„Natürlich. “, antwortete er so mit etwas rauer Stimme. „Herbert schwirrt irgendwo herum, aber er findet mich immer nach kurzer Zeit, wenn ich nach draußen gehe.“
„Ich habe anfangs nicht darauf geachtet, aber du gehst jeden Tag zu ihm, oder?“
„Ich habe ja auch die Verantwortung für ihn. Und ich würde ihn auch vermissen.“, erläuterte er.
„Ja, das verstehe ich.“
„Dann komm!“, sagte er leise und streckte ihr seine Hand entgegen.
Kurz zögerte Alissa, dann legte sie vorsichtig ihre kleine zierliche Hand in die seine.
Cedriks Herz stolperte, als er sie nun auf diese Weise festhielt. Ihre Haut war so wunderbar weich und warm. Und er war einfach stolz darauf, dass sie diese kleine Geste zugelassen hatte. Unbedeutend zwar, aber für ihn wichtig genug, um sich gut zu fühlen.
Langsam führte er sie aus dem Raum und aus dem Turm.
Er hatte keine Eile – viel zu schön war es, sie zu spüren und ihr ein klein wenig näher zu sein. Von ihm aus hätten sie noch länger durch diese Gänge streifen können. Viel zu sehr genoss er diese Situation.
Der Weg ins Freie war allerdings nicht sonderlich weit. Schon bald hatten sie den Ausgang des Gebäudes erreicht und fanden sich auf dem Vorplatz wieder.
Der Magier hielt immer noch ihre Hand. Weigerte er sich innerlich doch davor, den Körperkontakt zu lösen. Auch wenn es offensichtlich dafür keinen Grund gab.
„Wo ist er?“, fragte sie leise.
„Er wird sicher gleich angeschwebt kommen, keine Sorge. Lass uns noch ein wenig vom Turm weggehen. Er hält sich nicht gerne in der Nähe von Gebäuden aus, die fest gebaut sind.“
„Und wie war das bei deinem Meister? Der wohnte doch auch nicht unter freiem Himmel, oder?“
„Nein, natürlich nicht“, gab Cedrik zu. „Aber dort konnte ich ihn nachts mit hineinnehmen, warum auch immer.“
„Das ist komisch“, wunderte sie sich.
„Ja. Ich selbst bin bis heute nicht dahintergekommen. Möglicherweise hatte mein Mentor da irgendeinen Zauber angewendet, den ich nicht kenne“, mutmaßte Cedrik, während sie beide Hand in Hand den Weg entlang schritten.
„Schade. Es wäre ja sicher auch für dich schöner, wenn du ihn nachts zu dir nehmen könntest, oder?“
Er nickte. „Ja, natürlich. Und ich weiß auch nicht, wo er sich hier nachts immer herumtreibt. Aber noch viel weniger möchte ich ihn gegen seinen Willen irgendwo einsperren.“
Sie schickte an, etwas zu entgegnen, als ihnen ein blaues Licht gewahr wurde, welches von weit hinten auf sie zugeflogen kam.
„Herbert, du kleiner Kerl.“, rief er erleichtert und blieb stehen.
Der Grimm beschrieb einige Zickzacke in der Luft, was beide zum Lachen brachte. Es sah aber auch zu komisch aus, diese ständigen Richtungswechseln. Dabei wechselte er ständig seine Farbe und erinnerte an einen Regenbogen.
„Mit ihm ist doch alles in Ordnung, oder?“
„Keine Sorge. Das macht er meist, wenn wir eine Weile nicht zusammen waren, um mich zu begrüßen.“
„Das ist aber nett von ihm.“
„Ich denke eher, seine Art, um sich darüber zu beschweren, dass ich ihn so lange alleine gelassen habe“, mutmaßte er. „Er will mir damit vermutlich zeigen, dass meine Versuche, ihn anhand seiner Farbwechsel zu durchschauen, vergebens sind.“
Nun musste sie lachen. „Ich denke, er freut sich einfach. Schau doch nur!“
Der Grimm hatte begonnen, sanft an Cedriks Bein entlangzustreifen. Danach wanderte er langsam höher, ehe er im Kragen des Magiers schlüpfte und unter seinem Hemd verschwand.
„Für mich ist es offensichtlich, dass er dich vermisst hat, Cedrik.“
„Scheint so“, bestätigte er mit einem Schulterzucken. Er wollte es nicht so offen zugeben, aber auch er hing sehr an Herbert. Und dabei konnte er nicht mal genau sagen, was ein Leuchtgrimm genau war.
Manche hielten sie für Tiere, da sie äußerst treu waren, wenn sie einen Menschen als Herrn akzeptiert hatten. Andere für eine Art Irrlicht, da diese ja ebenfalls leuchteten und fliegen konnten. Diese Meinung war jedoch selten, da die Grimms mit ihrem Fell körperlich waren, im Gegensatz zu den Irrlichtern. Genauso wie die Ansicht, dass es sich bei den Wesen um Geister handelte, ein Übrigbleibsel aus einer vorherigen und vergessenen Zeit.
Für den Mann war Herbert irgendwie von allem etwas – der Grimm war treu, hatte aber seinen eigenen Kopf und erinnerte ihn bisweilen an ein Kind. Und er verstand, was Cedrik zu ihm sagte. Wenn er es denn wollte.
Essen oder Trinken schien dieser Leuchtball nicht zu benötigen – zumindest nichts, was der Zauberer wahrnehmen konnte. Dafür schlief er aber mehrmals am Tag. wenn auch nie mehr als vier Stunden am Stück.
Herbert war eben ein Grimm, und einen Grimm konnte man in keine der üblichen Schubladen stecken.
„Wie lange bleibt er jetzt bei dir da unter dem Hemd?“, wollte die Frau neugierig wissen.
„Das ist unterschiedlich, aber meist schon eine ganze Weile“, verriet er. „Ich würde daher auf jeden Fall noch eine Weile draußen bleiben wollen. Es ist ja auch noch zu früh zum Essen.“ Der Zauberer zögerte einen kurzen Augenblick, dann schlug er vor: „Wir könnten nach unten gehen, zum Strand, falls du nichts dagegen hast, uns ein wenig unterhalten…“
Sie zögerte kurz. „Was ist mit Herbert? Macht es ihm nichts aus? Oder könnte er herausfallen, wenn du da nach unten kletterst?“
„Keine Sorge, das wird nicht passieren. Er ist bei mir sicher.“, beruhigte er. „Also, kommst du mit?“
„Warum nicht? Ich mag den Platz da unten.“