Aschenputtel
„Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen!“ Aschenputtel lächelte, als die Tauben zu ihr flogen um ihr zu helfen. Seit Stunden kniete sie in der Asche und pickte die Linsen, die darin verstreut waren, aus ihr. Andere mochten diese Tätigkeit langweilig, ja öde oder gar unwert empfinden, aber Aschenputtel kam dabei immer zur Ruhe und spürte so etwas wie einen tiefen Frieden in sich.
Ihre Stiefschwestern waren heute auf einem großen Konzert einer noch größeren Band. Der Prinz tourte mit seiner großen Entourage und seinen Musikern durch das ganze Land um seinen Untertanen Momente der Verzückung und des Glücks zu bescheren. Sie hatten sich herausgeputzt um für die „row zero“ des schon etwas alternden Prinzen ausgewählt zu werden. Und sie hofften in jenen geheimnisvollen Raum unter die Bühne geholt zu werden - dort, so hieß es - würde sie der Prinz für ihre Dienste mit göttlichem Dank in Form von Reichtum und Publicity belohnen. Der Neid aller anderen Mädchen wäre ihnen gewiss und das würde sie mit ewigem Stolz erfüllen.
„Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“, Aschenputtel, das schon lange vergessen hatte, wie es eigentlich hieß und deren Stiefmutter ihren Ausweis konsequent einbehielt, dachte an ihre Schwestern und was sie wohl gerade machten und wie es wäre, wohl auch einmal in der „row zero“ zu stehen. Da sie aber eine illegale Migrantin war und ihr Lohn mit Kost und Logis leider abgegolten war – wie die Stiefmutter immer wieder sagte – konnte sie sich nicht das nötige Outfit, das Styling und die OP´s leisten, welches die Mädchen benötigten um die Aufmerksamkeit des Prinzen zu erhaschen. Die Schwestern hatten ihr ja lange erzählt, welche Anforderungen die Zeremonienmeisterin des Prinzen an die Kandidatinnen stellte – und was das alles kostete. Natürlich blieb da kein Geld über, um Aschenputtel etwas Lohn zu zahlen, das war ihr klar. So war nun mal die Welt. Aber es war warm am Ofen und sie hatte ein Dach über dem Kopf – und – sie hatte etwas zu tun.
„Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“ dachte sie und lächelte. „Aschenputtel, sag mal“ raunte ihr der Tauberich zu. Sie arbeitete schon so lange mit den Tauben zusammen, dass sie mit ihnen sprechen konnte, schaffte es aber trotzdem immer noch nicht, die Tauben auseinanderzuhalten. „Sag mal,“ willst du nicht auch mal in der ´row zero´ stehen“?
„Ich?“ Sie lachte: „Was soll ich denn in der ´row zero´? Weißt du, was allein das gewünschte Outfit kostet?“ Und überhaupt, ich weiß nicht? Was soll ich denn da? Ich habe ja noch nicht einmal Freundinnen vor denen ich damit angeben könnte.“ Sie stierte nachdenklich an die Wand.
„Doch,“ sagte der Tauberich, „schau dich doch einmal an, du wirkst viel natürlicher als deine Schwestern und für viele Männer hat das einen großen Reiz!“
Aschenputtel errötete und sagte: „Danke, aber ich weiß nicht, das kommt doch überhaupt nicht in Frage für mich?!“
„Sei nicht verzagt, trau dich mal was!“ sagte der Tauberich, „Geh heute zum Grab deiner Mutter und du wirst Hilfe bekommen!“
„Was denn für Hilfe?“ meinte sie. Sie glaubte dem Tauberich kein Wort, war ihm aber dankbar für seine aufmunternden Worte.