Hallo zusammen
Herzlich willkommen zur Sidestory über Teresians Werdegang. Die Geschichte spielt fünf Jahre vor „Das Reich der vier Jahreszeiten“ und zwei Jahre vor dem Krieg.
So viel zum Zeitlichen.
Die Geschichte handelt vom Thema Selbstakzeptanz. Etwas ganz wichtiges, wie ich finde. Was mich selbst schon JAHRE lang beschäftigt. Deshalb hat Teresian auch einiges von mir. Begleitet ihn auf seiner inneren Reise und seht wie er sich verändern und entwickeln wird.
Hinterlasst gerne eine Rückmeldung.
Lg Rosenmond.
Teresian kochte vor Wut. Zugleich frass sich die Eifersucht beißend einen Weg in sein Herz, verschlang alles, was davon noch übrig geblieben war. Sein einziges Verlangen bestand darin, Reiden leiden zu lassen. Ihm alles zu nehmen, damit sein verehrter Halbbruder endlich erfuhr, was es hieß, ein Nichts zu sein. Ein Zweitgeborener, ein Bastard. Sein Leben lang hatte er im Schatten des eigenen Bruders gestanden.
Doch damit war jetzt Schluss. Teresian grinste böse.
Oh Reiden. Du hast keine Ahnung, was dich erwarten wird. Ich mag es gewohnt sein nichts zu haben und nichts zu sein. Aber du bist alles und trägst für alles die Verantwortung. Viel Spaß dabei…
*
Reiden konnte sich anfangs keinen Reim darauf machen. Das Problem war ihm gänzlich unbekannt und sämtliche Aufzeichnungen hatten keine brauchbaren Resultate geliefert. Es war und blieb ein Rätsel, weshalb die Brunnen kein Wasser mehr führten. Er war der Herrscher über das Reich des Sommers und hätte gespürt, wenn etwas mit der Natur nicht in Ordnung gewesen wäre. Doch da war nichts. Kein Ungleichgewicht, keine Gefahr. Reiden war ratlos und konnte nichts weiter tun, als mit der Suche fort zu fahren.
—-
Mehrere Wochen später hatte sich die Lage noch immer nicht entspannt. Reiden war Tag und Nacht auf der Suche nach einer Lösung, erfolglos. Gerade saß er auf seinem Thron und grübelte nach, als es klopfte und sein Halbbruder, Teresian, zur goldenen Flügeltüre herein trat. Er trug fast dasselbe wie Reiden; ein langes rotes Gewand mit goldenem Saum, das ihm einen imposanten Auftritt verlieh. Einzig die Goldene Krone fehlte.
„Und, hast du das Problem bereits gelöst?“, wollte Teresian wissen.
Reiden schüttelte den Kopf und seufzte. Er fühlte sich hilflos und auch verzweifelt. Die Brunnen waren wichtig für die Wasserversorgung. Ohne sie mussten das Volk viele Kilometer zurück legen, um an das kostbare Gut zu gelangen. Und wer wusste schon, ob dieses seltsame Phänomen nicht auch noch auf die Flüsse und Bäche über griff? -Hoffentlich nicht!
„Leider nicht. Ich habe keine Ahnung, was die Ursache sein könnte.“
„Ich schon.“
“Was?!“, erstaunt blickte Reiden Teresian an. Sein Bruder grinste nur böse. Was? Er blinzelte, doch es verschwand nicht. Reiden hatte sich nicht geirrt, es war ein dreckiges, niederträchtiges Grinsen, welches Teresians schmalen Lippen zeichnete.
Sein Bruder trat näher auf ihn zu, lässig. Als ob er es geradezu genoss ihn auf die Folter zu spannen. „Die Ursache für das Problem mit der Wasserversorgung bin ich“, sprach er dann, kaum einen Meter von ihm entfernt, die braunblauen Augen direkt auf ihn gerichtet.
Reiden traute seinen Ohren kaum. Das… Das konnte unmöglich wahr sein. Sein Bruder hatte nicht gerade zugegeben das Volk absichtlich und in vollem Bewusstsein leiden zu lassen?!
Einen Moment war er sprachlos. Klar hatten sie in der Vergangenheit ihre Differenzen gehabt und Reiden war auch bewusst, dass Teresian in diversen Sachen anders gestrickt war, als er selbst, aber das?!
“Ja, ich bin es. Der Zweitgeborene. Der Bastard der Familie. Dein Schatten. -Wie du weißt, bin ich im Stande Hitze zu erzeugen. Damit habe ich die Brunnen ausgetrocknet. Ob ich zu den Flüssen und Bächen übergehen werde, hängt allein von dir ab.“
Die Wachen wollten vortreten und seinen Bruder festnehmen, doch er gebot ihnen zurück zu bleiben.
„Warum?“, würgte Reiden schliesslich hervor. Er konnte es einfach nicht fassen. Sein eigener Bruder erpresste ihn! Reiden hätte nie gedacht, dass er soweit gehen würde. Eine Erkenntnis, die bitter schmeckte und ihm die Luft zum Atmen nahm. „Was willst du?“
Zwar konnte er es sich bereits denken, aber Teresian musste es dennoch aussprechen, immerhin konnte er sich irren. Reiden hoffte inständig, dass er sich irrte.
„Ich will, was du hast. Ich will alles. Den Thron. Das Reich. Die Anerkennung. Deine Frau.“
Leider war es exakt das, was er befürchtet hatte. „In Ordnung. Du kannst den Thron haben, das ganze Reich. Unter der Bedingung, dass du dich gut um das Volk kümmerst. Aber Carina bekommst du nicht! Sie ist meine Frau, mein Ein und ALLES!“
“Ich weiss“, meinte sein Bruder schnippisch, „ keine Frau, kein Wasser.“
„Sie könnte dich niemals lieben. Sie liebt mich!“, versuchte Reiden möglichst sachlich zu argumentieren, auch wenn es ihm zunehmend schwerer fiel. Wann würde er aus diesem Albtraum erwachen? Er konnte immer noch nicht fassen, dass sich sein eigener Bruder gegen ihn gewandt hatte. Der Schmerz bohrte sich wie ein Dolch in sein Herz, stach bei jedem Schlag des gepeinigten Organs tiefer hinein.
„Liebe. Eine Illusion und ein Gefühl, nachdem die Schwachen streben. Ich will nicht geliebt werden, Bruder. Ich will herrschen.“
Das konnte Reiden nicht glauben. Dafür kannte er Teresian zu gut. Verdammt nochmal, er war mit ihm aufgewachsen! Eine ganz andere Frage lag ihm auf der Zunge, kämpfte sich ihren Weg frei und wurde schließlich entlassen: „Warum? Warum tust du das? Du hättest nur fragen können, wir hätten uns die Herrschaft teilen können?!“
“Spar dir die Worte!“, zischte Teresian. „Du weißt nicht, wie es ist, ein Bastard zu sein und immer bloß Zweiter, egal was man macht. Aber jetzt. Jetzt ist meine Zeit gekommen.“
Reiden schüttelte den Kopf. Nein, er verstand es tatsächlich nicht. Okay, dass Teresian als Zweitgeborener keinen Anspruch auf den Thron hatte, stimmte. Aber Bastard?! Nein, dieses Wort war verboten. Schon seit längerem. Die anderen Reiche mochten rückständige Gesetze haben, der Sommer jedoch nicht. Hier waren Ehen von verschiedenen Jahreszeiten legal und die Kinder wurden nicht als Bastarde verschrien, sondern hatten dieselben Rechte und Pflichten wie Reinblüter. Der einzige Grund, weshalb Teresian nicht auf den Thron saß, war, dass er der Zweitgeborene war und nicht, weil seine Mutter dem Herbst angehörte. Das interessierte niemanden.
Reiden seufzte tief. So würden sie nicht weiter kommen. „So sehr ich deine Emotionen auch zu verstehen versuche, ich kann es einfach nicht. Wenn du den Thron willst, nimm in dir. Carina wirst du nicht bekommen. Das wäre in keiner Weise vertretbar und auch für dich selbst nicht das Beste. Sie wäre dir keine gute Frau, weil sie mich liebt.“
Teresian hatte den Mund verzogen, als ob er soeben Bekanntschaft mit einer sauren Zitrone gemacht hätte. Seine harten Züge verspannten sich. Er malte mit den Zähnen, bis es knirschte.
„Schön. Nicht Carina. Aber ich WILL eine Frau.“
“Einverstanden.“ Reiden überlegte. Da fiel ihm etwas ein. Allerdings hatte er keine Ahnung, ob sie wirklich in Frage kam. Nur wer würde sich sonst auf solch eine Abmachung einlassen? Noch dazu derart kurzfristig?
„Carinas jüngere Schwester, Sedora. Sie ist noch ledig.“
Teresian schien zu überlegen. Grinste dann böse, was Reiden seinen Vorschlag sogleich bereuen ließ. Musste er Angst um Sedora haben? Nicht, oder?
Aber seit heute wusste er gar nichts mehr. Kannte er seinen Bruder überhaupt noch? Er zweifelte ernsthaft daran.
„Willst du dich wirklich bereits an eine Frau binden? Du hast noch genug Zeit, um die Richtige zu finden, du…“
Teresian fiel ihm rüde ins Wort: „Das entscheide allein ich! Und jetzt mach den Weg frei! Solange ich regiere, wirst du im Kerker sein und dort bleiben, verstanden? Außer du willst, dass ich das Volk für deinen Widerstand bezahlen lasse- oder noch besser. Die liebreizende Carina.“
“Wage es ja nicht!“ Reiden hatte nicht ausrasten wollen, doch seine Nerven lagen blank. Es war einfach zu viel für ihn.
„Das liegt ganz bei dir, Bruder und nun geh, husch! Du findest den Weg selbst.“
Und Reiden ging. Die Steintreppe nach unten, ohne zurück zu schauen. Nur kurz vor der Türe hielt er inne und wandte sich an die Wachen, die ihn entsetzt und ungläubig anblickten. „Teilt allen mit, dass ab jetzt für einen noch unbestimmten Zeitraum mein Bruder regieren wird.“
„Aber das… kann nicht Euer Ernst sein!“, schrie Leniel.
„Doch. Das ist es. Ich will kein Blutvergiessen oder dass das Volk weiter leiden muss“, erwiderte Reiden.
„Werft ihn in den Kerker!“, schlug Maria vor, der genauso aufgebracht war.
“Ich weiß nicht, wer alles auf Teresians Seite steht und möchte wie gesagt einen Kampf vermeiden. Vielleicht… normalisiert sich alles von allein wieder?“
Maria schnaubte.
Leniel schüttelte den Kopf.
„Das war keine Bitte, sondern ein Befehl.“ Seine Stimme klang schwach, kraftlos.
„Okay, aber nur weil Ihr es seid“, gab Leniel nach. Maria nickte. Beide sahen nicht gerade glücklich aus.
Der Verlust des Throns war ihm egal. Doch das Volk und Carina. Er fürchtete sich davor sie allein zu lassen. Allerdings wusste er, dass es Teresian ernst war und der nicht zögern würde seine Drohungen wahr zu machen.
Zudem wurde es Reiden bereits beim Gedanken schlecht gegen den eigenen Bruder kämpfen zu müssen. Seine Familie. Ein Stein, so groß wie ein Felsen, hatte sich in seinem Bauch gebildet.
Er wollte nicht wissen wo das alles enden würde.