Kapitel 4: 15. Skorpion
In der Zeit, in der die Anwärter auf einen Platz an der Yorukage das erste Mal einen Fuß auf das Geländer der Schule setzten, war eine alte Frau mit langem, beigefarbenen Umhang dabei durch die glühende Hitze einer Wüste zu schreiten.
Ihre dünnen weißen Haare hingen ihr über die Schultern und sie fragte sich wirklich, warum sie sich darauf eingelassen hatte. Hätte man nicht jemand anderen schicken können? Warum musste ausgerechnet sie hierher kommen?
Anjotef war eine Welt, die fast vollständig aus Wüste bestand. Es gab nur ein einziges großes Meer und noch nicht einmal dorthin konnte es sie verschlagen. Nein! Sie musste sich durch den Wüstensand kämpfen und die Hitze ertragen, die ihr zu schaffen machte. Sie nutzte schon Zauber, um sich kühlen Wind zu verschaffen, doch das brachte kaum etwas gegen die Sonne und ihre Strahlen. Die einfachen Kältezauber, die sie immer wieder erneuerte und auf ihren Umhang legte, hielten nur kurz und es war eigentlich Magieverschwendung, es immer wieder zu versuchen. Aber sie konnte es sich leisten. Magie besaß sie nun wirklich genug.
Trotzdem verstand sie nicht, warum nicht Ascardia hier sein konnte. Oder vielleicht Aurich. Er war eher der Typ für solche Arten von Aufträgen. Nicht, dass sie sich nicht irgendwo geehrt fühlte, ein Schreiben der Yorukage zu überbringen, doch nicht in einer gottverlassenen Wüste! Wen sollte sie hier denn finden, außer Skelette und vielleicht den ein oder anderen Aasgeier?
Eabha streckte die Hand aus und über ihrer Handfläche erschien ein Hologramm aus Magie, das ihre Position und ihr Ziel zeigte. Ohne diese Magie wäre sie verloren. Wüsten waren einfach keine Gegenden für ihre Klasse.
Seufzend bemerkte sie, dass sie wohl doch noch ein wenig zu laufen hatte. Schnell ließ sie den Zauber erlöschen und machte sich daran, ihren Weg fortzusetzen. Meckern half nichts. Sie konnte sich nur beeilen, die Person finden, den Brief abgeben und dann hoffentlich wieder auf die Yorukage zurückkehren. Nicht einmal mit den Winden konnte sie reisen, weil der Sternenstaub auf diesem Planeten so unbeständig war. Sie konnte es versuchen und einer Wind-Sternenstaub-Straße folgen, doch nichts gab ihr die Garantie, dass diese noch genau da endete, wo Eabha es berechnet hatte. Zum Glück waren diese Straßen auf den meisten anderen Planeten fest und änderten nicht wie in Antjotef ihre Orte.
Die alte Frau näherte sich einer Formation aus Steinen, die ein wenig Schatten versprach. Dort konnte sie sich kurz niederlassen und eine Rast einlegen. Etwas essen und trinken und vielleicht für ein paar Sekunden entspannen. Wenn sie nicht gezwungen war sich zu bewegen, würde sie vielleicht auch einen ordentlichen Kältezauber zustande bekommen.
Sie würde davon absehen ihre Kleider auszuschütteln und zu versuchen den Sand aus ihrer Unterwäsche zu bekommen. Das hatte schon das erste Mal nicht geholfen. Dieser Sand setzte sich einfach überall fest. Eabha hoffte wirklich, dass sie ihn, wenn sie wieder zuhause war, loswerden konnte.
Endlich umfing sie kühler Schatten und sie seufzte zufrieden, ehe sie sich an einem Felsen niederließ und aus ihren magischen Taschen eine Flasche Wasser und ein paar belegte Brote zauberte. Zumindest hielt der Kältezauber um die Wasserflasche. Gut, dass sie Yuna gefragt hatte. Eis war eindeutig nicht ihr Element, auch wenn es jetzt sehr hilfreich sein würde.
Genüsslich nahm sie einige Schlucke des kalten Getränks, ehe sie es wieder verstaute und erneut auf ihre magische Karte schielte. Überrascht stellte sie fest, dass sie viel näher am Ziel war, als sie angenommen hatte. Der Weg hatte viel länger ausgesehen, doch wenn sie die Karte jetzt so betrachtete, musste es irgendwo hier in der Nähe sein.
Die Frau blickte sich suchend um, fand aber nichts. Das war komisch. Sollte sie nicht in einer Art Mausoleum suchen?
Nicht, dass sie ein Mausoleum in der Wüste erwarten würde, aber seitdem sie das Mausoleum der Königinnen kennengelernt hatte, das ständig seinen Standort wechselte, sollte sie soetwas eigentlich nicht überraschen.
Eabha aß das belegte Brot auf und erhob sich dann wieder. Wenn sie doch schon so nah war, konnte sie die Pause auch auf später verschieben. Sie hatte zwar noch genug Zeit, da der neue Schüler erst am 1. Fisch in der Yorukage erscheinen sollte und bis dahin waren es noch zwei Wochen, doch Sie wollte wirklich nicht länger als nötig auf diesem Planeten verweilen.
"Oh Licht der Sonne, höre meine Bitte", flüsterte sie leise und streckte die Hand nach vorn, wo sich einige Sonnenstrahlen sammelten. "Erhelle meinen Weg und führe mich an mein Ziel, so dass ich nicht im Schatten suchen muss", sprach sie weiter und langsam formte sich ein Lichtball.
Eigentlich brauchte man für diese Art von Suchzaubern ein wenig mehr Vorbereitung, doch sie hatte schon lange genug geübt, um es auch ohne zu schaffen. Außerdem gab es neben ihr hier kaum ein Leben und so musste sie den Zauber nicht auf eine direkte Person, sondern nur auf eine größere Ansammlung von Leben einstellen.
Die Lichtkugel erhob sich von ihrer Hand und schwebte ein wenig umher. Eabha wartete ab, bis das Licht eine ungefähre Richtung gefunden hatte und begann dann diesem zu folgen.
Nur wenig begeistert sah sie zu, wie das Licht zwischen zwei Felsen flog, die für Eabha nicht so leicht zugänglich waren. Seufzend begann sie damit ein wenig zu klettern und versuchte mit ihren Fingern Halt zu finden. Sie hoffte nur, dass sie nicht abrutschte. Es wäre nicht sonderlich hilfreich für ihre Reise, wenn sie sich erst noch heilen musste. Um sicherzugehen, dass sie über den kleinen Vorsprung und zwischen den Felsen hindurch kam, nutzte sie einen Schwebezauber. So war sie nicht mehr vom Untergrund abhängig und es gelang ihr in einer größeren Lücke zwischen den Felsen hindurch zu schweben.
Allerdings erwartete sie dahinter erwartete sie weitere Felsen und eine diffuse Dunkelheit. Das Licht ihres Suchzaubers sorgte dafür, dass sie überhaupt etwas sehen konnte und sie war froh einen Schwebezauber benutzt zu haben, sonst wäre sie in die endlose Schwärze gefallen. Was sie scheinbar auch musste, denn das Licht wanderte immer weiter nach unten und wenn sich Eabha nicht beeilte, würde sie es verlieren.
Dennoch war sie langsam und vorsichtig, während sie hinab schwebte, um den Licht zu folgen.
An den Wänden aus Sandstein konnte sie ab und an so etwas wie Säulen erkennen und so langsam fragte sie sich, um das Mausoleum nicht verschüttet worden war. Aber wenn ja, wen sollte sie hier finden? Dennoch schien das Licht jemand Lebendes gefunden zu haben, sonst würde es sich nicht so zielstrebig bewegen. Allerdings hoffte sie auch, dass es sich dabei nicht um einen riesigen Skorpion oder ähnliches handelte.
Je tiefer sie glitt, desto mehr konnte sie von einer Tempelanlage erkennen. Das würde auch erklären, warum sie das Mausoleum nicht gefunden hatte. Die Tempelanlage sah beschädigt aus. Eventuell war sie von einem Sandsturm überrollt und dann verschüttet worden.
Schließlich und endlich kam Eabha am Boden der Schlucht an. Über ihr konnte sie nichts mehr erkennen, weil die Felsen und die kaputte Tempelanlage so gefallen war, dass nur noch ganz wenig Sonnenlicht hier hinab schien. Dafür leuchtete ihre Lichtkugel in einem leichten Pulsieren, das verriet, dass sie dem Lebewesen näher gekommen war.
Langsam lief die Weißhaarige weiter dem Licht hinterher und nahm in der Dunkelheit seltsame Schemen wahr.
Vom Donner gerührt blieb sie abrupt stehen und fand sich Auge in Auge mit einem riesigen Sandkäfer wieder, der dabei war sein Nest zu bauen.
Das war wieder einmal so typisch! Wieso konnte man sie nicht einfach zu irgendwelchen normalen Städten schicken? Nein, man musste immer sie die Aufträge erledigen lassen, wo sie nach Leuten suchen musste und seltsamer Weise landete sie immer weit neben ihrem Auftrag!