöhnte, als ein scharfer Schmerz durch seinen Kopf schoss.
„Auf dem Nachttisch liegt eine Aspirin“, sagte Grace mitleidslos. „Mach schon.“
Zac griff gehorsam nach der Tablette und dem Glas Wasser, das daneben stand. „Hat dir der Abend nicht gefallen?“
„Der Abend war super“, sagte sie. „Das Aufwachen … Das glaubst du mir eh nicht. Bist du jetzt endlich fertig?“
Zac gähnte ungeniert. „Wie dir vielleicht auffällt, trag ich im Moment nur meine Boxershorts.“
„Wie dir vielleicht auffällt, ich nicht“, konterte sie. „Zieh dich an! Muss ich wirklich alles dreimal sagen?“
Zac ließ die Frage unkommentiert. Schwankend und mit steifen Gliedern erhob er sich aus dem Bett und torkelte ins Bad. „Darf ich wenigstens duschen?“
„Du hast fünf Minuten.“ Grace schaffte es tatsächlich, dabei halbwegs gnädig zu klingen, und Zac seufzte.
Er schloss die Badtür hinter sich, streifte sich die Shorts vom Leib und drehte das Wasser auf. Kühl prasselte es auf seine Haut und er schloss genüsslich die Augen. Langsam kehrte das Leben zurück in seine Glieder, während Zac einfach nur dastand.
Die Badtür knallte auf und Zac zuckte erschrocken zusammen. Noch immer hatte er nicht einmal nach dem Duschgel gegriffen.
„Die Zeit ist um“, verkündete Grace. „Wir müssen hier weg, also hör endlich auf zu trödeln!“
„Was hast du es denn so eilig?“ Zac, der den Stress, den seine Freundin machte, überhaupt nicht verstand, griff nach der Shampoo-Flasche. „Ich bin noch nicht fertig.“
Sie stieß ein frustriertes Geräusch aus. „Du bist unmöglich“, verkündete sie. „Ich sammel schonmal deine Sachen zusammen. Wie hast du es eigentlich geschafft, in nur einer Nacht dein gesamtes Zeug im Zimmer zu verteilen?“
„Ich bin eben ein Naturtalent.“
***
Als Zac ins Zimmer zurückkam, lag ein Stapel Klamotten auf dem Bett. Davor standen ihre Wanderrucksäcke, bereits fertig gepackt. Zac ließ das unkommentiert und zog sich an. Grace lehnte an der Balkontür. Ungeduldig trommelten ihre Finger auf ihre Oberschenkel, während sie abwechselnd ihn anfunkelte oder nach draußen spähte.
„Sagst du mir jetzt, was los ist?“, fragte Zac, nachdem er in seine Schuhe geschlüpft war.
„Nichts“, antwortete Grace, ohne ihn anzusehen. „Lass uns einfach gehen.“
„Gracie?“ Er griff nach ihrem Arm, als sie sich an ihm vorbeidrängen wollte, und zog sie an sich. „Bitte rede mit mir. Du machst mich nervös.“
„Gut“, sagte sie. „Dann beeilst du dich vielleicht auf dem Weg nach draußen!“ Erneut sah sie zum Balkon. Ihr ganzer Körper war angespannt und Zac wurde die Sache zu bunt.
Ohne auf ihren Protest zu achten, öffnete er die Balkontür und trat nach draußen. Ihr Zimmer befand sich im zweiten Stock, direkt über der Parkanlage, die zu dem Hotel gehörte, in das sie am Tag zuvor eingekehrt waren. Es war ein beliebter Ort für Wanderer, da die Bar jenen, die zu Fuß kamen, alles zum halben Preis ausschenkte. Von diesem Angebot hatten Grace und vor allem Zac großen Gebrauch gemacht.
Als Zac jetzt in den Park hinunterblickte, kam ihm der starke Verdacht, am Abend nicht nur Alkohol konsumiert zu haben. „Ich halluziniere“, murmelte er.
„Nur, wenn ich das auch tue“, sagte Grace. „Verstehst du jetzt, warum wir hier wegmüssen?“
Zac nickte schwach. Er konnte seinen Blick nicht von den Orks, Zwergen, Elben und anderen Wesen lösen, die dort im Park herumliefen, sich unterhielten oder mit Schwertern duellierten. „Lass uns verschwinden“, stimmte er zu. Er stieß fast gegen den Türrahmen, als er sich aus seiner Starre riss, hastig umdrehte und zurück in das Zimmer stürmte.
„Wir müssen vorne raus“, sagte Grace. „Und egal, was passiert, wir bleiben nicht stehen, bis wir hier weg sind.“
„Einverstanden“, sagte Zac, warf sich seinen Rucksack über und zog die Riemen fest.
Sie schafften es aus dem Zimmer und bis zur Treppe, ohne jemandem zu begegnen. Dann ließ ihr Glück nach. Grace zog Zac hastig zur Seite, als ihnen drei Orks entgegenkamen.
Zacs Herz schlug ihm bis zum Hals, aber zu ihrem Glück schienen die Monster gerade nicht hungrig zu sein. Zu Zacs großem Erstaunen unterhielten sie sich darüber, ob sie in Bitcoins investieren sollten, aber bevor sein Verstand diese Information wirklich verarbeitet hatte, zog Grace ihn schon weiter.
Im Gang des ersten Stocks sah er für einen Moment eine Putzfrau mit Feenflügeln, dann stolperte er die nächste Treppe nach unten.
Grace steuerte den Ausgang an, aber Zac fiel plötzlich etwas ein und er hielt sie fest. „Wir müssen den Schlüssel zurückgeben“, sagte er und sah nervös zur Rezeption, hinter der ein junger Elb stand und gerade einen Schlüssel an eine Gruppe Zwerge ausgab.
„Du hast recht“, flüsterte Grace. „Aber erst, wenn die weg sind.“
Zac schluckte und nickte.
Es dauerte noch erstaunlich lange, bis die Zwerge endlich zufrieden waren. Zuerst hatten sie das gesamte Wellnessprogramm abgefragt und, wenn Zac das richtig gehört hatte, auch einige Massagen gebucht. Dann war es darum gegangen, welches Bier in der Minibar zur Verfügung stand. Und schließlich war einem von ihnen eingefallen, dass sie ihren Karren noch umparken mussten, und wollte wissen, wo die besten Abstellplätze waren.
Dann, endlich, verschwand die Gruppe zur Treppe, und Zac wagte sich an die Rezeption heran. „Wir wollen auschecken“, sagte er und legte seinen Schlüssel auf die Theke.
„Natürlich“, sagte der Elb. „Dann sind Sie also nicht für die Convention hier?“
„Convention?“, wiederholte Grace mit kleiner Stimme. „Was für eine Convention?“
„Die Feenvolk-Con“, sagte der Elb. „Sie findet einmal im Jahr hier statt. Cosplayer aus dem ganzen Land reisen dann an. Es ist immer ein Spektakel. Sie haben wirklich Glück, dass Sie überhaupt noch ein Zimmer bekommen haben. Normalerweise sind wir für diese Woche schon viele Monate vorher ausgebucht.“
„Cosplayer?“, wiederholte Grace, dann hellte sich plötzlich ihr Gesicht auf. „Oh mein Gott, Cosplayer, natürlich.“
Zac brauchte etwas länger, bis er begriff. „Oh mein Gott“, sagte er und lachte zittrig. „Dann können wir ja vielleicht doch noch hier frühstücken?“
„Natürlich“, sagte der Elb. „Der Preis fürs Frühstück ist in den Übernachtungskosten inbegriffen.“
„Natürlich“, sagte auch Grace und griff nach Zacs Hand. „Ich bin wirklich hungrig.“
Der Elb lächelte freundlich. „Zum Speisesaal geht es hier vor und dann rechts“, erklärte er. „Ich wünsche einen guten Appetit.“
„Danke“, sagte Zac. Er zog Grace mit sich, die leise vor sich hin kicherte.
„Convention“, murmelte sie immer wieder. „Cosplayer.“ Schließlich schüttelte sie den Kopf. „Ich dachte wirklich, diese Kreaturen wären real“, flüsterte sie, blieb stehen und sah Zac ernst an. „Wir trinken nie wieder so viel“, sagte sie. „Versprich es mir.“
Zac grinste. „Versprochen“, sagte er ernst, bevor er sich vorbeugte und sie sanft küsste. Für Grace hätte er auch gegen eine Horde Orks gekämpft. Aber er war wirklich froh, dass das nicht nötig war. „Und jetzt lass uns was essen gehen.“
„Sehr gerne.“