Kapitel 5-In den letzten Tagen waren Kiran und ich, uns näher gekommen. Wir alberten viel herum und ich war dabei, mich gut in mein neues Leben einzufinden. Zumindest in den Momenten, in denen er nicht von Dämonen und Zirkeln sprach.
Seit dem einen Mal im Park, ist es nicht wieder vorgekommen, dass Kiran seine übermenschlichen Fähigkeiten anwenden musste. Das erleichterte mir, die Tatsache auszublenden, dass ich vielleicht irgendwann so werden musste wie er.
Ich hatte mich mit diesem Schicksal, noch nicht abgefunden, doch Kiran machte mir weiter Mut. Er sagte, dass wenn ich anfangen würde, mich wieder an meine alten Leben zu erinnern, dass ich dann auch erst, mein Schicksal annehmen würde.
Es war nur etwas ungewöhnlich, da ich mich schon längst an mindestens 3 meiner Leben hätte erinnern müssen.
Wir machten allerdings weiter wie bisher und bereiteten mich auf meinen alten, neuen Lebensabschnitt vor. Die letzten Tage hatte ich hauptsächlich damit verbracht, mir ein neues Image anzulegen und die Daten auswendig zu lernen, die ich von dem Bund der Dämonenjäger zugeschickt bekommen habe.
Zum Glück durfte ich meinen Vornamen behalten, meinen Nachnamen änderten sie in Saterlee. Ina Saterlee also, geboren am 12.06 in einer Kleinstadt im Ausland. Meine Eltern sind schwer berufstätig und reisen viel, ich wohne mit meinem Freund zusammen, seitdem ich 17 bin. An der Stelle, konnte ich mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen.
Der Bund hat angeordnet, dass Kiran offiziell zu meinem Mentor wurde und außerhalb unserer Wohnung, die Rolle meines festen Freundes übernahm.
Wir lernten uns gemeinsam auswendig und studierten unsere Angewohnheiten, sowohl einigten wir uns auf Geschichten, die wir als Paar schon erlebt hatten.
Unsere Kennlerngeschichte, gab uns allerdings der Bund, in einem 30 Seitigen, detaillierten Manuskript, den wir rauf und runter lasen, bis wir irgendwann selbst angefangen haben, sie zu glauben.
„Kiran? Darf ich dich was fragen?“
„Natürlich, frag mich was immer du möchtest.“ Er sah mich an und in meinem Bauch wurde es wieder wärmer. Vielleicht lag es aber auch an der heißen Schokolade, die ich jeden morgen zum Frühstück trank.
Er sah mich erwartungsvoll an und nahm einen Schluck von seiner ersten Tasse Kaffee.
„Als du dich erinnert hast, an deine früheren Leben.“ Er mochte es, wenn ich über das Thema sprach, dass erkannte ich an seinen kleinen Grübchen, die sich bildeten, wenn er ein Grinsen unterdrückte. „… Wie alt warst du da?“
Er stellte die Tasse ab.
„Ich war 10 Jahre alt, als ich angefangen habe mich zu erinnern, und dann bin ich auch fort gegangen.“
„Haben deine Eltern nicht nach dir gesucht?“
„Anfangs schon, aber der Bund weiß, wie er Eltern dazu bringt aufzuhören zu suchen.“
Ich schluckte und starrte ihn an, das war meine Art ihn aufzufordern weiter zu sprechen.
„… Das klingt etwas brutal, aber die Liebe die Eltern gegenüber ihren Kindern empfinden, veranlasst sie dazu, auf ewig nach ihnen zu suchen, bis sie sie gefunden haben.“ Kurz hielt er inne und schien in Erinnerungen zu schwelgen, die ihm zusetzten.
„Jedenfalls,… Der Bund sorgt dafür, dass die Eltern glauben, ihr Kind sei auf tragische Weise gestorben.“
Ich sagte nichts, es gab keine Worte und keine Meinung, die ich gewagt hätte auszusprechen. Irgendwas sagte mir, dass Kiran gar nicht so schmerzfrei, mit seinem alten Leben abgeschlossen hatte. Ich hingegen, empfand keinerlei Schmerz und Reue mehr, so wie Kiran es mir immer vorausgesagt hat.
Ich schämte mich, für mein Interesse wissen zu wollen, wie er „gestorben“ war.
Ich stocherte in meinem Rührei und die Stille, die sich nun über uns gelegt hat, war erdrückend schwer.
„Willst du wissen, was sie meinen Eltern erzählt haben?“
Ich bewunderte ihn, für die Leichtigkeit, mit der diesen Satz aussprach. Ich hingegen, bekam nichts weiter als ein leichtes nicken zustande.
„Meine Eltern waren sehr hartnäckig und wollten es Monate lang, einfach nicht akzeptieren. Die Polizei gab die Suche auf, es gab keinerlei Spuren, ich war einfach wie vom Erdboden verschluckt worden.“ Er lächelte kurz, aber es wirkte gequält.
„Mit mir verschwanden in der Zeit viele Kinder, beziehungsweise, viele begannen sich zu erinnern. Es gab Wort wörtlich eine Flut an Dämonenjägern. Daraufhin ließ sich der Bund die Geschichte einfallen, die Mafia würde überall aus der Welt Kinder einziehen und sie zu Ihrem Gleichen ausbilden. Oder sonst was mit ihnen machen…“
Kiran stand vom Tisch auf und machte sich eine zweite Tasse Kaffee, während er weiter erzählte. Ich saß einfach nur still da und lauschte seiner Geschichte.
„Meine Eltern aber, gaben die Suche selbst nach 2 Jahren nicht auf, sie trieben sich in den Ruin und gaben ihr letztes Hemd, um die Suche nach mir, weiter am Leben halten zu können. Das passte natürlich niemandem, sie durften mich keinesfalls finden, oder jemals wiedersehen. Das hätte die ganze Operation behindern können.“
„Du wirkst so gekränkt Kiran, während du darüber redest. Ich dachte, man schließt damit ab, wenn man rüber geht. Aber ich glaube dir nicht, dass es dir damit gut geht.“ Das erste Mal seit langem, hatte ich das Gefühl, etwas Richtiges gesagt zu haben.
Er legte seine Hand auf seinen Hinterkopf und wurde ganz still und versank in tiefe Gedanken, an denen er mich nicht teilhaben ließ.
Es vergingen einige Minuten der Stille und ich fragte mich, ob es vielleicht doch nicht ganz geschickt von mir gewesen war, das gesagt zu haben.
„Es gibt Dinge, die über einem selbst stehen Ina.“
Kiran sah gekränkt aus, auch wenn dieser Moment der Schwäche nicht lange anhielt. Denn er setzte gleich daraufhin ein Lächeln auf und sah mich wieder mit der Selben wärme an wie vorher.
„Noch Fragen?“ Neckte er mich, setzte sich wieder an den Tisch und biss in sein Brot.
Ich schenkte ihm ein genugtuendes lächeln und aß auf.
„Morgen ist dein großer Tag, Ina Saterlee.“ Rief mir Kiran freudig zu, als er im Türrahmen des Badezimmers stand. Ich putzte mir gerade die Zähne, um gleich ins Bett zu gehen, als er sich neben mich ans Waschbecken stellte und mir einen Schubs mit seiner Hüfte gab. „Hey! Lass das Kiran.“ Gab ich laut von mir und pikste ihm mit meinem Finger in die Seite.
„He, He! Ich ergebe mich ja…“ Sprach er freudenstrahlend. „Ich wollte doch nur mal fragen, wie es meiner Lieblingsschülerin so geht, eine Nacht vor ihrem großen Tag.“
Ich wusch mir das Gesicht ab und schaute in den Spiegel. „Etwas aufgeregt, um ehrlich zu sein.“
„Brauchst du nicht, ich werde ja den ganzen Tag ein Auge auf dich haben.“
„Außer in der Klasse, da muss ich alleine durch. Ich hoffe, dass ich mir diese Chance nicht gleich schon am ersten Tag vermassle.“ Nachdenklich über meine eigenen Worte, lehnte ich mich an die Wand und grübelte. Kiran stellte sich vor mich und ich konzentrierte mich darauf, keine weichen Knie zu bekommen. Irgendwas an ihm, ließ mich dahin schmelzen. Vielleicht waren es die Grübchen, vielleicht die braunen Knopfaugen oder sein Geruch, der den ganzen Raum ausfüllte, wenn er ihn betrat. Er roch nach aromatischem, holzigen Duft mit einer Ambra und Moschusnote. Das passte gut zu Kiran, er war sehr maskulin, aber voller Tiefe und gewisser Eleganz.
„Niemand wird es sich mit der verscherzen wollen. Ich werde die ganzen Hände voll damit zu tun haben, dir die Verehrer vom Leib zu halten.“ Er lehnte seine Hand gegen die Wand uns sah auf mich runter.
„Gegen ein paar Verehrer hab ich nichts einzuwenden.“ Kiran lachte laut auf und wich 2 Schritte von mir zurück, um sich am Waschbecken abzustützen. „Na du bist mir eine!“ Fügte er noch hinzu, als er an mir vorbei ging und ins Schlafzimmer lief.
Ich sah zu Boden und musste kichern. Wie hatte ich nur so schnell anfangen können, jemandem zu vertrauen? Wie brachte er mich dazu, mich glücklich zu fühlen, ohne selbst glücklich zu sein?
Eins stand für mich fest, Kiran war jemand besonderes. Er war jemand, auf den ich in meinem neuen Leben achten musste. Ich wusste nicht, ob ich jemandem wie ihm, noch ein zweites Mal begegnen würde.
Meine Haare band ich in einen Zopf und schaute das letzte Mal in den Spiegel. Morgen war mein großer Tag, eine Chance, neu anzufangen. Ich sah mich das erste Mal selbst lächeln, ein Lächeln, das nicht gestellt war und ich musste sagen, dass es mir gefiel.
Ich lief mit diesem neugewonnenen Selbstvertrauen ins Schlafzimmer, wo Kiran schon lag. Ich griff spontan nach meinem Kissen und meiner Decke, die auf dem Bett lagen und warf sie neben Kiran auf den Boden.
Keine Ahnung wieso, einfach nur so.