Als endlich das Hallen der Schritte auf harten Tunnelboden durch Gras gedämpft wurde, gewann Haruna erneut Kraft, sich weiter zu schleppen. Sie hätte niemals gedacht, das ein so harter Boden so eine Erschöpfung mit sich bringen könnte, doch der harte Boden, hatte von ihren Beinen jeglichen Tribut gefordert, die sie noch bieten konnten.
Als sie in das Tageslicht hinaustrat schwankte sie kurz, bis sie einen Windhauch spürte, und plötzlich Ken hinter ihr stand und sie stützte. Er bedachte sie mit einem prüfenden Blick, der leicht in Sorge getupft war. Mit seinem Stirnrunzel machte er deutlich, dass sie noch einen längeren Weg vor sich hatten. Haruna zuckte seufzend mit den Schultern und deutete auf ihr schweres Gepäck. Dieses war Ken offenbar auch schon aufgefallen, den der runzelte darüber erneut die Stirn, aber diesmal deutlich missmutiger als zuvor. Sie hatte eine magische Tasche ohne festen Boden. Sie wusste, dass in ihrem Inneren ein Weg in einen Raum der Finsternis lag, dessen Grenze als unbestimmt galt. Das bedeutete, dass sie unabhängig von ihrer Größe alles mitnehmen konnte. Doch diese Tasche hatte auch ihre Nachteile, dass Gewicht konnte nicht ausgeglichen werden, sodass sie trotz der kleinen Größe sie nur das Nötigste auf Expeditionen mitnehmen konnte. Ihre Tasche war voll mit magischen Werkzeugen, einem Kompass, der in die Richtung in die sie auch immer wollte zeigte, ein Fernglas, ein Taschenbuch, dass Einträge des Tages automatisch aufschrieb, ein Funkverstärker und ein Behälter für exotische Dinge. Oft wurde in solchen Behältern Eier oder sonstige ungewöhnliche Substanzen festgehalten. Zusätzlich ein paar Tränke und ein Amulett.
Haruna trat nervös einen Schritt zurück, als Ken sein Schwert zog, doch auch wenn sie gewollt hätte, wäre sie nicht in der Lage gewesen zu reagieren. Sie merkte nur noch einen Windhauch und ihre Tasche fiel fast lautlos auf das dichte Grün.
„Hey!“ schrie sie entsetzt, „du musstest sie ja nicht gleich kaputt machen!“, und beugte sich hinunter um den Schaden zu begutachten.
Dabei stellte sich verdutzt fest, dass es keinen Schaden gab. Ken hatte mit der stumpfen Seite seines Schwertes die Tasche von ihrer Schulter gehoben. Er kann also auch gut mit seiner Waffe umgehen, bemerkte Haruna erstaunt. Ken deute mit einem Finger auf die Tasche und Leo trabte herbei um sie sanft aufzuheben. Leo war die gesamte Zeit hinter Haruna gelaufen, doch seine Kameraden hatte er offenbar zurückgelassen. Vermutlich sollten sie den Eingang bewachen, dachte Haruna. Doch plötzlich packte sie jemand an den Hüften.
Mit einem überraschten „AH!“ lag sie plötzlich in Ken‘s Armen.
Ein paar Sekunden war sie vom Schock überwältigt und in ihrem Gehirn rasten ihre Gedanken so, dass sie nicht klar denken konnte. Doch dann raffte sie sich wieder und drückte sich von Ken ab, der sie ohne Widerrede losließ, sie dennoch mit einem fragenden Blick bedachte. Mit hochroten Kopf brachte sie dennoch stolz ohne stottern heraus, dass sie keine Prinzessin sei und so nicht getragen werden will. Sie kannte ihn ja nicht einmal richtig. Nach kurzer peinlicher Stille hockte Ken sich mit dem Rücken in Richtung zu ihr hin. Sie starrte ihn verdattert an, was sollte das jetzt?, fragte sie sich. Bis sie begriff, dass er ihr den Rücken anbot um sie weiter zu tragen. Das Angebot war äußerst verlockend, und auch wenn es ihr ebenfalls peinlich war, war es nicht so schlimm wie die vorherige Transportmethode. Also nickte sie und setzte sich, wenn auch erst etwas unelegant auf seinen Rücken. Doch Ken schulterte sie kurz und sofort saß sie perfekt mit den Beinen um seinen Hals. Ken sah sie an und fasste ihr an die Unterbeine. Allein diese Berührung beschleunigte Haruna‘s Herzschlag und die Peinlichkeit wuchs. Als Ken merkte, dass sie es akzeptierte, gab er einen Befehl an Leo weiter, in einer Sprache die Haruna nicht verstand. Daraufhin begann Leo sich hinzukauern und die erneute Formveränderung seiner Hinterläufe vollzog sich genauso schnell, wie in dem Moment wo er sie angegriffen hatte. Dann schoss er mit einer schnellen Bewegung nach vorn und verschwand bald hinter den Bäumen. Ken nickte, fasste Haruna etwas fester an und trat sich mit seinen Beinen ab. Ein Gefühl von Übelkeit erfasste Haruna, denn sie waren in wenigen Sekunden mehrere Meter „geflogen“. Haruna hatte die Bäume nicht mal erkannt, als sie an ihr vorbeigeschossen waren. Doch Haruna wusste, dass der Gegenwind sie normalerweise sofort umgeworfen hätten, wenn sie sich wirklich so schnell fortbewegt hätten. Konnte Ken zwischen Dimensionen reisen oder sich teleportieren? Mit dieser Frage im Kopf schossen sie erneut voran, immer schneller und schneller wurden sie und hatten in kurzer Zeit Leo eingeholt, der kurz zur Begrüßung bellte aber dann nicht mehr mithalten konnte und wieder zwischen den Bäumen verschwand.
Als sie wieder zum Stehen kamen blieb Haruna mit offenen Mund stehen, vor ihnen hatte sich ein riesiger Steintempel aufgebaut, der zwar auch von Moos überwachsen war aber dennoch konnte man die Steinstufen und Figuren klar ausmachen, die Kunstvoll in den Stein gehauen waren. Eine Figur hatte einen Falkenkopf, und einen menschlichen Unterkörper, in ihren Händen war ein riesiges Steinschwert, und links und rechts ragten zwei riesige Flügel hervor, was den Anschein erweckte, als ob die Figur diesen Ort beschützen wollte. In dem Tempel waren kleine Höhlen eingelassen, doch da diese weit über dem Boden lagen, konnte Haruna nicht erkennen was sich in ihnen befand. Auch hier hatte die Natur ihre Spuren hinterlassen, bemerkte Haruna. Manche Wurzeln umschlangen langsam die Ränder des Tempels, und an ein paar Stellen konnte Haruna Risse im Fels ausmachen. Dennoch strahlte der Ort, eine beängstigende Kraft aus, uralt, wild, verboten und versteckt. Die Haare von Haruna stellten sich auf, als sie die knisternde Magie des Ortes wie eine Welle traf. Sie stolperte einen Schritt nach hinten. Jeder Magier konnte Magie spüren, sie hinterließ ein Gefühl der Allmächtigkeit. Eine unkontrollierbare Masse, der Energie. Eine so reine und unbenutzte Magie war Haruna noch nie begegnet. Plötzlich begann ihr inneres Purzelbäume zu schlagen.
Sie spürte ein kratzen im Bauch und dass etwas gegen ihre Psychische Barriere ankämpfte. „Du darfst hier nicht raus!“ brummte Haruna gequält.
besah sie mit einem kurzen Blick und zuckte mit den Schultern.
„Die meisten Dämonen möchten in dieser Gegend frei sein, wenn sie so stark mit Magie durchtränkt ist. Du kannst ihn ruhig rauslassen, wir nehmen ihn hier herzlich auf.“
Haruna sah ihn an, und überlegte kurz, doch dann öffnete sie die Barriere ihres Geistes und sofort hörte das Kratzen in ihrem inneren auf. Schwarzer Rauch, begann aus ihrer Schulter in Kreisen sich in die Luft zu mischen bis sich eine etwa kopfgroße Kugel aus undurchschaubaren Schwarz auf ihrer Schulter gebildet hatte. Dann platzte die Kugel und eine schwarze Echse ließ sich auf ihrer Schulter nieder. Die Echse war etwa so lang wie ihr Arm, doch den größten Teil davon nahm ihr Schwanz ein. Sie hatte vier Beine an denen jeweils drei Abspreizungen als Zehen fungierten. Doch die Zehen wirkten eher wie die Krallen einer Eule, mitsamt ihrer Fähigkeit sich fast überall festhalten zu können. Die Farbe der Echse kam von ihren schwarzen Schuppen die ihren ganzen Körper bedeckten, nur ihre Unterseite war in einem etwas dunkleren lilafarbigen Ton, der sich von Schwanzanfang bis hin zu dem Maul zog. Der Kopf ähnelte dem eines Krokodils, aber der Mund war nicht so lang wie der von Krokodilen. Links und rechts, konnte Ken kleine Zähne ausmachen, die aus dem Maul ragten. Zwei wache Augen sahen ihn prüfend an. Haruna scheuchte die Echse von ihrer Schulter, indem sie sie mit einem Kitzel des Rückens dazu verleitete. Die Echse wickelte sich mit ihrem Schwanz an Haruna‘s Hand, um hinab zu gelangen. Auf dem Boden schoss sie auf dem nächsten Baum zu, und kletterte diesen gekonnt hinauf, um sich auf einem Ast zu sonnen. Den Schwanz ließ sie dabei ganz entspannt vom Ast herunter hängen.
„Wie heißt sie?“ fragte Ken, offensichtlich interessiert an diesem seltsamen Geschöpf.
„Rin.“ antwortete Haruna lächelnd, während sie ihren Dämon glücklich hinterher sah.
Plötzlich brauste sich erneut der Wind zusammen und als Haruna nach der Quelle suchte, fand sie sie weniger überrascht bei Ken. Auch auf seiner Schulter hatte sich nun eine grüne Kugel gebildet, die ebenfalls ihren Inhalt in einem Glitzerschimmer preisgab. Nun saß auf Kens Schulter eine kleine Eule, doch diese Eule war keine lebendige, sie bestand nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Metall. Ihr Körper war eiförmig und grün und an der oberen Seite, war eine Kuhle in der ein weißer Kopf saß. Drei kleine blaue Perlen zierten den Bauch während auf dem Rücken eine Rückenflossenartige Vorrichtung und zwei Düsen in einem angenehmen Orange angebracht waren die die anfänglich eingeschätzte Eierform, wieder auflösten. Die Kreatur hatte einen metallenen Schweif, der an seinem Körper begann und etwa genauso lang war wie der Vogel selbst. Die Beine waren ebenfalls zwei Kugeln, an denen jeweils, drei spitze Krallen aus grauen Metall ihren Platz fanden. Links und rechts, hatte der Vogel zwei kleine halbrunde Flügel, die mit Metallstützen am Körper wie ein Gelenk angebracht waren. Die „Knochen“ der Flügel waren grün, während die Tragflächen selbst rot waren. In dem weißen Kopf waren drei rote Halbkugel in einem Dreieck eingelassen, und ein gelbe Linie verband diese. Unter diesem Dreieck saß ein spitzer Schnabel, der ebenfalls aus Metall bestand. Das Geschöpf saß treu auf Ken‘s Schulter, bis Ken mit der Hand wedelte und der Vogel in einer Spirale an Höhe gewann, um über den Baumkronen zu segeln.
„Und wie heißt er?“ fragte Haruna, jetzt auch sehr interessiert.
Sie hatte noch nie von mechanischen Dämonen gehört. Dire-Wölfe waren Ausnahmen. Sie bestanden ebenfalls aus Metall und konnten nicht als lebendig gewertet werden, aber sie sah man auch nicht als Dämonen, sondern als Monster oder Bestien. Sie unterschieden sich gewaltig von Dämonen. Eine Kreatur wird als Bestie bezeichnet, wenn als ein ungewöhnliches Lebewesen gesehen wurde, aber noch als Lebewesen erkannt werden konnte. Monster dagegen, können nie wirklich als Lebewesen abgestempelt werden, da sie wenn sie nicht gebändigt oder getötet werden, ohne Kompromisse töten und meistens durch Scheußlichkeit, nicht als Lebewesen durchgehen können. Ein Dämon dafür kann ein Monster oder Bestie sein, hat jedoch sich einem Meister oder auch Magier untergeordnet und lebt mit diesem in Freundschaft.
„Sein Name ist Strix“, Ken‘s Stimme riss Haruna wieder in die Wirklichkeit.
Strix ist ein ungewöhnlicher Name, dachte Haruna.
„Nun gut du bist bestimmt geschafft.“ vermutete Ken mitfühlend.
Erst jetzt merkte Haruna wie ihre Beine zitterten. Nach dem auf und ab des Vorrückens und des Zurückziehens, hatte sie eine Horde Dire-Wölfe überlebt und war dann von einem Fremden Jungen entführt worden, der tausendmal schneller und stärker war als sie selbst. Plötzlich strahlte Ken in einem finsteren Licht der Macht, und Haruna machte ängstlich einen Schritt zurück.
Ken traf dies offenbar sehr, denn sofort verfinsterte sich seine Miene und trat selbst schnell zurück. „Ich lasse dich erst einmal in Ruhe, du hast heute vermutlich viel durchgemacht.“.
Als er sich abwendete rief er ihr noch über die Schulter zu: „Leo bringt dir wenn er da ist deine Tasche.“.
Dann trat auf dem Boden kurz auf und war verschwunden. Haruna vermutete dass das wieder die Teleportationskünste von ihm waren.