Ein Knall drang durch die Stille der Nacht. Der weiße Verputz der Wand bröckelte herunter, wo gerade eben noch vor Wut und Frustration seine Faust in der Wand steckte. Das alles nur wegen diesem Mädchen. Das Zimmer begann sich vor seinen Augen zu drehen. Angestrengt versuchte Mason ruhig ein und auszuatmen. Mit beiden Armen stützte er sich an die Wand, die er eben gerade noch in seinem Wutanfall demoliert hatte. So blieb er einige Minuten stehen. Leise fluchend richtete er sich wieder auf als der Schwindel nachließ und lehnte sich schließlich mit dem Rücken an die Wand. Mit geschlossenen Augen dachte er über den verpatzten Kontaktversuch mit dem Wächtermädchen nach. Er hatte nach der seltsamen Nacht in der er sich als ihren Hüter Jamie ausgegeben hatte gedacht das er heute einen Schritt weiterkommen würde. Doch er hatte es wieder verbockt.
Verärgert öffnete er seine Augen und trat näher an das Glas lose Fenster. Kalter Wind pfiff durch die Baustelle. Über ihm strahlten die Sterne am wolkenlosen schwarzen Himmel um die Wette. Er hatte es sich so einfach vorgestellt. Wie ein Spaziergang sollte es sein. Doch er hatte sich getäuscht. Er hatte sich in ihr getäuscht. Maddison schien ein recht eigenwilliges Mädchen zu sein. Wie sie dagesessen ist, in diesem wunderschönen schulterfreien Kleid aus edler schwarzer Spitze, das ihr gerade bis zu ihren Knien reichte. Mason schluckte bei der Erinnerung danach. Der Anblick war zu schön gewesen. Verärgert über sich selbst trat er hinaus in die kalte Londoner Nachtluft und setzte sich an den ungesicherten Rand dessen was einmal in Zukunft ein Balkon werden sollte und lies seine Beine über dem Rand baumeln. Angst davor abzustürzen hatte er keine. Warum auch? Er war doch schon Tod.
Es hatte seine Vorteile ein Untoter zu sein.
Die kalte Luft klärte seine Gedanken und entwirrte das Schlamassel. Noch einmal lies er seine gescheiterte Mission vor seinem geistigen Auge Revue passieren. Jede Sekunde ging er nochmal in allen Kleinigkeiten wieder und wieder durch. Er verstand es einfach nicht. In ihrer Erinnerung hatte er zuerst Zuneigung zu Jamie, diesem Holzkopf, gespürt doch als er sie in seiner Gestalt küsste, war sie urplötzlich aufgeschreckt. In allerletzter Sekunde hatte er sich aus dem Fenster gestürzt. Da hatte er sich noch einmal die Mühe gemacht und die Nacht darauf noch einmal ihre Erinnerungen durchwühlt. Da war er auf eine Erinnerung mit seinem Erzfeind Alejandro gestoßen.
Ein Lächeln schlich sich auf Masons Gesicht während er sich daran erinnerte. Er hatte eine starke Verbindung gespürt. Stärker als zu Jamie. Doch die beiden schienen nichts davon zu wissen.
Trotzdem hatte Maddison dieses Mal sofort erkannt das es sich nicht um Alejandro handelte. Ihr triumphierendes Lachen erschien vor seinem inneren Auge. Sie hatte meinen Bluff durchschaut! Wut kochte in ihm hoch. Sie hatte ihn einen Feigling genannt. Ihn! Der er gegen die Bedrohung kämpfte. Anders als so manch andere seiner Artgenossen, die es vorzogen einen qualvollen Tod zu sterben. Verärgert strich er sich seine Haare zurück während er auf die Lichter der Stadt blickte. Er hatte es nicht vorausgesehen. Nichts hatte ihn darauf vorbereitet. Schon gar nicht auf seine Reaktion. Er wusste das es ein großer Fehler gewesen war sie zu küssen, doch dieses Mädchen lies bei ihm alle Sicherungen durchbrennen. Dabei hatte er sich so gut vorbereitet. Hatte sogar Alejandros Erinnerung mit ihrer Abgeglichen damit er sich ja sicher war. Er war ein großes Risiko eingegangen, den nicht ohne Grund war Alejandro einer der besten Wächter. Doch im Schlaf war es ein leichtes gewesen. Zum Glückt brauchten Vampire keinen! lachte er innerlich und ein selbstgefälliges Grinsen erschien auf seinem Gesicht.
„Was grinst du so dämlich“?“ ertönte eine weibliche Stimme hinter Mason. Er brauchte sich nicht umzudrehen um zu wissen wer es war.
„Kann ich nicht einmal ein paar Minuten alleine sein“ brummte er genervt.
„Dein Bruder schickt mich. Er wollte sicher sein das du nicht das Haus über seinem Kopf zum einstürzen bringst… so wie die letzten beiden Male“ fügte sie kichernd hinzu.
Ich verdrehte die Augen. „Er ist so… melodramatisch“
Das Vampirmädchen kicherte leise und setzte sich zu ihm. Entspannt lies sie ihre langen Beine, die in schwarzen hautengen Jeans steckten über dem Abgrund baumeln. Ihre Füße steckten ihn mörderisch hohen Plateau Stiefletten. Dazu trug sie ein luftiges blutrotes Top aus Satin und darauf eine kurze Lederjacke mit Nieten bestückt.
„Willst du mein scheitern feiern, Autumn?“ frug er schließlich als er die Stille nicht mehr ertrug.
Ein seufzen drang an sein Ohr. „Während du Hals über Kopf geflüchtet bist“ begann sie und schenkte ihm ein schwaches Lächeln. „Habe ich sie noch ein Weilchen beobachtet“
„Und?“
„Ich weiß wem sie nach dem Vorfall angerufen hat“
Eine kalte Hand schloss sich um sein Herz. Wem hatte sie benachrichtigt? Mit Sicherheit niemanden aus ihrer Familie. Hatte sie ihre Freundinnen gewarnt? Oder etwa den Schwachkopf Jamie?
„Wenn?“ brach es ungeduldig aus ihm heraus.
Autumn lachte. „Rate doch mal. Ich hatte sie nie für so schlau gehalten“
Ein schlimmer Verdacht breitete sich in ihm aus. „Sie hat nicht ihre Freundinnen alarmiert“
Ein belustigtes schnauben ertönte neben ihm. Widerwillig wandte er seinen Blick von den Lichtern der Stadt. Autumn saß lässig auf ihre Arme gestützt als würde es auf dieser Welt keinerlei Bedrohungen geben. Auf seltsame Art und Weise beneidete er sie in diesem Moment um ihre Ruhe, und das machte ihn Stinksauer.
„Ich wette sie ist zu Jamie gerannt um sich bei ihm auszuheulen“ schnaubte er und stand auf. Er hielt es nicht mehr in ihrer Nähe aus, wollte seine Ruhe um über seinen nächsten Schritt nachzudenken. Doch Autumn hatte eine wichtige Information für ihn. Also Zwang er sich ruhig zu bleiben und ihr zuzuhören obwohl er am liebsten sofort verschwunden in der Nacht wäre.
„Das dachte ich zuerst auch“ begann sie und seufzte wieder. Ihre langen hellbraunen Haare bewegten sich im Wind. „Aber nein, sie rief jemand ganz besonderes an“
Elegant schwang sie sich auf die Beine und trat dann lächelnd vor ihn. Bei jedem Schritt hallte ein Klack von den Betonwänden.
„Du hast es vergeigt“ sagte sie nüchtern. „Mit seiner Hilfe wird sie dich finden, das ist dir doch klar, oder?“
Alejandro! Natürlich! Was für ein Idiot er doch war! Am liebsten hätte Mason sich selbst geohrfeigt, doch er wollte Autumn den Triumph nicht gönnen seinen Fehler einzugestehen. „Wer sagt das das ich das nicht einkalkuliert hätte? Vielleicht war es so gewollt?“
Das Vampirmädchen lachte. Die Betonwände dröhnten laut rings um ihnen. Ihre Augen flackerten goldgelb.
„Das glaubst du doch selbst nicht“ Autumn streckte ihre Handfläche aus und eine Flamme erschien. Sie richtete ihre ganze Aufmerksamkeit darauf als wäre sie das wichtigste der Welt. Das Feuer leckte über Autumns blasser glatter Haut. Ein knistern durchdrang die Nacht „Ich kenne Alejandro. Er wird dich jetzt nicht mehr in ruhe lassen“ Die Flamme in ihrer Hand erlosch zischend. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf Mason der immer noch auf ihre Handfläche starrte. „Bis du ihm sagst was du von dem Mädchen willst“
Mason schüttelte den Kopf. „Ich weiß das er auf sie steht“
Autumn lachte. „Du verwechselst Liebe mit Verlangen. Genau wie sie“ stellte sie fest. „Er liebt sie“
Genervt zuckte er mit den Schultern. „Ja und?“
Sie seufzte über seine Dummheit. „Du dummer, dummer Junge. Er würde für sie sterben“
„Dann soll er doch für sie sterben. Ein Problem weniger“ murmelte Mason.
„Er wird alle Regeln brechen um ihr zu helfen“ erklärte sie weiter als hätte sie seine Einwände nicht gehört. Plötzlich drehte sich der Wind. Er zog und zerrte an Masons Kleider. Er wurde hin und hergezogen. Panik drang in ihm hoch. Was ging hier vor. Er hob seinen Blick. Autumn sah fasziniert zu wie sich um ihn ein Sturm aufbaute.
„Wie ich sagte: Er wird alle Regeln brechen“
Das war das letzte was er hörte und sah. Als sich der Sturm um ihn verzog stand er über den Dächern der Stadt auf dem Flachdach eines Hochhauses irgendwo in London. Um ihn brannten hunderte von weißen Stumpfkerzen deren Flammen im Wind flackerten. Sie bildeten einen dichten Kreis in deren Mitte er stand. Er spürte die Hitze des Feuers auf seiner Haut. Als er endlich durch das Licht und den Rauch der Flammen sah erkannte er seine Rufer.
„Was für eine Überraschung. Waren wir zu einem Mitternachtspicknick verabredet?“ witzelte er um seine Angst zu verbergen.
Doch den wütenden Blicken seiner Gegenüber nach zu Urteilen fanden sie es nicht wirklich witzig. Die Nacht könnte nur noch besser werden! dachte Mason verzweifelt und zwang sich zu einem Lächeln.
x