Es war Nacht. Sie telephonierten. Er und sie. Sie und er. Eine lange und doch nicht enden wollende Geschichte.
Einst waren sie zusammen, teilten sich eine Wohnung, ein Bett, ein Leben.
"Du kannst den Tag wählen, an dem ich vorbei kommen soll: Freitag, Samstag oder Sonntag?“
- "Nein.“
Doch die Umstände ließen sie scheitern. Sie sahen es ein, trennten sich und nun hatte jeder eine eigene Wohnung, ein eigenes Bett, ein eigenes Leben.
"Eins, Zwei oder Drei?“
- "Null.“
Er versuchte oft, dort anzuknüpfen, wo sie beide aufgehört hatten. Doch sie hatte sich verändert. Der stetige Schmerz hatte ihre Gefühle angegriffen, gedämpft und schließlich ganz verstummen lassen. Er hingegen liebte sie noch immer; wollte nicht aufgeben, was er verloren hatte.
"Also sehen wir uns am Donnerstag?“
- "Nein, das geht nicht. Ich treffe mich mit einer Freundin zum Backen.“
Sie hatte sich von ihm gelöst; der Weg war ein schmerzlicher, qualvoller, langsamer gewesen. Sie ließ Kontakt zu, verweigerte nun nicht mehr jenes freundschaftliche Gefühl, das sich bei ihr eingestellt hatte. Aber er wollte es unbedingt schaffen, wollte unbedingt die Liebe retten, die schon lang nicht mehr zu retten war.
"Wie wäre es mit Mittwoch?"
- "Nein, das geht nicht. Ich gehe mit meiner Mutter tanzen.“
Sie konnte nicht mehr. Sie wollte sich nicht darauf einlassen, wollte nicht schon wieder verletzt werden. Doch er verstand sie nicht. Abertausend Mal hatte sie ihm erklärt, weshalb sie noch warten mochte, weshalb sie noch warten musste. Es war noch nicht lang her, dass jene Narbe, die er in ihrem Herzen hinterlassen hatte, eine offene, klaffende Wunde war, die ihr Tag um Tag Schmerz zugefügt hatte.
"Ach Engel...“
Stille. Sie erwiderte nichts. Was hätte sie auch sagen sollen, tun können, was sie nicht schon getan und gesagt hatte? Was es besser machte, leichter für ihn und für sie selbst?
- "Wieso können wir das Thema nicht einfach, endlich fallen lassen?“
Ein Seufzen. Sie gab die Hoffnung noch nicht auf. Sie konnte es schaffen, die nahende Katastrophe, das Gesprächsende, noch aufhalten. Sie musste es schaffen.
"Wie Du willst.“
- "Du weißt, dass Du mich nicht umstimmen kannst.“
Erneut Stille. Es war lediglich das Rauschen seines Atems zu hören. Sie war beunruhigt. Sie wusste, dass er es nicht meinte, wie er es sagte. Das hatte sie oft gestört, oft daran gehindert, Probleme in der Beziehung zur Sprache zu bringen. Sie behielt viele Dinge für sich. Zu viele Dinge. Sie dachte an die Zeit zurück, in der sie sich hätte breitschlagen lassen. Doch sie dachte an diese Zeit zurück, ohne Wehmut zu verspüren.
"Es gab Momente, in denen hättest Du sofort ja gesagt.“
- "Das ist richtig. Schön, dass Du das Präteritum verwendest.“
"Es ist bedauerlich, dass ich es benutzen muss.“
Er dachte an ihre gemeinsame Zeit zurück. Er dachte an ihre gemeinsame Zeit zurück und verspürte Wehmut. Er hatte Sehnsucht. Sehnsucht nach ihrer Stimme, selbst wenn sie telephonierten, Sehnsucht nach ihrem Körper, selbst wenn sie in greifbarer Nähe war. Wie sehnte er sich danach, sie zu berühren. Doch er konnte sie lediglich aus der Ferne betrachten, mehr ließ sie nicht zu.
- "Du kannst doch nicht einfach deinen Mitbewohner allein lassen. Er braucht dich doch."
"Wenn Du jetzt anfängst, dumme Argumente zu finden, lege ich auf."
- "Was sollte ich anderes tun? Du akzeptierst meine Entscheidung ja nicht."
Sie wusste, würde er jetzt auflegen, so wäre es das Ende einer Freundschaft, das Ende einer Ära. Er hatte sie schon zu oft verletzt. Und als solches hätte sie den Abbruch des Gespräches empfunden: verletzend.
- "Ich bin nicht mehr die Frau, die sich deinem Willen beugt."
"Du wirst immer mein Engel bleiben."
Und in diesem Moment verliebte sie sich erneut in seine Stimme, seine Worte, die sie an ihrer empfindlichsten Stelle berührten und in ihrem Bann gefangen hielten. Sie erlag seinen Worten wie der Schmetterling den tödlichen Fängen der Spinne, genau wie damals. Und sie ließ es geschehen.
Er und sie. Sie und er. Getrennt und doch untrennbar miteinander verwoben.