Eine zehntel Sekunde und wir stehen wieder auf der Wiese mit dem hohen Gras vor Hilleys Haus. Ich lande auf dem Boden und meine Füße geben nach. Meine Beine fühlen sich wie Pudding an und ich bleibe erst kurz liegen. Ich sehe den großen Baum, auf dem Aria und ich gesessen haben, bevor wir zu dieser Mission, von der wir nun endlich zurück sind, aufgebrochen sind. Einige Blätter fallen hinab und ich beginne darüber nachzudenken, dass ich hier auch einfach liegen bleiben und verhungern oder verdursten könnte. Ich betrachte meinen schwarzen Ärmel, der ein wenig zu groß für meinen Arm ist. Der Duft des Grases, auf dem ich liege, steigt mir in die Nase und drehe mich auf den Rücken. Neben mir liegen Aria und Miles. Beide scheinen genauso geschafft zu sein wie ich. Liegt das daran, dass die Tage dort so anstrengend waren? Ich hatte gar nicht gedacht, dass ich so müde sein würde, wenn ich wieder zurück bin. Plötzlich tritt Hilley neben mich und ich erschrecke mich fürchterlich. Irgendwie war ich gerade völlig in Gedanken und nun bin ich zurück. Hilley reicht mir die Hand, während Annabeth Aria und Miles hochhilft.
Als ich wieder auf meinen Beinen stehe, blicke ich zur Tür. Dort auf der Veranda sitzt Ruby. Ihr Arm befindet sich nach wie vor in der Schiene, obwohl doch eigentlich schon viel Zeit vergangen ist. Der Blick des Mädchens ist auf mich den Boden gerichtet, als wir uns jedoch langsam in ihre Richtung auf machen, hebt sie den Kopf und macht sich auf den Weg zu uns.
Auf dem halben Weg treffen wir uns und Ruby mustert uns. Wir sehen wohl miserabel aus. Das sagt jedenfalls ihr Blick. “Ist was?“, frage ich sie deshalb. “Ihr seht mies aus“, sagt sie einfach ohne Umschweife:“Nicht, dass ihr jemals gut aussaht, aber ihr wirkt total bleib und seid echt schlecht gekleidet.“ Ich seufze und verdrehe instinktiv die Augen. Das ist Ruby wie wir alle sie kennen und lieben. Hilley wirft Ruby einen mahnenden Blick zu:“Willst du nicht lieber fragen, wie es den anderen ergangen ist?“ Ruby wirkt genervt, tut es aber:“Wie war’s? Habt ihr wenigstens eure Mission geschafft?“ “Ja haben wir. Es war ehrlich gesagt sogar gar nicht wirklich schwer“, erwidere ich. Wenn ich nun genau darüber nachdenke, ist es viel zu leicht gewesen, wenn man bedenkt, dass es eine Schule voll mit mächtigen Kindern gibt. Da fällt mir plötzlich wieder ein, wie die Leute im Institut es wohl gemacht haben. Sie haben uns jeden Abend weiße Tabletten gegeben, die wir unter Aufsicht nehmen mussten. Erst wenn man sie geschluckt hatte, durften wir gehen. Ich habe es irgendwie geschafft die Tablette unter meiner Zunge zu verstecken und dann meine eigene Spucke hinunter zu schlucken, sodass ich gehen durfte. Als ich dann draußen war, bin ich immer schnell zu meinem Zimmer verschwunden. Dort angekommen, habe ich die Tabletten dann ausgespuckt und in meinem Kissenbezug versteckt.
“Und wer ist das?“, fragt Ruby nun ein wenig interessierter und mustert Miles. Wieso fragt sie das so komisch?
“Ach ja, das ist Miles“, erkläre ich:“Er hat uns geholfen zu entkommen.“ “Nachdem ich euch beim Klauen erwischt hast“, ergänzt der Junge. Aria und ich verdrehe gleichzeitig die Augen. Ist das sein ernst? Das hätte er nicht unbedingt erwähnen müssen.
“Er hat euch erwischt?“, fragt Hilley überrascht und wütend zugleich:“Das reicht. Dieser Junge muss sofort gehen.“
“Was?“, fragt Miles:“Die beiden haben mir versprochen, dass ich hier bleiben darf.“
“Das ist nicht mein Problem! Ich kann echt nicht noch mehr Probleme gebrauchen, also verschwinde einfach“, Hilley ballt die Hände zu Fäusten und schaut Aria und mich wütend an. Uns ist klar, dass sie es uns übel nimmt, dass wir ihm etwas versprochen haben, womit sie nicht zufrieden ist.
Miles ist sprachlos und versucht etwas zu sagen, doch ich unterbreche ihn.
“Wir haben es ihm versprochen und ich halte meine Versprechen immer, Hilley“, sage ich ernst. Aria steht hinter mir:“Ich auch.“
“Das ist mir egal. Er geht!“
“Warum denn?“, fragt nun auch Ruby, die Miles interessiert mustert. Wieso hat sie so ein starkes Interesse an ihm.
“Ich muss mich vor euch nicht rechtfertigen. Ich bin hier die Erwachsene und an meine Regeln haltet ihr euch gefälligst“, sie wird nun wirklich wütend.
Langsam sind Aria und ich vorm Verzweifeln. Was hat sie gegen ihn?
“Bitte! Sag uns doch wenigstens wieso er nicht hier bleiben darf“, fordere ich. In meiner Stimme ist zu hören wie wichtig das Ganze für mich ist. So gut es geht versuche ich meine Versprechen immer zu halten und mich ehrenhaft zu verhalten, aber sie macht es mir total schwer ohne mir ihren Grund zu nennen.
“Na gut, dann lässt ihn in unser Haus, aber es wir euch noch leidtun, wenn er einmal sein wahres Gesicht zeigt“, erklärt Hilley und legt den Kopf fordernd schief.
“Super“, Ruby nimmt Miles Hand und zieht ihn mit sich:“Komm mich. Ich zeige dir das Haus!“
Als sie verschwunden sind, wirft Hilley uns einen enttäuschten Blick zu:“Merkt euch eins. Ich habe es euch vorher gesagt.“ Dann verschwindet auch sie.
Ich blicke meine Partnerin fragend an:“Was hat sie gegen ihn?“ “Ich habe keine Ahnung!“, erwidert diese nur ratlos. Wir beide blicken unseren Mitbewohnern und Freunden fragend hinterher.