„Lasst sie nicht entkommen“, eine hässliche Stimme hallte durch die Nacht und man hörte Rüstungen klappern, Waffen auf Fleisch niederfahren und das Wehklagen der Opfer. Es war eine blutübergossene Nacht, eine Nacht wie sie niemand hätte vorraus sehen können. Niemand ahnte von dem brutalen Schauspiel der Homunkuli. „Tötet sie, lasst niemanden überleben“, und wieder hörte man die Stimme. „Schnappt euch den Jungen, aber lasst ihn am Leben!“, ein Homunkulus deutete auf einen schrammenübersäten, keuchenden Jungen. Dieser Junge war „Yoichi“, ein Junge von dem man nie hätte glauben können, dass er die gesamte Welt auf den Kopf stellt, doch im Moment war alles egal, er musste laufen, um sein Leben. Als er der Ohnmacht nah war geriet er in eine kleine Gasse und quetschte sich zwischen herumstehende Fässer, sein Keuchen war nicht zu überhören. Die Homunkuli blieben stehen und spähten nach rechts und links, Yoichi blieb das Herz stehen und er sah sich schon aufgespießt auf dem Boden liegen. Der Homunkulus schnüffelte in der Luft um möglicherweise Angstschweiß zu wittern, jedoch ohne Erfolg, die Geschöpfe die so leblos aussahen gingen fort. Yoichi atmete aus und setzte sich auf den Boden, er hatte es geschafft, aber waren die Homunkuli wirklich fort, er konnte sich noch nicht in Sicherheit wiegen. Ein Schatten kam immer näher und Yoichi wurde immer unruhiger, er wollte nur noch weg von diesem Ort. Doch dieser Schatten war gar kein Homunkulus, es war ein Mensch genau wie er. „Folg mir, ich habe einen Plan wie wir hier rauskommen!“, der Schatten wurde zu einer Shillouette, und die Shillouette zu einem Umriss eines jungen Mannes. Yoichi musste sich mühselig an dem Mann abstützen um überhaupt noch gerade laufen zu können. „Halt durch, gleich dort vorne!“, rief der Mann. Yoichis Augenlieder wurden schwer und das Atmen fiel ihm immer schwerer. „Wir sind gleich dort, du…“, das war das Letzte was Yoichi mitbekam, er verlor den Halt und kippte nach hinten.
„Wach auf, du hast schon 2 Tage lang geschlafen, ich mache mir schon Sorgen!“, die Männerstimme weckte Yoichi aus seinem tiefen Schlaf. Er öffnete langsam die Augen und hoffte, dass er an einem anderen Ort war. „Wo sind die Homunkuli?“, Yoichi war heilfroh keinen Homunkulus in Sichtweite zu haben. „Keine Sorge, die sind noch immer in Raksha“, sagte der Mann, „das ist doch deine Heimat, oder?“. Yoichi setzte sich auf. „Ja das stimmt, aber wie sind wir hier hergekommen?“, diese Sache war ihm immer noch unklar. „Ein Portal, oder eher ein Dimensionsriss hat sich gebildet, durch ihn kamen wir hierher, in die Welt Gyren“, der Mann setzte sich zu Yoichi auf das Bett. „Und, wer bist du?“, Yoichi war die Nähe des Mannes unangenehm, aber er wollte es nicht zeigen. „Mein Name ist Keichi, und du bist Yoichi, nicht wahr?“, der Mann lächelte Yoichi an. „Ja, woher weißt du wer ich bin?“ „Sagen wir mal so, ich kannte dich schon bevor ich dich an jenem Abend gerettet habe!“, Keichi stand auf und blickte aus dem Fenster. Yoichi schaute sich im Zimmer um und schien nach etwas zu suchen. „Also mein junger Freund, wie wäre es wenn ich dir jemanden vorstelle?“, Keichi drehte sich zu ihm um. „Wenn du meinst…“, Yoichi wusste nicht ganz was er von dem Plan halten sollte und stimmte einfach zu.
Keichi verschwand hinter der Tür und man hörte lautes Rumoren, so als ob er nach etwas kramen würde. „Das könnte dir vielleicht passen, zieh es mal über!“, Keichi reichte Yoichi ein altes Hemd und eine Hose von der die Knöpfe fast abgegangen waren. „Ich weiß, es ist nicht sehr hübsch, aber was anderes ist dir sicher zu groß!“, Keichi lächelte. „Es geht schon, danke!“, Yoichi schlug die Decke zur Seite und stand vom Bett auf, sofort zog er sich die Sachen über. „So, passt ja wie angegossen, jetzt gehen wir auf den Marktplatz, dort wartet jemand!“, Keichi griff nach dem verrosteten alten Griff der Haustür. Draußen war es sehr hell, sodass sich Yoichi die Augen mit seiner Hand schützte. Sie gingen an ein paar großen aus Stein gebauten Gebäuden vorbei. Yoichis Blick verweilte einen kurzen Moment an der Kathedrale. „Die ist aber hübsch, und so riesig!“, Yoichi blieb vor Erstaunen der Mund offen stehen. „Jeden Sonntag sind dort Predigten, außerdem ist sie für jeden offen der zu Gott beten will!“, Keichi verschränkte die Arme und blickte zu der prachtvollen Glocke auf. „Gleich sollte die Glocke vom Glöckner geläutet werden, die Melodie ist wie in jeder anderen Stadt ein einfaches „Ding Dong“, also nichts Spannendes“, Keichi drehte sich wieder Richtung Marktplatz, „komm, da vorne ist der Marktplatz!“
„Ryo!“, Keichi winkte einem großgewachsenen Mann mittleren Alters, der mit einem grimmigen Blick Yoichi musterte. „Keichi, was hast du da angeschleppt, soll das mein Mittagessen sein?“, der Mann, der anscheinend Ryo hieß, beugte sich zu Yoichi hinab. „Nein du Narr, das ist Yoichi und kein Essen!“, Keichi verzog die Augenbraue. „Hmpf, schade, ich habe nämlich Hunger!“, Ryo rieb sich den Bauch. „Du denkst immer nur an deinen Bauch, es geht nicht immer nur ums Essen, du Rollmops“, Keichi verlor die Fassung und trat immer näher an Ryo heran, „möge dein Bauch irgendwann einmal platzen!“ „Hey, hey, tut mir leid!“, Ryo versuchte sich mit seinen riesen Pranken Keichi vom Leib zu halten. „Gut“, Keichi drehte sich zu Yoichi um, der fassungslos und ein wenig verängstigt dreinblickte. „Keine Angst, Kleiner, der wird dich nicht aufessen, dafür sorge ich!“, Keichi klopfte auf Yoichis Schulter und ermutigte ihn. Yoichi hatte ein Gefühl der Fürsorge und der Ruhe wiedergefunden, Keichi schien ihm jetzt schon sehr vertraut zu sein. „So Rollmops, dann führen wir Yoichi mal ein bisschen in der Stadt herum, die Kathedrale hat er schon gesehen“, Keichi verschränkte abermals die Arme und knief die Augen zusammen. „Natürlich, dann ist jetzt das Rathaus dran!“, Ryo blickte Keichi wütend an.
„Warum sind alle Häuser so groß und prächtig?“, Yoichi schaute nach oben und wechselte die Blicke zwischen den vielen Häusern. „Kleiner, das hier ist eine Stadt und kein Dorf, die Häuser sind hier so gebaut!“, Keichi lachte verschmitzt. „Und dort ist das Rathaus, dort sitzt der machthabende Bürgermeister, der Verwalter der Stadt!“, Keichi deutete auf ein Haus, oder eher eine Villa die am Eingang durch vier vergoldete Säulen gestützt war. Die Fenster waren aus Glas, die Rahmen aus Blei. An einer Stange hing die Flagge der Stadt, das Muster war ein Löwe der auf zwei Beinen stand, er deutete gen Osten und im Hintergrund sah man eine Sonne mit 7 Strahlen, exakt 7. Die Sonne hatte die Farbe Rot, der Löwe war gelb und die Grundfarbe war weiß mit güldenem Rand. „Eine schöne Flagge, was bedeutet der Löwe?“, Yoichi war von der Schönheit der Stadt erstaunt und wollte immer mehr wissen. „Der Löwe steht für Anmut und Stärke, unsere Stadt wird deshalb auch oft Löwenstadt genannt, weil sie durch die steinernen Mauern gut geschützt ist und eine gewisse Stärke ausstrahlt. Warum es genau 7 Strahlen sind kann ich dir auch sagen, es gibt hier 7 Wachtürme. Sie sind gleichmäßig verteilt und die Wachen die auf ihnen stehen haben einen guten Ausblick und können Feinde leicht entdecken. Es ist also alles ein wenig abenteuerlich!“, Keichi blickte Yoichi mit einem funkelnden Blick an. „Kleiner, es kommt mir so vor als ob du noch nie in einer Stadt warst!“, Ryo lehnte sich gegen eine Wand. „Nein, ich war meine 16 Lebensjahre immer nur in unserem kleinen Dorf. Mein Vater war Bauer, ich habe ihm immer mit den Feldern geholfen und meiner Mutter beim Kochen!“, Yoichi schämte sich für seine Herkunft und blickte zu Boden. Keichi sah die Melancholie von Yoichi und stimmte gleich mit einem Vorschlag ein: „ Komm schon, es gibt noch so viel zu sehen!“
Nach wenigen Minuten laufen erreichten sie eine kleine Hütte, die lediglich aus Holz gebaut war, so wie Yoichi sie kannte. „Hier lebt mein Onkel, er ist Schmied!“, Keichi trat vor die Tür und klopfte an. „Onkel, seid ihr da?“, Keichi öffnete die Tür und schritt in die Schmiedestube. Er schreckte zurück und remmpelte Ryo an, der ganz nah hinter ihm stand, dieser reagierte sofort und hielt seinen Freund an den Schultern fest. „Onkel, was ist passiert?“, Keichis Onkel lag auf dem Boden, blutete und rang nach Luft. Keichi lief zu ihm und hob seinen Kopf an, er blickte in seine Augen. „Onkel!“, Keichi liefen Tränen über das Gesicht und er umarmte seinen Onkel! „Mein Junge…“, sein Onkel krächzte und hielt Keichis Arm fest, „nimm dich in Acht, die Homunkulis sind hier, sie überfallen das Land, sie kamen leise und griffen an!“ Keichis Onkel fielen die Augen zu und er hörte auf zu atmen! „Nein“, Keichi schrie auf, „er ist hier irgendwo, habe ich Recht, er beobachtet uns, komm raus!“ Keichi griff nach einem Schwert das sein Onkel angefertigt hatte. „Keichi“, Yoichi blickte sich um. Plötzlich hörten sie ein Rauschen. Die unverarbeiteten Rohlinge klirrten und die Kerze die eben noch brannte ging aus. „Wo bist du?“, Keichi umschlang das Schwert mit festem Griff. Ein scheußlicher Gestank von vermoderter Haut und verfaulten Eingeweiden erfüllte den Raum. Yoichi röchelte und verlor die Orientierung. „Keichi!“, Yoichi rief nach Keichi und wurde immer ängstlicher. Keichi holte aus und schlug um sich, dabei traf er eine Stuhllehne und warf den Stuhl um. Es war ganz deutlich ein Flüstern zu hören und der Gestank wurde immer schlimmer. Ryo griff nach Yoichi und zog ihn zu sich damit ihm nichts passierte, allerdings konnte er Keichi in der Dunkelheit nicht erspähen und konzentrierte sich auf die Verteidigung von Yoichi. „Gib mir den Jungen und ich lasse euch am Leben!“, Keichi spürte den Atem eines Lebewesens hinter sich und drehte sich langsam um. Die Kreatur schlug zu und warf Keichi zu Boden, das Wesen fing an fürchterlich zu lachen. „Keichi!“, Yoichi wiederholte schon zum dritten Mal den Namen des Mannes, den er erst seit wenigen Tagen kannte. Der Gestank war unausstehlich und Ryo ließ Yoichi los. Er rannte auf das Lebewesen zu und versuchte nach ihm zu greifen, doch anscheinend konnte die Kreatur seine Form verändern. Es wich immer aus, bis es eine Gelegenheit hatte zuzuschlagen. Ryo hielt stand, kein Wunder bei einem so kräftigen Mann. Jedoch gab er bei dem fünften Hieb nach und fiel auf die Knie. Yoichi fühlte sich hilflos und hatte fürchterliche Angst. Das Wesen kam immer näher und näher. Es stand direkt vor ihm und fasste ihm an die Schulter: „Du kommst mit mir, Kleiner!“ Yoichi griff ruhig hinter sich und versuchte ein Schwert hervorzuholen, und tatsächlich, dort war eins. „Ich bin nicht klein!“, er schwang das Schwert in Richtung Kreatur und schrie sie an. Die Kreatur ging zu Boden und Yoichi warf das Schwert weg. Er rannte zu Ryo, der sich bei Keichi befand. „Keichi!“, Yoichi kniete sich zu ihnen. Ryo sprach zu ihm „Es ist das beste wenn wir ihn nachhause bringen“, Ryo hob Keichi hoch und trug ihn mit seinen starken Armen aus der Hütte, Yoichi folgte ihm.