Es gab eine Zeit in der waren die Menschen glücklich. Die Bewohner von Trostlossantja lebten im Einklang mit der Natur und ihren Mitmenschen. Sie lachten viel und waren stets hilfsbereit. Außerdem waren sie, so sagt man, eines der Länder, die die fleißigsten Arbeiter hatte. Zusammen feierten sie unzählige Feste, tanzten ausgelassen zur Musik und tranken ausgiebig Wein.
Ihnen ging es gut und sie hatten kein Interesse daran das Land zu verlassen und hinter die großen Mauern zu schauen.
Doch eines Tages kam ein Reisender ins Land und brachte das Gleichgewicht durcheinander. Freundlich nahmen sie den Abenteurer auf und kümmerten sich sorgsam um ihn. Er war ein Mann der großen Worte und erzählte den Bewohnern von seinem Land und den Ländern, die er schon alle durchquert hatte. Zunächst glaubten die Menschen von Trostlossantja daran, dass sie im besten Land lebten. Hier gab es keinen Streit, hier gab es keine Wut und vor allem gab es keinen Hass. Jedoch erzählte der Reisende von den Farben, die es in all diesen Ländern geben sollte. Auch wenn sich die Bewohner Trostlossantja`s die Farben nicht vorstellen konnten, so fingen sie an nach ihnen zu suchen.
Unruhe brach im Land aus. Schnell machte sich der Reisende davon und ließ den einst so sorgenfreien Ort, mit dem Chaos alleine. Überall sprachen sie von den wunderschönen Farben, die es auf der ganzen Welt geben sollte, außer in ihrem Land. Alle Länder hatten das, was die Bewohner von Trostlossantja nicht hatten. Und so trat die Unzufriedenheit ins Land ein. Niemand wollte mehr lachen, keiner veranstaltete mehr eine Feier. Die Leute legten ihre Arbeit nieder, fingen an zu streiten und verbreiteten Hass. Niemand wollte sich mehr um das Gleichgewicht bemühen, wenn doch die ganzen, wunderschönen Farben fehlten. Die Farben, die sie noch nie gesehen hatten. Einzelne, verzweifelte und wohl möglich verrückte Bürger des Landes, fingen an nach dem Nichts zu suchen.
Viele Jahrhunderte über war man vor der Suche nach dem Nichts gewarnt worden. Doch jetzt, wo sie wussten, dass nur sie keine Farben hatten, konnten sie sich nicht vorstellen, dass die Begegnung mit dem Nichts schlimmer sein könnte, als ein Leben ohne Farbe.
Wochen vergingen in denen niemand mehr arbeitete und so langsam ging dem Land die Vorräte aus, die Tiere der Bauern begannen zu sterben, da sie niemand mehr mit Futter versorgte. An einem vermeintlich ruhigen Sonntagmorgen versammelten sich die Bürger Trostlossantja`s vor dem Schloss des Königs und forderten die Farben ins Land holen zu wollen.
Der König des Reiches war ein angesehener Mann und begab sich nach draußen, um den aufgebrachten Bürgern zuzuhören. Wild riefen sie durcheinander, dass sie es keinen Tag länger ohne diese Farben aushalten würden. Sie drohten sogar als geschlossene Mannschaft den verrückt Gewordenen, bei dem Weg ins Nichts zu folgen. In dem Tumult ergriff ein aufgebrachter Bürger das Wort und rief dem König zu:
„In Hasstasia empfinden die Menschen nur Hass. Sie können nicht teilen, sie können nicht lieben und sie können nicht lachen, aber sie verspüren keine Trauer und sie haben die Farben! Im Lande der Ungerechtigkeit gibt es keine Gesetze. Hier gilt das Recht des Stärkeren. Die Schwachen bleiben auf der Strecke und sind dem Tode geweiht, aber sie haben keine Verpflichtungen und die Farben!! Und in Gleichheitmanja dürfen die Menschen nur die gleiche Kleidung tragen. Sie sehen gleich aus und sie dürfen nur die gleichen Worte benutzen, aber sie haben keine Krankheiten und sie haben die Farben!!! Wir wollen die Farben!“
Den Untergang seinen Volkes konnte der König nicht länger mit ansehen und so machte er sich einen Tag später auf den Weg in das Land der Ungewissheit. Bisher hatte niemand diesen verwunschenen Ort betreten und wieder verlassen können. Doch wenn es ein Ort auf der Welt gab, der die Farben nach Trostlossantja bringen könnte, dann war es dieser. Mit drei tapferen Dienern zog er durchs Land und suchte nach dem verwunschenen Ort. Sie ritten drei Tage und drei Nächte, bis sie endlich vor den Toren der Ungewissheit ankamen. Obwohl man keinen einzigen Blick hinter die gigantischen Tore werfen konnte, spürten der König und seine Gefolgschaft die magische Wirkung des verborgenen Ortes. Wie sie durch die verschlossenen Tore gelangt waren, weiß bis heute niemand. Doch Legenden und alte, verschollene Briefe berichten, dass sie dort einen riskanten Schwur geleistet hatten. In diesem Reich musste er der herrschenden Hexe begegnet sein, die als Gegenleistung für diesen Schwur seinen Wunsch erfüllte.
Schon einige Tage später zogen prächtige Farben über das gesamte Land und hüllten das Reich in angenehme Wärme. Ein Regenbogen erschien von der einen Seite des Landes, bis zur Anderen. Er spiegelt all die Farben wieder, die die Welt je gesehen hatte. Er machte dieses Wunder wahr und egal welches Wetter übers Land zog, der Regenbogen verschwand nie. Und egal wie viele Jahre vergingen, der König und seine drei Diener kehrten nicht zurück.
Noch am selben Tag, wo das Wunder ins Land getreten war, hatte der König aus dem Reich der Ungewissheit einen Brief an seine Bürger geschickt, in dem er ausdrücklich verlangte, dass nie wieder über das Nichts gesprochen werden, geschweige denn danach gesucht werden dürfte. Als Strafe für die Nichteinhaltung dieses Gesetzes würden die Farben aus dem Land wieder verschwinden. Bis heute sind es nur Vermutungen, ob der König im Land der Ungewissheit dem Nichts gegenübergestanden hatte. Doch seine Vorschriften darüber lassen schließen, dass er es gesehen haben musste und, dass es unheimlich grausam sein musste.
Obwohl der König nie wieder zurückkehrte, konnten die Bürger wieder glücklich werden. Sie machten sich wieder an die Arbeit, feierten ihre gigantischen Feste und halfen sich gegenseitig. Für einen kurzen Augenblick schien alles wieder im Gleichgewicht zu sein. Doch dann wurden sie gierig. Sie verlangten mehr.
Sie wollten nie wieder Krankheit, wie in Gleichheitmanja, sie wollten keine Verpflichtungen mehr, wie im Lande der Ungerechtigkeit und sie wollten nie wieder Trauer empfinden müssen, wie in Hasstasja. Und sie wollten sogar mehr. Von diesem Tag an bekam das Land einen neuen Namen und hieß nun das Regenbogenland der tausend Sorgen. Denn obwohl es dort sogar Farben gab, waren die Leute unzufrieden und hatten mehr Sorgen, als sie es zu der Zeit gehabt hatten, in der das Land nur schwarz und weiß gewesen war.
Die Bürger konnten nicht mehr ruhen. Sie wollten mehr und mehr, aber sie wollten etwas Außergewöhnliches. Sie wollten nichts, was die anderen Länder hatten und so machten sie sich eines Tages auf die Suche nach der Unendlichkeit. Auf den Weg in die Unendlichkeit und damit auf den Weg ins Verderben.