Als ich gestern von der Gartenarbeit ins Haus kam und mich an den Tisch setzte, bemerkte als ich auf meinem Arm ein Tierchen. Im Reflex wollte ich es schon wegwischen, weil ich immer Angst vor Zecken oder anderen Blutsaugern habe, werfe dann aber einen zweiten, genaueren Blick darauf. Ich bin irritiert: Sein Habitus, der Körperbau, die langen Fühler mit dem verdickten ersten Fühlerglied erinnern mich eindeutig an einen Bockkäfer, aber das Tierchen ist gerade mal einen halben Zentimeter lang. Ich kenne Bockkäfer nur als relativ große, stattliche Käfer, unter der ihnen Titanus giganteus, eines der größten Inseken überhaupt!
Ich nehme also ein Bestimmungsbuch zur Hand, vielleicht habe ich ja Glück!
Nach kurzer Suche stosse ich tatsächlich auf das Tierchen: Pogonochoerus hispidulus, der doppeldornige Wimpernbock. Also doch ein echter Bockkäfer!
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/15/Pogonocherus-hispidulus-01-fws.jpg
Ganz sicher bin ich jedoch nicht, denn es gibt eine nahe verwandte, ganz ähnliche Art, Pogonochoerus hispidus, der dornige Wimpernbock und das Tierchen ist schon verschwunden bevor ich eine Lupe hole.
Über die Lebensweise ist leider wenig zu finden, offensichtlich leben die Larven, typisch für Bockkäfer in verschiedenen Laub- und Nadelgehölze. Anscheinend leben sie in relativ dünnen, dürren Ästen und nicht im Stammholz. Das würde auch ihre geringe Größe erklären. Außerdem haben sie dort keine Konkurrenz von anderen Bockkäfern. Die Käferchen sind weit verbreitet und besiedeln Gebüsche und naturnahe Gärten. Die Körperfärbung und die rauhe Oberfläche stellen wohl eine hervorragende Tarnung auf flechtenbewachsenen Ästen dar.
Die knappen Daten, die ich über das Käferchen finde, erinnern mich daran, dass, Abgesehen von den großen oder spektakulären Arten, auch in Deutschland ein guter Teil der Insektenfauna kaum erforscht ist. Dass es für diese Forschung sehr wenige Gelder und viel zu wenige Spezialisten gibt. Besonders tragisch ist dies, weil die Zahl und Menge der Insekten bei uns ja von einem dramatischen Rückgang betroffen ist. Viele Arten drohen zu verschwinden, bevor etwas genaueres über ihr Wirken und ihre Lebensweise bekannt ist. Viele Arten drohen zu Verschwinden, bevor sie überhaupt entdeckt wurden.
Das Insektensterben wird ja von vielen Menschen kaum beachtet, für mich bedeutet es aber einen großen - ja ich würde sagen - ästhetischen Verlust, einen Verlust an Reichtum in der Natur und in meinem Leben.
Umso mehr freut es mich, wenn ich in der unmittelbaren Umgebung meines Gartens eine Art finde, die ich nicht kannte. So wie ein Schatz, den man entdeckt.
Auf diesem Portait sieht man gut die namensgebenden Dornen am Ende der Flügeldecken und auf dem Rücken: