Kapitel 1: Am Tag der Eröffnung
Nach mehreren Wochen harter Arbeit und vielen Unterbrechungen, sollte das Bordell Türkis zum 1.September 2002 hin endlich eröffnet werden. Zip hatte an vielen wichtigen Tagen gefehlt und ging davon aus, dass man ihm Bericht erstattete, da er einen Fünftel der Miete im Monat auf seinen Schultern trug. Doch Fehlanzeige. Seine Aids-Erkrankung, durch die er oftmals geschwächt und von Erkältungen geplagt war, schien niemanden mehr großartig zu interessieren. Stattdessen warf man ihm vor, unprofessionell zu arbeiten und sich nicht richtig einzubringen. "Im Notfall, wenn du gar keinen Bock mehr hast, schlägst du das Bordell einfach in kleine Stücke, wie du es zuvor schon mit zahlreichen Autos gemacht hast, um an die Autoradios zu kommen Zip!", war das Einzige, was Felix ihm noch entgegenbrachte. Die Beiden lagen sich ständig in den Haaren, da Zip davon überzeugt war, dass es sowas wie Bisexualität im Leben nicht gab und genau das gab Felix vor zu sein. Er liebte Frauen und Männer gleichermaßen und machte daraus auch keinen Hehl. Zip bezeichnete ihn oft als "schwule Sau", die ein Problem hatte, zu seiner Homosexualität zu stehen. "Es geht doch nix über ne geile Frau! Das ist abartig Alter!". Das war oft der Grund gewesen, warum die Arbeiten am Bordell langsam und schleppend voran schritten. Gabrielle hingegen hatte die meiste Arbeit geleistet, war oft zurückgezogen und still. Sie war soeben damit fertig geworden, Bilder im Empfangsbereich von den verschiedenen Prostituierten aufzuhängen. Sie hatte auch die alleinige Fürsorge für die Einrichtung des Bordells. Sie kümmerte sich um die Werbung und die Außengestaltung. Beim Beginn der Arbeiten war entschieden worden, dass sie die Chefin im Team sein wird und ihr Wort als Letztes zählt. Es war heute soweit. Die Tore des Bordell Türkis wurden heute für die ersten Freier geöffnet und alle Prostituierten, die sich beworben hatten und eingestellt worden waren, warteten im Wohnraum, der den Kern der Einrichtung darstellte, auf ihre ersten Kunden. Der Wohnraum bestand aus einer großen Couch, einer Bar mit Hockern, einem Fernseher, einem Billardtisch und Spielautomaten. Alles, was Männerherzen begehrten, war hier zu finden und greifbar nahe. Die Preise wurden auf die Wünsche der einzelnen Kunden abgestimmt und je nach Zeitumfang und gewünschtem Programm, berechnet. Michaela war als Zimmermädchen eingestellt worden, nachdem sie nicht mehr als Krankenschwester arbeiten konnte durch ihr Übergewicht. Sie mochte ihre Arbeit sehr, da sie beim Reinigen der Zimmer meist niemanden antreffen würde und auch nie großartig gesehen würde. Das war genau das, was sie gesucht hatte. Kendrix hingegen versteckte ihre Krankheit hinter weiten Pullovern und breiten Hosen. Sie stand hinter der Bar und kümmerte sich mit Getränken und kleinen Snacks um das Wohl der ankommenden Kunden. Man sah ihr im Gesicht die fortgeschrittene Magersucht an, aber durch das gedämpfte Licht kam dies nicht viel zur Geltung. Alle 5 hatten auf diesen Tag lange hingearbeitet - der Eine mehr, der Andere weniger. Aber es war der Traum von allen 5 gewesen, dies zusammen aufzubauen und erfolgreich anlaufen zu lassen. Der große Tag war gekommen. Der 1.September 2002 sollte für alle ein Neubeginn werden. Jeder hatte seine Hoffnungen in dieses Projekt gesteckt und geschuftet wie ein Esel. Gabrielle öffnete die Eingangstür, schaltete den Brunnen ein, dimmte das Licht und erschrak fast zu Tode, als sie nach draußen schaute. Alle anderen 4 standen etwas weiter abseits, machten allerdings ebenso lange Gesichter wie sie. "Sie dürfen die Türen direkt wieder hinter uns abschließen! Wir würden uns gerne ein wenig umsehen!". Sie waren angeschwärzt worden bei der Polizei. Statt die ersten Kunden zu begrüßen, schüttelte Gabrielle nun einem Polizeibeamten die Hand. Fassungslos streckte sie ihre Hand Richtung Wohnraum, um den Polizeibeamten den Weg zu weisen. Alle schauten sich abwechselnd enttäuscht an. Nur Zip nicht. Er flüsterte Gabrielle etwas ins Ohr, als sie an ihm vorbei ging. Sie blieb stehen, drehte sich zu ihm um und fasste sich an den Kopf. "Bist du bescheuert? Wo? Wo liegt dein Rucksack? Warum bringst du so einen Scheiß hier ins Bordell?". Irgendwo im Wohnraum lag ein Rucksack voller Koks und die Polizei hatte einen Durchsuchungsbefehl. Gabrille hätte Zip an Ort und Stelle am Liebsten gewürgt und raus geworfen, aber das konnte sie auch noch später tun. Jetzt zählte nur eins. Schnellstmöglich diesen Rucksack entdecken, ihn heimlich raus schaffen, bevor die Polizei ihn durchsuchte und Zip im Gefängnis landete. Das Ende des Bordell Türkis wäre dann ebenfalls besiegelt.