Das hübsche Cover wurde von Riley Mcforest gestaltet. Vielen herzlichen Dank dafür. :-)
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Es war der Abend des einundzwanzigsten Dezembers, als ein junger Mann mit rotblonden Haaren sich in seinen Wintermantel gehüllt auf den Weg zum Weihnachtsmarkt machte. Schon bald hörte er die ersten noch leisen Töne der Weihnachtsmusik, die auf dem Markt gespielt wurde. Alexander fror und vergrub seine behandschuhten Hände tiefer in seinen Manteltaschen.
Bald erreichte er den belebten Weihnachtsmarkt. Eine Horde Kinder rannte an ihm vorbei und auf einen Süßigkeitenstand zu. Der junge Mann lächelte leicht und dachte darüber nach, sich etwas Zuckerwatte zu holen. Das war zugegeben nicht gerade weihnachtlich, doch er mochte die süße Watte, die auf der Zunge zerging, so gern.
Als er an den Stand herantrat, sah er jedoch noch etwas. Verführerisch duftende Zimtsterne befanden sich in der Auslage. Trotz der schützenden Glaswand lief ihm bei dem Geruch der Sterne das Wasser im Munde zusammen. Und gleichzeitig fühlte er einen Stich in seinem Herzen.
Dieses Gebäck war Raymonds Lieblingsnascherei zu Weihnachten. Letztes Jahr war ihr erstes gemeinsames Weihnachtsfest gewesen und sie hatten die Sterne zusammen ausgestochen und gebacken. Die Küche hatte noch Stunden danach wundervoll nach Zimt geduftet … Und die Kekse waren sehr gut geworden. Doch in diesem Jahr würde Alexander wohl alleine backen und feiern müssen.
„Eine Tüte Zimtsterne bitte“, murmelte er leise und musste seine Bitte wiederholen, da die Verkäuferin ihn nicht verstanden hatte. Er reichte das Geld in Münzen herüber und bekam die Zimtsterne, welche er in seine Manteltasche gleiten ließ. Ein bittersüßes Gefühl überkam ihn. Allein wollte er ungern backen, doch mit der gerade gekauften Tüte würde er eine kleine Erinnerung an das vorherige Weihnachten haben. Ob die gekauften Sterne wohl genauso gut schmeckten wie die selbstgebackenen?
Alexander ließ seinen Blick über den Markt schweifen, während er langsam weiterlief. Ein Kinderkarussell in seiner Nähe verbreitete Lärm. Es drehte sich und die Kinder, die mitfuhren, drückten wild auf den Sirenenknopf der Polizei- und Feuerwehrwagen herum. Da waren Alexander die ruhigen Reitpferde lieber, die sich gemächlich auf und ab bewegten. Vom Karussell dudelte eine eigene Musik, was ihm leichte Kopfschmerzen zu bereiten begann. Schnell ging der hochsensible junge Mann weiter und betrachtete die Auslage eines Standes, bei dem handgearbeitete Mützen, Schals und Plüschtiere angeboten wurden.
Ich habe noch kein Geschenk für Raymond, schoss es Alexander durch den Kopf. Auch wenn sein Partner in dessen Heimatland England war und dort etwas zu erledigen hatte, wollte er ihm etwas schenken. Vielleicht ein Paar warme Handschuhe? Oder doch lieber was anderes? Alexander grübelte und entschied sich dazu, sich erst einmal weiter umzuschauen.
Er folgte dem Duft von Glühwein und Gebratenem und holte sich eine Tasse des heißen Getränks. Vorsichtig pustete er auf die Flüssigkeit in seiner Tasse und nippte daran. Obwohl er in kleinen Schlucken trank, breitete sich sofort eine wohlige Wärme in seiner Magengegend aus. Er fühlte sich ein klein wenig besser. Alexander blickte zum Himmel empor. Wegen der vielen blinkenden Lichter sah er nichts als Schwärze über sich. Gleich darauf blinzelte er, als etwas Kaltes sein Auge berührte.
Die ersten zarten Schneeflocken fielen vom Himmel. Der junge Mann umfasste seine Tasse fester und beobachtete, wie die weißen Flocken auf seinem Arm landeten und schmolzen. Langsam trank er weitere Schlucke und lief ein Stück vorwärts.
Er hätte vor Schreck fast seine Tasse fallen lassen, als sich zwei Arme von hinten um ihn legten. Doch dann vernahm Alexander die vertraute Stimme mit dem geliebten Akzent seines Partners an seinem Ohr.
„Endlich hab ich dich“, murmelte die Stimme und klang hörbar erleichtert.
„Wie hast du mich hier gefunden?“ Alexander drehte sich um und blickte in das Gesicht seines Freundes.
„Du warst nicht zuhause. Dein beste Freundin Sarah meinte, du wärst nicht bei ihr. Also war die logische Schlussfolgerung, dass du auf dem Weihnachtsmarkt bist. Ich weiß doch, wie sehr du ihn magst und die weihnachtliche Stimmung liebst.“
„Du hast recht.“ Alexander lächelte glücklich.
„Und du kannst jetzt hierbleiben?“ Alexander schaute besorgt zu seinem Partner auf. Er hatte Angst, dass der Therapeut ihn so kurz vor Weihnachten wieder verlassen würde …
„Ich bleibe hier, keine Sorge. Das Treffen mit ein paar ehemaligen Patienten war gut und ich konnte mich von meinen Eltern loseisen. Sie haben es zwar nicht so gut aufgefasst, aber sie müssen verstehen, dass ich Weihnachten lieber mit dir feiern möchte.“
„Das ist toll, wirklich. Ich hatte befürchtet, dieses Weihnachten allein feiern zu müssen …“ Alexander kuschelte sich an seinen Partner.
„Musst du nicht. Übrigens, schau mal nach oben.“ Raymond hob sanft das Kinn seines Partners an. Dessen Blick wanderte empor. Die beiden standen unter einem hölzernen Tor, an welchem ein Mistelzweig hing.
Die Lippen der beiden Männer trafen sich zu einem süßen, liebevollen Kuss. Als Raymond seine Arme um Alexander schlang, hörte er es in dessen Manteltasche knistern.
„Ich habe was für dich“, murmelte Alexander, und zog die Tüte Zimtsterne hervor.
„Frohe Weihnachten“, fügte er hinzu.
„Dir auch frohe Weihnachten. Und vielen Dank“, antwortete Raymond.