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“Wieso hast du jetzt nochmal freibekommen?“, frage ich meine Freundin ein zweites Mal, weil ich es irgendwie nicht so recht glauben kann. “Mein Boss hat gesagt, dass ich mir heute mal freinehmen soll, weil ich in letzter Zeit so viel gearbeitet habe“, erklärt Bree mir schon zum zweiten Mal: “Und ja, das klingt unglaubwürdig, aber ich bin dafür wirklich dankbar.“ “Sonst verlangt der doch immer, dass du noch bleibst, während alle anderen schon nach Hause gegangen sind“, gebe ich mit hochgezogenen Augenbrauen zu bedenken. “Tut er nicht“, erklärt sie: “Meistens bleibe ich von selbst dort, um zu helfen. Die Arbeit geht einfach schneller von der Hand, wenn man zu zweit ist.“ “Was?“, geschockt sehe ich sie an und spreche dann aus, was ich denke: “Hast du was mit ihm?“ Ihre Kinnlade klappt runter, während ich sie mich fassungslos anstarrt: “Nein, natürlich nicht. Erstens ist der viel zu alt für mich und zweitens ist er verheiratet. Dass du sowas von mir denkst, hätte ich echt nie gedacht. Das ist viel eher Kenas Stil.“ “Tut mir leid“, betroffen sehe ich sie an: “Ich wollte nicht fies sein, aber der Gedanke ist mir eben schon oft genug gekommen, weil es genug Leute gibt, die ihre Mitarbeiter ausnutzen. Ich will doch einfach nur sicher gehen, dass dir sowas nicht passiert. Und zieht Kena hier jetzt nicht mit rein. Ich kann verstehen, dass ihr euch nicht mögt, aber trotzdem müsst ihr in meiner Gegenwart nicht ständig übereinander ablästern.“ “Ist ja schön, dass du dir Sorgen um mich machst, aber ich komme alleine klar“, sie sieht mich mitfühlend an: “Bin ich schon immer.“
“Aber du bist immer so nett zu allen und will helfen“, merke ich vorsichtig an, um sie nicht zu verletzen. Doch ich komme nicht darum herum mit ihr darüber zu reden, dass sie aufpassen muss, denn sie ist ein herzensguter Mensch und es gibt immer Leute, die das ausnutzen. Sowas hat meine Freundin wirklich nicht verdient: “Ich will nur sagen, dass du aufpassen sollst, wem du dein Herz schenkst. Du hast nur eins.“
“Das aus deinem Mund? Ich meine, ich liebe dich wirklich, aber was Kerle angeht, ziehst du irgendwie immer die Falschen an“, tröstend legt sie ihre Hand auf meine und bedeutet dem Taxifahrer mit der anderen, dass wir da sind: “Fast so, als würdest du alle guten Typen, die es in deinem Leben gibt, ignorieren und stattdessen den erstbesten One-Night-Stand nehmen, der dir zur Verfügung steht.“ “Ja, und zwar weil ich gar keine Beziehung will. Ich bin mit meinen One-Night-Stands zufrieden“, rechtfertige ich mich vor ihr.
“Jaja“, sie sieht mich liebevoll an, bevor sie dem Autofahrer sein Geld gibt und daraufhin mit mir aus dem gelben Auto steigt.
“Apropos Männer“, mit dem Thema bin ich noch lange nicht fertig. Schließlich habe ich in kurzer Zeit zwei getroffen, die mich irgendwie zu verfolgen scheinen: “Meine Eltern haben schon wieder Scheiße gebaut.“ Bei dem Gedanken an den Tag im Countryclub, an dem sie mir Holden vorgestellt haben, bekomme ich sofort Magenschmerzen. Ich hab wirklich wenig Lust mich mit ihm zu treffen, aber wahrscheinlich werde ich genau das tun müssen, wenn er fragt. Sonst petzt er es sicher meinen Eltern und auf eine weitere Diskussion mit meiner Mom habe ich wirklich gar keine Lust.
“Haben sie wieder versucht dein Leben zu kontrollieren?“, ich bin wirklich froh darüber, dass wir uns schon so lange kennen. Das erspart mir lange Erklärungen. Schließlich kennt sie meine Familie schon selbst gut genug und kann mich nur zu gut verstehen. “Ja, sie haben einen Typen angeschleppt, mit dem ich mich treffen soll“, instinktiv rolle ich mit den Augen: “Mir ist klar, dass meine Eltern wollen, dass ich irgendwann heirate und Kinder kriege, aber das ist doch immer noch mein Leben und meine Entscheidung.“ “Ja, klar ist es deine Entscheidung“, freundschaftlich legt sie mir eine Hand auf die Schulter, während wir zusammen in Richtung Café schlendern.
Zwar hätten sie auch zu mir nach Hause gehen können, doch das ist unser Stammcafé und dort gibt es nahezu den besten Kaffee der Stadt. “Danke“, ich sehe sie dankbar an: “Du bist echt meine beste Freundin.“ “Du auch“, erwidert sie: “Aber es klang so, als würdest du mir noch etwas erzählen wollen. Schließlich hast du ‘Männer‘ und nicht ‘Mann‘ gesagt.“ Das Interesse funkelt in ihren blauen Augen.
“Na ja“, druckse ich herum: “Letztens war ich auf einer Party und einen Tag später habe ich einen Typen in der Uni getroffen, der meinte mich dort gesehen zu haben. Er schien unbedingt mit mir reden zu wollen und war fast versessen darauf meinen Namen zu erfahren.“ Zwar ist das eine Lüge, aber ich kann ihr ja kaum sagen, dass ich in einem Stripp Club arbeite und dort jeden Tag von mehreren Männern angegafft werde. Sie würde es nicht verstehen. Das würde keine meiner Freundinnen. Deshalb habe ich es auch nur Elijas erzählt. “Ist er ein Stalker?“, fragt sie mich mit zusammen gekniffenen Augen. Ich zucke unschlüssig mit den Schultern: “Nein, wahrscheinlich nicht.“ Mein Herz sagt mir allerdings, dass er mit Sicherheit kein Stalker ist. Viel eher schien er Interesse an mir zu zeigen. “Ist er heiß?“, fragt mich meine Freundin grinsend, während wir durch die Tür des Cafés treten. “Ja, das kann man wohl so sagen“, grinse ich bei dem Gedanken an den Brünetten.