»Es wird immer das gleiche Stück aufgeführt.«
In der Politik wiederholt sich alles und in der Geschichte lernen die Handelnden selbst aus den schlimmsten Ereignissen nicht. Sie wollen es nicht. Was für einfache Menschen verhängnisvoll ist, erscheint ihnen noch immer als Heldenepos. Wer die Geschichte nur aus Büchern kennt, ist am eifrigsten bestrebt, sie zu wiederholen.
Als junger Mensch wollte ich das nicht wahrhaben, aber mit sechzig Jahren musste ich es erkennen. Etliche der Zyklen dauern ungefähr vierzig Jahre – vierzig Jahre DDR ist das Musterbeispiel. Ich selbst habe als Zeitzeuge den ideologischen Aufstieg und Fall der Schia als Staatsideologie im Iran verfolgt. Selbst Erlebtes hat eine andere, tiefere Qualität als nur Erzähltes und Gehörtes, Geschichtsbücher und Dokumentationen.
Ist ein Zyklus vorbei, wird die Geschichte umgeschrieben und Scheitern und Versagen weg erklärt. Ist ein Zyklus vorbei, beginnt der nächste und je weiter er fortschreitet, desto beklemmender ist das Gefühl, in einer Zeitschleife gefangen zu sein. Das habe ich doch schon mal erlebt … als ich die TAZ im neuen Jahrtausend las, schien es mir, sie wieder in den 1980ern zu lesen.
Sonnenergie?
Die Diskussionen darüber kannte ich schon aus der Zeit um 1980. Ein Schulkamerad legte damals dar, dass rein rechnerisch ein kleines Stück Wüste in Ägypten ausreichen würde, ganz Deutschland mit Energie aus Solarkollektoren zu versorgen. Dann kamen Kanzler Kohl und die Parole »Kohle und Atom und daraus Strom«.
Meine Generation Wut
Jungen Menschen mangelt es an Erfahrungen,
die Alten haben sie nicht verstanden.
Viele in meiner Generation, der Generation der Älteren, haben ihre Erfahrungen und ihr Lebensweg entweder saturiert und zynisch oder verbittert und wütend gemacht. Man rechnet sich die Jahre aus, die man noch zu leben hat, und richtet sich ein. Wer die Welt nicht mehr versteht, meint, dass früher alles besser war. Es gab mehr Rente und die Bahn fuhr noch. Nur zu oft führen reale schlechte Erfahrungen und Krisen ins Irreale. Man unterstützt Trump und wählt die AfD.
Weder bei den Erfolgreichen und Arrivierten noch bei den Ausgegrenzten hat meine Generation aus ihrer Geschichte gelernt. Auf der Facebook-Seite von »Fridays for Future« machen die Älteren nur zu oft nicht durch Erfahrung, sondern durch Ignoranz auf sich aufmerksam.
»Alter Wein in neuen Schläuchen«
Rechte, Liberale und Linke frönen Ideologien aus längst vergangenen Jahrhunderten und berufen sich von Kant bis Marx auf Denker, die sie nicht verstanden oder gar weiterentwickelt, sondern auswendig gelernt haben. Die Rechten halten schlimmstes Mittelalter für Konservatismus und übelste Barbarei für Fortschritt. Für die orthodoxen Linken ist »1984« eine Zukunftsvision und die nach rechts abgedrifteten Liberalen wollen zurück in den Brutalkapitalismus des 19. Jahrhunderts.
Ihre Lehren aus der Geschichte bestehen stets darin, den anderen Ideologien die Schuld für all ihre Katastrophen zu geben. Das Internet hat mir reichlich Gelegenheit gegeben, mich mit Linken, Rechten und Liberalen auszutauschen und zwanzig Jahre WWW haben mich davon überzeugt, wie unverbesserlich und erstarrt diese Ideologien und ihre Protagonisten sind.
Allerdings sind Rechte, Liberale und Linke nicht erstarrt, wenn es gilt, ihre Ideologie den Zeitläufen entsprechend zu wechseln. In der arabischen Welt wurde der Marxist zum Islamisten und der frischgebackene Liberale bekannte, kein hirntoter Linker mehr zu sein. Aber ach, aus dem Linksliberalen machten schlimme Erfahrungen einen Rechtskonservativen. Wer Überzeugungen hat und meint, man solle seine Weltanschauung angesichts neuer Erfahrungen weiterentwickeln und nicht bei jeder Krise austauschen, sieht diesem Treiben irgendwann nur noch ratlos zu.
Über das Wesen solcher Ideologien und die Bestrebungen ihrer Protagonisten hat George Orwell eine Tierfabel verfasst. »Animals Farm« - deutsch: »Farm der Tiere« gehört auf Augenhöhe mit Machiavellis »Fürst« und Hobbes »Leviathan« und den Schriften anderer politischer Denker in den Kanon politischer Klassiker. Orwell schreibt auf, was die anderen gern verschweigen.
Wir Menschen haben genug zu essen und es ist möglich, jedem ein Dach über den Kopf zu geben und alle mit dem an Gesundheit, Bildung und Wissen zu versorgen, was sie zum Leben brauchen. Die wenigsten Konflikte und Tragödien unserer Tage sind durch wirkliche materielle Not und unabweisbare Zwänge verursacht.
Nur zu oft sind Terror, Not und Gewalt die Folge unserer Amok laufenden Emotionen, die von den Handelnden stur und verbissen geleugnet werden. Männer fahren große und schwere Autos, um anderen Männern zu imponieren und die Herren über sinnlose Kriege benutzen Kanonen als Penisverlängerung. Die Falschheit hinter dem schönen Schein ist so unerträglich, dass ich die Menschen im Guten wie im Schlechten oft nur noch beim Sex als Menschen erlebt habe.