Michael Schuster war ein großer, schlaksiger Mann. Tara schätzte ihn auf Anfang Vierzig. Doch er hätte auch gut und gerne schon Mitte Vierzig sein können. So genau wusste es das Mädchen nicht. Herr Schuster hatte immer abgewunken, wenn sie ihn nach seinem Alter gefragt hatte.
Tara war oft bei dem Mann gewesen. Meist, wenn sie das neue Thema in der Schule nicht verstand.
Da Herr Schuster nur wenige Straßen von Tara entfernt wohnte - nach 150 Metern links in die Berlinerstraße abbiegen, fast bis zum Ende durchlaufen, das viertletzte Haus auf der rechten Seite im 2. Stock - besuchte sie den Mann nahezu täglich.
Dann saßen sie in dem modern eingerichteten Wohnzimmer mit der fliederfarbenen Wand und den schönen Bildern - Naturaufnahmen. Und Herr Schuster bot Tara regelmäßig Süßigkeiten und Getränke an. Er hatte von beidem mehr als genug.
Er war alleinstehend, was Tara jedoch nie hatte verstehen können. Michael war doch ein durchaus gutaussehender, humorvoller und stets freundlicher Mann.
Das Mädchen hatte schon überlegt, ob es daran liegen könnte, dass er wohl an manchen Tagen die Mundhygiene vernachlässigte - meist, nachdem er sich mit ein paar Freunden in seiner Lieblingsbar getroffen hatte.
Doch das störte sie nicht weiter.
Sie liebte es, wenn er ihr von seiner Schullaufbahn erzählte.
Michael Schuster erzählte Tara bei jedem Besuch, mit welchen Streichen sie den Lehrern auch den letzten Nerv geraubt hatten.
Und Tara bemerkte bei keinem ihrer Besuche, dass mit Michael Schuster etwas nicht stimmte.