„So das war’s für heute“, seufzte Felix erleichtert. „Danke, Cedrik, für deine Hilfe.“
„Kein Problem. Keine schweren Sprüche, aber dafür effektiv“, grinste der junge Magier und riskierte einen Seitenblick auf Arella.
Sie selbst schaute scheinbar konzentriert auf die geordneten Mappen in den Regalen und schien den Mann im Augenblick nicht wahrzunehmen. Er registrierte aber sehr wohl ihre leicht geröteten Wangen und ihre Hände, die sie ineinandergelegt hatte und etwas unschlüssig knetete. So unbeteiligt ihm gegenüber, wie sie gerade tat, war sie auf jeden Fall nicht.
„Jetzt muss ich diese Seiten nur noch zu einem Buch binden lassen, dann ist hier endlich mal Ordnung“, erklärte der Chronist zufrieden und deutete auf die rechte Seite. „Aber das reicht bis morgen.“
„Ich denke auch. Heute war ein langer Tag“, stimmte der Zauberer zu.
„Für mich ist er leider noch nicht zu Ende. Ich muss noch was mit unserer Fee besprechen. Ihr könnt auch schon mal ohne mich mit dem Essen anfangen, ich weiß nicht, wie lange es dauern wird.“
Trotz dieser Pflichtaufgabe wirkte er nicht betrübt, ganz im Gegenteil. Felix war bester Laune, als er sich gerade die Hände an einem Handtuch sauber wischte und sich anschickte, die Stube zu verlassen.
Cedrik konnte es ihm nicht verdenken. Auch, wenn der andere von einem Muss gesprochen hatte, so war ein Vorsprechen oder eine Unterhaltung mit einer der Feen nie eine Pflicht, sondern immer ein schönes Erlebnis, egal, mit welcher von ihnen man sprach. Ganz offensichtlich war der Chronist im Gegensatz zu seiner Rede sogar sehr froh, dass dieser Termin nun anstand. Wie anders konnte man sonst sein eifriges Aufbrechen interpretieren?
Schon war die Türe zugeschlagen und beide waren allein im Zimmer.
„Und nun?“, fragte die Frau etwas unschlüssig.
„Zum Abendessen ist es eigentlich noch zu früh. Etwas dagegen, draußen an die frische Luft zu gehen? Ich würde auch gerne noch nach Herbert sehen.“, schlug er vor.
Der Lichtgrimm fühlte sich in geschlossenen Räumen nicht wohl. Da machte auch die Akademie keine Ausnahme, so wunderschön sie auch innen eingerichtet war.
„Kann ich mitkommen? Du weißt ja, wie gerne ich dein Haustier habe“, bat Arella nun leise. „Seit ich ihn am Strand das erste Mal gesehen habe, bin ich richtig vernarrt in den kleinen Kerl.“
Oh ja. Zu gut erinnerte er sich daran. An diese Begegnung dort unten, wo sie auf einer Decke unter dem Baum gelagert hatte.
Er hatte ihr bisher noch nicht die ganze Geschichte erzählt.
Natürlich war es kein Zufall gewesen, dass er sie dort gefunden und aufgesucht hatte. Allerdings ohne Magie.
Zaubersprüche zum Aufspüren von Menschen waren gefährlich und gehörten teilweise zur schwarzen Magie. Er wäre dazu durchaus in der Lage gewesen, aber hatte es nicht gewagt, dies zu riskieren. Die Elfen hätten ihm zum Teufel gejagt, wenn er in ihrem Territorium irgendwelche Zaubereien wirken würde, die nicht rein weiß waren.
Und so hatte er sie einfach beobachtet und war ihr heimlich gefolgt. Schon bald hatte er herausbekommen, dass sie gerne nach unten zum Strand kletterte. Herbert war ihr auf seiner Bitte heimlich gefolgt und so hatte er schon recht bald zusammen mit ihm den Weg nach unten gefunden.
Seit diesem Treffen hatten sie sich immer mal wieder zufällig getroffen.
Zufällig? Nun ja...
Er selbst hatte es immer wieder bewusst provoziert, dass sie sich über den Weg liefen. Allerdings war es auch oft genug sie gewesen, die unerwartet dort auftauchte, wo er sich gerade aufhielt. Zu oft, als dass man es hätte als „zufällig“ abtun können.
Ihr Verhältnis hatte sich dadurch auch etwas entspannt. Wenn auch ihre Begegnungen in der Regel nur kurz gewesen waren, so hatte sich doch ein gewisses Vertrauen aufgebaut und beide hatten aufgehört, sich gegenseitig zweifelhafte „Nettigkeiten“ an den Kopf zu werfen.
Cedrik war sich bewusst, dass auch er selbst schuld an den anfänglichen Missstimmungen hatte. Und auch Ekkehard hatte ihm während seiner Ausbildung mehr als einmal darauf hingewiesen, dass er bisweilen leicht arrogant auf die Menschen wirkte.
Allerdings hatte sein Meister auch gewusst, dass es für seinen Schüler schwerer war als für andere. Insofern war er oft nachsichtig gewesen, wenn sein Lehrling mal wieder über die Stränge schlug.
Und Arella?
Sie selbst konnte es nicht wissen. Was es für ihn bedeutet hatte, bei einem Magier in die Schule zu gehen. Gezwungenermaßen diese Kunst zu lernen, die er doch im Tiefen seines Herzens verachtete und dennoch beherrschen musste. Die Frau hatte keine Ahnung von den verborgenen Zusammenhängen – auch nicht davon, warum seine Haare diesen blauen Schimmer aufwiesen.
Und er konnte es ihr nicht sagen.
Es wäre auch vernünftiger gewesen, sich von ihr fernzuhalten. Seine Arroganz zu forcieren und sie von sich zu stoßen. Mit ihm zusammen zu sein bedeutete Gefahr.
Es war kein Zufall, dass er, im Gegensatz zu all den anderen Männern seines Alters, noch eine „Jungfrau“ war. Immer hatte er das andere Geschlecht auf Abstand gehalten – und das aus gutem Grund.
Aber diese Frau…
Bei ihr konnte er es nicht.
Er war nicht gut für sie. Dass er ahnte, dass sie selbst noch keinerlei Erfahrungen mit Männern hatte, machte es ihm umso schwerer.
Denn er wollte der erste sein! Der erste, der sie in diesen uralten Tanz der Liebe führen sollte und sie besitzen wollte.
Nur er. Keiner vor ihm, keiner nach ihm.
Er war zu schwach, um dieser Versuchung zu widerstehen.