Nach wie vor war der Junge ein regelmässiger Besucher in Sols Blumenladen.
Sie tranken zusammen Kakao und unterhielten sich über den kleinen Bruder, dem es stets besser ging und der, so hoffte die Familie, bald aus dem Krankenhaus entlassen werden sollte.
Manchmal sah der Junge Sol einfach zu, wie sie Kunden bediente oder ihre Blumen ordnete.
"Du sprichst mit den Blumen, nicht wahr?"
Es war eher eine Feststellung als eine Frage.
Überrascht und gleichzeitig erfreut schaute Sol den Jungen an, nickte und lächelte.
"Woran merkst du das?"
Der Junge überlegte, suchte nach Worten.
"Dein Kopf ist dann immer leicht zu den Blumen hinab gebeugt. Und deine Augen schauen hin und trotzdem … nicht … wie weit weg …"
Er rutschte auf seinem Stuhl umher.
"Und dann … die Blumen sehen anders aus … ich weiss auch nicht … "
Etwas ratlos blickte er Sol an.
Diese nickte.
"Blumen und Pflanzen lieben es, wenn man mit ihnen spricht. Sie spüren es, ob man sie lieb hat. Dann mögen sie wachsen und gedeihen."
"Könntest du … mir beibringen, wie man mit Blumen spricht?"
Sol spürte die Ernsthaftigkeit in seiner Frage.
"Gerne und jederzeit! Wir können auch gleich anfangen!"
Die Augen des Jungen leuchteten auf.
"Geh und wähle dir eine Blume aus. Irgendeine."
Eifrig stand er von seinem Stuhl auf und ging langsam an all den vielen verschiedenen Blumen vorbei, betrachtete sie aufmerksam.
"Die da!"
Er zeigte auf eine Iris.
"Warum hast du dich für sie entschieden?"
Er zögerte erst mit seiner Antwort, dann meinte er leise:
"Es war … wie wenn sie mich gerufen hätte … "
"Genau! Sie HAT dich gerufen!"
Der Junge strahlte.
"Und jetzt setze dich einfach etwas vor sie hin. Vielleicht hörst du noch mehr. Vielleicht auch nicht.
Ich bin stolz auf dich, dass du ihren Ruf vernommen hast!"
Unbeweglich sass er vor der Iris, die ihn gerufen hatte und versuchte angestrengt, noch mehr zu hören.
Leicht enttäuscht stand er nach einer Weile wieder auf.
"Ich höre nichts."
Sol wickelte die Blume in ein Papier und drückte sie ihm in die Hand.
"Nimm sie mit nach Hause. Vielleicht hörst du dort mehr.
Aber bitte, verkrampfe dich nicht. Mit Blumen und Pflanzen sprechen darf und soll ganz leicht geschehen. Es soll dir und der Blume Freude machen!"
Als Sol am nächsten Morgen den Laden aufschloss, stand der Junge bereits da.
Seine Augen leuchteten vor Freude, seine Wangen waren rot vor Aufregung.
"Ich habe noch mehr gehört!"