"Hör mir mal gut zu, kleines Fräulein! Erst kommst du unangekündigt, und dann bringst du mein Chaossystem durcheinander! Wenn ich sage, ich bringe euch nach Hause, dann hast du gefälligst Danke zu sagen, in etwa wie-" Er räusperte sich kurz um die Stimme seiner kleine Schwester nachzuahmen: "Vielen lieben Dank, großer Bruder. Du bist der beste."
Anschließend sah er Luce an. "Vielleicht kannst du ihr ja beibringen, dass, wenn da draußen jemand rumläuft und mordet, und sogar die Anzahl der Streifenwagen erhöht wurde, man als junge Frau nicht einfach herum spaziert!"
Lucinda hielt sich die Hand vor den Mund, als Dante Melanie nachahmte, um nicht zu lachen, diese war jedoch sichtlich nicht beeindruckt davon. "Wie lange übst du das schon?", fragte sie dann seufzend. Luce sah zu Melanie. "Aber er hat schon recht. Stell dir mal vor, wie dein Bruder reagieren würde, wenn dir etwas geschehen würde. Ich meine, er würde doch nie mehr schlafen können.", meinte sie so ernst wie es ihr möglich war.
Was gar nicht so einfach war, wenn sie sich immer wieder vorstellte wie sich genannter Bruder verhalten würde. Wie Luce ihn austricksen konnte, weil er sie nicht sehen konnte. Sie könnte ihm den Schlaf rauben, sie könnte allen Polizisten den Schlaf rauben und dafür verantwortlich sein dass man sie noch in die geschlossene Psychiatrie einwies. Der Gedanke gefiel ihr. Dennoch sah sie weiterhin ernsthaft und mahnend zu ihrer Freundin.
"Endlich jemand mit gesundem Menschenverstand!" Lachend drückte er sie einmal kurz und stand dann auf.
"Lasst uns gehen, bevor es noch später wird. Ich brauch schließlich auch noch Schlaf." Sanft drückte er Mel einen Kuss auf den Haarschopf und schnappte sich seine Jacke. "Wenn ich bitten darf, meine Prinzessinen."
Das Lächeln fand auf Mels Gesicht zurück und sie nickte bevor sie Luce an die Hand nahm und ohne weiteres hinter sich her aus dem Haus zog. "Hey!", protestierte diese grinsend und wandte sich dabei an Dante.
"Wenn sie es nicht kann, bedanke ich mich eben dafür, dass du uns zurück fährst.", entgegnete sie ihm schief grinsend und sah dann wieder zu Mel, die stehen geblieben war und sich nachdenklich umsah.
"Sag mal Bruderherz...", begann sie und drehte sich langsam zu Dante um.
"In welchen Gebieten... Muss man denn Angst haben...? Ist es bei uns in der Nähe...?"
Scheinbar kam nun auch bei ihr an, dass es gefährlich sein konnte. Zumindest gefährlich für jene, die gefährlich für Luce werden konnten. Und obwohl Mel ihre Mitbewohnerin war hatte sie keine Bange darum, dass sie irgendetwas heraus finden könnte, was sie nicht heraus finden sollte.
"Versucht ne Weile nicht shoppen zu gehen. Wenn ihr euch daran haltet, spiele ich Tütenschlepper für euch." Hoffentlich würde das als Anreiz reichen und zum anderen könnte er sie dann beschützen, wenn er mitkam. Allein bei dem Gedanken zum Shoppen mitgehen zu müssen wurde ihm anders. Wie er diese Tätigkeit hasste.
Mels Miene hellte sich mit einem Schlag auf und sie drehte sich mit einem breiten Grinsen zu ihrem Bruder.
"Na, ob du dir das gut überlegt hast? Egal, abgemacht!", grinste sie und Luce schüttelte schmunzelnd den Kopf. "Das ist so typisch für dich!", lachte sie und Mel tänzelte zu Dantes Wagen, dessen Kennzeichen sich Luce sofort einzuprägen versuchte. Vielleicht würde sie Dante heute Nacht noch einmal ärgern. Wenn er gerade dabei war zu schlafen würde sie die Polizei alarmieren, oder zumindest etwas tun, dass das rechtfertigen würde. Sie hatte ihr neues Spielzeug gefunden. Und wie sie das hatte.
Lachend schloss er den Wagen auf und fuhr die beiden in kürzester Zeit nach Hause. Direkt vor der Tür im absoluten Halteverbot blieb er stehen. "Okay. Dann schlaft gut, ihr beiden und treibts nicht mehr zu wild." Noch ein paar Stunden Akten durchwühlen und dann könnte er sich auch schlafen legen, so dachte er, so war sein Plan. Zumindest.
"Keine sorge, ich pass auf sie auf, notfalls mach ich ihr was in den Tee!", grinste Luce und zwinkerte Dante kurz zu. Mel legte grinsend einen Arm um diese. "Na das versuch du mal!", grinste sie und winkte ihrem Bruder dann zum Abschied. "Mach dich nach Hause Dante, nächstes mal versuche ich mich anzukündigen!"
"Tu das." Er winkte den beiden zu und fuhr los. Die Straßen waren erstaunlich leer. Kaum jemand schien unterwegs zu sein, was allerdings auch verständlich war.
Die Neuigkeit mit dem grausamen Mord hier in der Gegend hatte schnell die Runde gemacht, die Menschen wollten nicht länger der Gefahr ausgesetzt sein als nötig.
Erneut zuhause angekommen, ließ er sich einen Moment auf die Couch sinken, doch bereits nach kürzester Zeit schnappte er sich die Akten erneut und las sie zum wiederholten Male durch. Viel hatte man am Tatort nicht finden können. Aber es gab ein kleines Armband. Sehr zierlich. Eindeutig für Mädchen.
Die beiden jungen Frauen gingen zurück in ihre Wohnung und Luce half ihrer Freundin dabei, sich fürs Bett fertig zu machen, dann gingen die beiden in ihre Zimmer. So schnell wie möglich brauchte sie nun Abstand zu Mel, so schnell wie möglich musste sie sie dazu kriegen, ihr heute keinen Besuch mehr abzustatten.
Luce fuhr sich leise seufzend durch die Haare und räumte ihre Blut verschmierten Klamotten zusammen um sie in einen Sack zu stopfen und diese anschließend zu waschen. Sie durfte sich keine Fehltritte erlauben.
Keine Beweise unbehandelt lassen.
Nachdem sie die Waschmaschine angeschaltet hatte, zog sie sich komplett schwarze Sachen an und schlich sich aus der Wohnung. Sie hatte ihr Armband verloren... Sie hatte einen Fehler gemacht. Ursprünglich gehörte ihr das Armband nicht, es war ein Geschenk einer guten Freundin gewesen.
Doch das war nicht von Bedeutung, solange ihre eigene DNA noch an diesem Beweisstück haftete. Sie musste es unbedingt finden. Sonst säße sie richtig in der Patsche. So zog sie sich die Kapuze ihres schwarzen sweaters tief ins Gesicht und lief nun halb joggend zurück zum Tatort.
Den Schlaf würde er später nachholen. Mit diesem wichtigen Indiz hatte er einen Anhaltspunkt, welcher ihn so oder so nicht schlafen lassen würde. Gleich nachdem er über das Armband Bescheid wusste, setzte er sich wieder ins Auto und fuhr los.
Auf dem Revier erwartete man ihn bereits. Das Beweisstück lag bereits brav auf seinem Schreibtisch und wartete bereits darauf von ihm untersucht zu werden. Es war sehr hübsch, dass musste selbst er zugeben. Dennoch nahm ihm die Besitzerin schnell die Schönheit. Es wurde bei einem Mord getragen, war nun sein einziger Zeuge.
Daher nahm sich Dante kleine Wattestäbchen für das sterile Verfahren und begann jede nur erdenkliche Stelle des Armbandes abzufahren.
Ironischerweise kehrte auch diese Täterin zum Tatort zurück und suchte jede ersichtliche Stelle nach ihrem einzigen Fehltritt ab ab, jedoch vergebens.
Sie mussten ihr Armband gefunden haben.
Zähne knirschend trat sie kräftig gegen die Steinmauer.
"Verdammt!!", knurrte sie und lief langsam wieder aus der Gasse raus.
Sie musste auf das Revier. Sie musste das Armband wieder holen und dann... leider vernichten. Es wäre zu auffällig es weiterhin zu tragen. Sie holte tief Luft und begann dann Richtung Polizeistation zu joggen.Sie musste sich ihre Kraft der Unsichtbarkeit aufheben... Sonst hätte sie keine Chance.
Ihr einziger Vorteil war, dass sie noch nicht im Polizeicomputer vermerkt war, aber wie auch? Immerhin hatte nie jemand gesehen wie sie Straftaten begangen hatte. Da war in keiner Weise Material aufgetaucht, mit dem ihre DNA auf dem Armband nun verglichen werden konnte. Gut... Zumindest etwas gutes.
Sie lief schneller und erreichte die Polizeistation, vor der sie in einer Ecke versteckt einen Blick auf die Station warf und sich anschließend in das Gebäude schlich. Sie folgte einfach den Schildern und Polizisten die über den Fall sprachen in das Büro des... oh nein. In das Büro von Dante. Mit einem kaum hörbaren Grummeln schlich sie sich in die Nähe des Schreibtisches.
Alle gesicherten Beweise hatte er ins Labor geschickt. Es durfte sich nur noch um ein paar Stunden handeln. Gerade sortierte er alle Berichte und Notizen als er merkte, wie jemand an seiner Tür vorbei ging. Lächelnd sah er auf.
"Luci?", fragte er überrascht.
Sofort raste sein Herz und er war hellwach. "Ist etwas passiert?" Er kam zu ihr und fasste sie an den Schultern.
"Bitte sag mir, dass Mel nichts passiert ist."
Es war bereits nach Mitternacht und er hatte die beiden doch extra nach Hause gebracht. Niemand kam um diese Uhrzeit einfach mal so vorbei.
Sanft lächelte die Blondine und legte ihre Hände auf seine.
"Nein, keine Sorge, Mel geht es gut. Schläft wir ein Stein.", erzählte sie mit einem leichten Lächeln und strich sanft über die kräftigen Hände des Polizisten. "Es ist nur... Dass ich nicht schlafen kann, wenn ich weiß, dass in der Nähe was passiert ist... So ein Mord... Ich wollte dich wirklich nicht stören, ich wollte nur... Fragen ob du nicht solange bei uns wohnen könntest solange der Fall noch nicht geklärt wurde...", murmelte sie und senkte ein wenig den Kopf.
Es war gewagt, doch ebenso gewagt war es, dass sie als Täterin zurück zum Tatort ging und dann freiwillig auf die Polizeistation. "Es tut mir leid wenn ich dich damit erschreckt habe..."