Auch wenn ich nicht wusste warum, zog es mich immer wieder zu dieser krummen, alten Mauer, die eigentlich nichts schützte. Im Gegenteil, meiner Meinung nach war sie kurz vor dem Verfall. Es wirkte auf mich, als könnte sie jederzeit umkippen oder in sonst eine Richtung einstürzen.
Mich hatte schon immer interessiert, warum diese Mauer dort stand. Ich hatte viel über das Thema Krieg und wie viele Städte vorher aussahen, gelesen. Zu meinem Pech fand ich nichts über meine Stadt, diese oder andere solcher alleinstehenden Mauern. Alles historische interessante mich immens und manchmal wünschte ich mir, dass ich in der damaligen Zeit eine Prinzessin gewesen wäre. Diesen Wunsch malte ich mir höchstwahrscheinlich schöner aus, als es damals wirklich war. Mit dem, was ich alles schon gelesen und mir dementsprechend vorgestellt hatte, waren in meinem Kopf nicht nur schöne sondern auch abscheuliche Bilder verankert. Nur brachten mich diese Gedanken im Moment kein Stück weiter in meiner Recherche um diese wundersame Mauer. An jedem Tag mit passendem Wetter und genügend Zeit, ging ich zu der Wiese, auf der die Mauer stand und sah sie mir genauestens an. Ich fand nirgends irgendeine Markierung oder sonstige Hinweise auf eine Zeit, in welcher sie errichtet wurde. Heute war wieder ein sonniger Tag, an dem ich die gesamte Wiese untersuchte. Nur heute war es anders. Je näher ich der Mauer kam, desto stärker wurde ein faulig süßlicher Geruch. So oft ich auch schon hier war, war dieser Gestank zuvor noch nie gewesen. Auch wenn mir von dem üblen Geruch schlecht wurde und ich meinen Würgereiz unterdrücken musst, ging ich näher und um die Mauer herum. Auf den ersten Blick konnte ich nichts ausmachen, was diesen Geruch auslöste. Egal wie oft ich um die Mauer herum lief und im hohen Gras suchte, ich fand nichts. Resigniert und mit rebellierenden Magen wollte ich gerade gehen, als mir etwas auf den Kopf tropfte. Verwirrt streckte ich die eine Hand aus, um zu sehen, ob es regnete und mit der anderen fasste ich mir an die Stelle, an der der Tropfen gelandet war. Als ich auf meine Finger schaute und sah, dass es eine rötlich braune Flüssigkeit war, brach in mir jegliche Selbstbeherrschung zusammen und ich übergab mich heftig. Vorsichtig richtete ich meinen Blick an der Außenseite der Mauer nach oben. Dort lag ein mir unbekanntes, verwesendes Tier. Ein erneuter Schwall kämpfte sich meinen Hals nach oben und ich erbrach mich nochmal, obwohl ich dachte, dass es dafür nichts mehr gab. Mit tränenden Augen machte ich mich auf den schnellsten Weg nach Hause.
Auch wenn ich nicht wusste, was es für ein Tier war noch wodurch es gestorben war, wollte ich, dass es nicht länger dort oben liegen bleiben sollte. Es sollte genauso die letzte Ruhe finden können, wie es auch für uns Menschen gemacht wird.