Kapitel 4
Bilder aus Tinte
Einige Tage waren bereits vergangen, nachdem Q in Lou's Leben schlüpfte. Einige Tage, in denen das kleine Geisterwesen viel schlief und aß. In denen es sie über die Welt ausfragte, eine Menge hatte sich seit ihrem letzen Aufenthalt auf der Erde verändert. Einiges blieb aber auch gleich, die Menschen zum Beispiel. Viele arbeiteten immer noch, ohne je gelebt zu haben, ohne je Leben zu werden. Und andere wiederherum lebten, ohne je auch nur eine Minute gearbeitet zu haben. Nein, fair war das nicht, aber daran etwas ändern konnte man offensichtlich nach Hunderten, gar Tausenden von Jahren auch nichts. Wieso also sollte es in der Zukunft anders aussehen?
Aber nicht nur Gespräche über negatives und altes kamen über ihren Lippen. Lou erklärte Q, wieso sie Bücher so mochte, zeigte ihr ihre Lieblingsbücher, sprach über ihre Familie und Urlaube aus ihrer Kindheit. Über ihren Job, weswegen sie regelmäßig morgens aus dem Haus spazierte. Leise, musste sie sich am ersten Tag fertig machen, um das kleine Tierchen nicht zu wecken. Eingekuschelt auf einem Kissen, das aussah wie eine Katze, und unter einem Handtuch, welches das Decke diente, schlief sie jeden Abend neben Lou, auf dem Bett, ein. Für ein so kleines Wesen hatte sie wirklich einen hohen verbrauch am schlafen. „Der ruhe Zustand hat mich geschwächt.", hatte Q gesagt. Lou verstand nicht ganz, wie Ruhe jemanden schwächen konnte. Aber sie erklärte es sich damit, dass ein Geist wohl einen andere Art von Energie benutze, als es Menschen taten.
An einem anderen morgen saß Q in der Fensterbank, in Lou's Wohnzimmer, knabberte grade an einem Salat herum, als sie beobachtete, wie Lou auf dem Rad davon gefahren war. Über den angrenzenden Schreibtisch, runter auf den Drehstuhl, ab auf den Fußboden, den kurzen Flor entlang, und mit einer Treppe, gebaut aus Büchern, ging es dann zurück ins Bett, für ein zweites Schläfchen. Sie verstand das Lou weg musste, um Geld zu verdienen. Dass sie das Geld brauchte, um Q essen kaufen zu können. Dass es eine gängige Methode war, um Waren zu tauschen. „Zu meiner Zeit, war es alles etwas anders. Ähnlich, aber dennoch anders.", erklärte Q. Lou fragte sie, wann ihre Zeit gewesen sei, aber als Antwort bekam sie nur ein Lächeln und ein: „Vor sehr laaaaanger Zeit.".
Auch Mentos schien sich mit der Situation abgefunden zu haben. Die alte Katze schlief auch weiterhin jeden zweiten Abend am Fußende von Lou. Ab und zu schnüffelte sie einmal an Q, aber die meiste Zeit über gingen sie sich aus dem Weg. Manchmal fragte Lou sich, wie ein Cuerno Cobaya wohl von nahem roch. Sie hatte ihre Nase noch nie in ein Meerschweinchen gedrückt. Wer tat so etwas auch schon? Vielleicht rochen sie von nahem nach Staub, oder Gurkensalat, frisch und wässrig, ein wenig kühl, oder nach gar nichts? Sie schwor sich, eines Nachts, wenn Q schlief, würde sie es herausfinden.
Naho harkte zum Glück auch nicht weiter nach. Was hieß hier zum Glück? Es war seltsam. Sie sah immer wieder wie ihre Schwester mit Salat nach oben verschwand. Eventuell lebte sie nach dem Motto, es früher oder später so wie so zu erfahren. Vielleicht hatte sie ihr eigenes Geheimnis, und respektierte Lou ihres daher. Oder sie wartete auf den richtigen Moment um zuzuschlagen. Defektiv war es derzeit ruhig, und das konnte auch noch eine Weile so bleiben, wenn es nach Lou ginge. Jedoch tat es das leider nicht.
Bereits vier Wochen waren nun vergangen. Mittlerweile war es Mitte August, immer noch Sommer, aber dennoch machten sich seit Tagen schon immer häufiger Gewitter breit. Es war ein nicht ganz üblicher Samstagabend, denn Lou war alleine Zuhause. Alleine mit Q und Mentos. Ihre Eltern waren für eine ganze Woche auf Usedom, einen lang ersehnten Urlaub nachholen, und würden erst am Dienstag wieder zurück sein. Naho war über das Wochenende mit ihrer Theatergruppe weg gefahren, die letze Möglichkeit, bevor die Schule wieder anfangen sollte. Eine Abschlussfahrt, nach ihrem großen Auftritt, denn Lou leider verschlafen hatte. Versunken in den tiefen eines Buches, hatte sie bis zu ersten Sonnenstrahlen des nächsten Morgen gelesen, ehe sie mit dem Buch im Gesicht einschlief.
Die Zeit verging einfach wie im Flug, eben noch stand Lou auf dem Dachboden und fand das Ei, und nun saß sie mit einem Meerschweinchen auf der Schulter, in ihrem Bett und las laut auch einem Buch vor. Q konnte lesen, sie verstand die Sprache, aber sie verstand sie nicht gut. Außerdem liebte es sie, die Augen zu schließen, und Lou ihrer warmen, weichen Stimme zu lauschen. Sich Bilder vorzustellen, die sich aus den Buchstaben ergaben, und beim zuhören ging das einfach viel besser, als beim selber lesen. So meinte Q zumindest. Anders wie Lou, die es liebte selber zu lesen. Die Striche auf den Seiten zu einzelnen Buchstaben zu formen und in ihrem Kopf in Wörter zu verwandeln. Ansonsten würde ihre Sammlung vermutlich ausschließlich aus Hörbüchern in Form von CD's bestehen, und nicht aus Büchern. Taschenbücher, gebundene Bücher, Hartcover, Schuber Sammlungen, Erst- Auflagen, Zehnt- Auflagen, mit Knicken, mit Lesegrillen, ohne Mängel, ganz neu, sehr alt, glänzend, matt, Fantasy, Romane, Psychothriller. Lou hatte alles, und sehnte sich dennoch mehr. Allerdings wollte sie nicht mehr so oft in diese Welten fliehen, seit Q bei ihr war. Wieso, weshalb und warum konnte Lou sich selbst nicht erklären, aber sie vermutete das es daran lag, das sie sich nun nicht mehr so alleine fühlte. Das jemand da war, mit dem sie sich Abend unterhielt, mit dem sie lachen und albern konnte, auch wenn es nur ein knapp ein Kilo Schweres Fellknäuel war. Vermutlich stimmte es wirklich, was Q an ihrem ersten Tag sagte, die beiden waren verbunden, und deswegen nun auch ein Herz und eine Seele.
Kopf an Wange gekuschelt und mit einem entspannenden Geräusch von plätschernden Regen auf dem Dachfenster, begann Lou aus ihrem neuen Buch vorzulesen. Ein Buch über Zeitreisen, eine gebundene Erstausgabe. Ein dunkelrotes Cover, mit einer menschlichen Silhouette, zierten den Umschlag.
„Professor Waqt hatte es endlich geschafft eine Maschine zu entwickeln, die Zeit und Raum brechen sollte. Mit der es möglich sei, in der Dimension herum zu reisen, längst vergessene, ausgestorbene Kulturen zu besuchen, und sogar die Dinosaurier zu erforschen. Lebendige, echte Dinosaurier, nicht nur die aus Film und Fernsehen, oder die Skelette und Fossilen aus Museen. Es sollte Möglichkeit werden ihr Verhalten zu studieren, was haben sie wirklich gefressen, waren Tyrannosaurierer wirklich erbarmungslose Killer? Konnte hinter ihrer Fassade nicht vielleicht doch auch ein liebevolles Elternpaar, das nur ihr Junges beschützen wollte, stehen? Das Raptoren im Rudel jagten war kein Geheimnis mehr, aber wie schafften sie es sich zu verständigen? Hatten sie wirklich alle Schuppen, oder doch Federn, oder beides? Professor Waqt wollte es wissen. Aber wissen war auch Macht, weswegen er alleine in die Urzeit reiste musste. Niemand sollte seine Erfindung nutzen dürfen, niemand sollte die Zeit verändern dürfen. Der Schmetterlingseffekt durfte nicht gestartet werden. Vorsicht und Verborgenheit musste an erster Stelle stehen!
Die Maschine landete mit einem lauten Knall neben einem Urwald. Vogelähnliche Geschöpfe schrien auf, flogen aus den Baumwipfeln Richtung Horizont. Der Professor krabbelt aus seiner Kapsel, in Smart Größe. Eine Zeitmaschine. „Endlich!", lachte er froh. „Endlich habe ich es geschafft!", stolz betrachtete er sein Werk. Die Maschine war beinahe unversehrt gelandet. Neben ihm der Urwald, auf der anderen Seite eine große Wiese, weite Steppen, auf denen die verschiedensten Arten lebten, und ein See.
Eine Herde Brachiosaurier wanderten durch einen See. Riesige grau/ blaue schuppige Dinosaurier, welche dank ihrem langen Hals und um die zwanzig Meter hoch werden konnte. Die vermutlich zweit höchste Art die je entdeckt wurde. Kleine zacken, schmal und spitz wie Nadeln, zierten den Rücken des Dinosaurier, bis zum Beginn des Schweifes.
Weit in der Ferne schien ein Räuber seine Runden zu drehen. Eine dunkle Gestalt, schätzungsweise zwölf Meter lang, mit großem Kopf, oben so geformt als hätte er die Hörner des Teufels. Oder als wäre er der Teufel persönlich. Starke Beine und kleinen kurzen Arme rundeten das Bild ab. Vermutlich ein Allosaurus. Er galt als der T-Rex der oberen Jura Zeit. Ein gefürchteter Jäger, sowohl alleine als auch in kleinen Gruppen.
Einige kleine Wesen, in gräulichen Federkleid, pickten auf dem weichen Boden, rund um den See, herum, um Insekten oder kleine Reptilien zu finden und zu fressen. Ihr Merkmal: ein kurzer gelber Schnabel. Archaeopteryx.
Auf der Steppe grasten einige Schildkrötenartige Echsen, mit einer Länge um die sechs Meter. Komplett gepanzert in grün und bräunlichen Farben. Haizahnförmige Stacheln, Knochenplatten, zierten den Körper vom kurzen Hals, bis zur Keule am Schwanzende. Am Rücken waren es insgesamt sechs Reihen, vier nach oben stehende und zwei, fünfmal so große (wie die eben genannten) Stacheln, die zu den Seiten des Sauriers zeigen. Diesen Genossen sollte man definitiv nicht von der Seite anrempeln. Der Kopf klein und flach, geschützt mit zwei weiteren stachelartigen Panzerungen die an den Wangen ebenfalls zu den Seiten zeigten. Vier weitere, nach oben geneigt, saßen über den Augen. Ankylosaurus.
Am Himmel drehten Ctenochasmatoidea ihre Kreise. Langgestreckte, vorn abgerundete Schnäbel, voll mit fast einhundert langen, dünnen Zähnen, ähnlich wie Nähnadeln. Trotz der vollbesetzen Schnautze, sollte der etwa Hüfthohe Dinosaurier keine Gefahr darstellen. Die Zähne dienten wohl ähnlich wie die eines Walen, um Plankton und kleine Fische sammeln zu können. Im großen und ganzen ähnelte der Lachsfarbene, gefiederte Freund, dem heutigen Pelikan.
Mittlerweile gab es keine Zweifel mehr. Der Professor befand sich definitiv in der oberen Jura Zeit, im heutigen Amerika. „Wow!" staunte Waqt. Es war ungewohnt so viel unbebaute Landschaft zu sehen. Bis auf seine Maschine, war dort kein Stück Natur berührt wurden. Ein funktionierendes Ökosystem, ganz ohne den Menschen, der jedoch in einigen Millionen Jahren auftauchen, und die Erde in kurzer Zeit zerstören würde. Verschiedenste Arten von Pflanzen, Wesen die man sich bis vor kurzem noch gar nicht Vorstellen konnte und der Professor konnte alles mit eigenen Augen erleben. Sehen. Mit seinen Händen spüren. Seiner Nase riechen. Er war mittendrin im Geschehen.
Waqt beschloss den Urwald unter die Lupe zu nehmen. „DerAllosaurus macht mich schon etwas nervös.", sprach er zu sich selbst. Dennwo große Fleischfresser waren, waren auch Raptoren nicht weit. In dieser Epochemüssten es Utahraptoren sein. Diese Gattung hatte eine Höhe von einem Meter siebzig und einer Längevon bis zu sieben Meter. Da sie die Form von Vögeln hatten, waren siewohlmöglich gefiedert. Schmale Schnauzte und lange Krallen. Von Raptoren allerArt war der Professor besonders angetan, fasziniert, beinahe schon besessen,aber um sie beobachten zu können, musste man vorbereitet sein. Man vermutete, dasses kluge Rudeljäger waren, das sie ein größeres Gehirn als die Meisten deranderen Dinosaurier hatten, das sie strategisch vorgehen konnten. Und sollte diestatsächlich der Fall sein, hatte Waqt keine Chance gehabt, wäre er auf einerWiese einem begegnet. Bei Zähnen von bis zu vier ein halb Zentimeter Länge,einer knapp fünfundzwanzig Zentimeter großen Sichelkralle an den inneren Zehen undeiner Laugeschwindigkeit mit bis zu vierzig Km/h, war es reiner Selbstmordeinem solchem Killer vor die Linse zu treten. Mit geschätzten fünfhundertKilogramm, sprangen die Monster auf ihreOpfer und brachten sie so aus dem Gleichgewicht, zu fall, und gaben ihr Letztendlich mit Bissen und Krallenhieben den Rest.
Unbarmherzig, qualvoll und blutig. So schien der Alltag eines Raptores zu sein.
Rund zwei Stunden lang schlich er durch das Gebüsch. Gigantische Blätter, größer als er selbst, mussten bei Seite geräumt werden. Schon zweimal stolperte er über die Wurzeln auf dem Boden. Er folgte dem Geräusch eines Baches. Plätschernd, ruhig, vermutlich beinahe ohne Strömung. Irgendwo musste ein Teich sein. Die Bäume um ihm herum waren so groß, das er kaum noch den Himmel sehen konnte. Alles war bedeckt mit Baumkohnen, herabfallenden Blättern und Blüten und trotzdem war es nicht dunkel. Er konnte gut und klar sehen, sogar die Vögel, Anurognathidae, die oben in den Bäumen auf ihn in absahen, ihn zu beobachten schienen, erkannte er klar und deutlich. Mit einer Flügelspanweite von grade mal einem halben Meter, sollten aber auch diese bunten Geschöpfe keine Gefahr darstellen. Der froschartige, kurze, hochgewölbte Schädel, erinnerte an eine Fledermaus. Das seltsame war nur, das bisher nur in China Exemplare gefunden wurden. Was taten sie also hier? Eventuell, wurden bereits erste Anzeichen dieser Art gefunden, aber für eine Andere gehalten, weil nicht genug beweise Vorlagen.
Aber Professor Waqt wollte sich noch nicht mit derartige Forschungen die Zeit vertreiben. Er wollte nur erkunden, sehen, was vor ihm noch niemand gesehen hatte, und dann nach Hause, bevor seine Maschine überrumpelt wird, oder ihr der Sprit ausginge. Doch er schwor sich, er würde wiederkommen.
Endlich fand er den Bach und den dazugehörigen See. Zwei weitere Dinos hatten sich den Platz wohl schon zu ihrem Zuhause gemacht. „Wo Wasser war, war auch Leben.", dachte er. Grünliche, neun Meter lange Dachechsen, Stegosaurier, liefen am Teichrand Patrouille. Ein stark gewölbter Rücken und kurze Vorderbeine, sorgten dafür das sein schmaler Kopf nahe des Bodens hing, während sein Schweif in die Höhe zeigte. Insgesamt achtzehn Knochenplatten (pro Seite neun), Rauten oder Dreiecke, zogen sich von dem Nacken bis zum Ende des Schweifes. Aus welchem im Übrigen vier riesige Stacheln zur Verteidigung ragten. Sein Körper war jedoch nicht nur zur Abwehr ausgestattet, sondern auch zum austeilen.
Der Professor legte sich auf den Boden und kroch unter eine der Pflanzen, dessen Blätter dunkelgrün und so groß wie sein eigener Rumpf waren und die Blüten, violett, so groß wie seine Hände. Er beobachtete die schuppigen Zeitgenossen, wie sie weiterhin in der Sonne auf und ab marschierten. Sein Blick viel nach rechts, und erkannte etwas, das aussah wie ein Nest. Etwas rührte sich. Er kniff die Augen zusammen und versuchte sich auf einen Punkt zu konzentrieren. Grade einmal zwanzig Meter trennten ihn, von den Echsen, die ihm mit einem Schlag umbringen konnten. Zwanzigmeter, waren etwas länger wie zwei Stegosaurier zusammen. Ausgewachsene. Aber das im Nest war kein ausgewachsenes Exemplar, es war ein Jungtier. Nicht einmal einen Meter lang. Der Professor lächelte. Ein echtes Dinosaurier Baby. Nun verstand er auch, warum die großen Echsen auf und ab liefen. Ihre Brut war dabei zu schlüpfen, und sie waren auf der Hut, um sie vor möglichen Fressfeinden schützen zu können.
Neben dem Schnauben der Stegosaurier, dem Rascheln der Blätter in den Baumkronen und das leise Plätschern des Baches, drang nun ein neues Geräusch an die Ohren des Professors. Eine Art knurren, ließ ihn erstarren. Es hatte etwas von einem rauchigen Ton, es schien zu keckern und knurren. Zu fauchen. Die riesigen Echsen drehten sich mit dem Kopf vom Teich weg und schienen in den dunklen Urwald zu starren. Knackende Äste, immer lauter raschelende Blätter und Schritte. Die Erde schien zu beben, ohne dass sie sich auch nur einen Zentimeter bewegte. Professor Waqt hielt die Luft an, starrte und zitterte. Einer der Stegos, machte einige Schritte nach vorne, es schien, als versuchte er in das Dickicht zu blicken, doch auch er schien nichts sehen zu können.
Wieder ein Geräusch. Es schien dem Fauchen einer Katze nahe zu kommen. Nur war es viel lauter, beinahe Ohrenbetäubend und es sorgte für einen kalten Schauer im Rücken. Waqt ahnte bereits auf was er da gestoßen war, und es gefiel ihm gar nicht.
Wieder ging der Stego einige Schritte nach vorne. Das Rascheln wurde lauter und lauter. Dann plötzlich: toten Stille. Bis auf seinen eigenen Herzschlag, hörte der Professor gar nichts mehr. Bumm, bumm, hämmerte es.
Bumm, bumm.
Bumm, bumm.
Der Saurier kehrte dem Gebüsch den Rücken, schien zu (vermutlich) seiner Partnerin zurück zu kehren. Kaum aber, hatte er sich umgedreht, knackte es. Ein Wal ähnliches Stöhnen kam aus der Richtung des Nestes. Aus seiner Position, konnte der Professor kaum erkennen was passierte. Er vermutete, dass ein weiteres Jungtier geschlüpft sei, und sich das erste erschrak. Vielleicht hatte es aber auch Hunger und rief deswegen nach seinen Eltern. Oder... Seine Gedanken wurden erneut von einem fauch ähnlichen Geräusch unterbrochen. Dieses Mal klang es ganz nah. Eine Mischung als klacken und hämmern folgte, als würde man etwas auf einen alten Baumstumpf schlagen. Dann wieder totenstille.
Bumm, bumm.
Bumm, bumm.
Zwei Raptoren sprangen aus den Büschen hevor und auf den ersten Stegosaurier. Kurze, blaue Federn, an den Armen und der Schwanzspitze lang, und eine orangene, mit Zähnen besetze Schnauzte. „Utharaptoren.", flüsterte der Professor, den Atem noch immer gestoppt, mit einem hämmernden Herzen in der Brust.
Ein dritter Raptor trat hervor, schlich um seine Kollegen herum, Richtung Nest. Der zweite Stegosaurier rannte ebenfalls auf die Brut zu. Waqt wusste nicht was er tun sollte. Sollte er rennen? Dort bleiben? Scheinbar bemerkten sie ihn nicht. Vielleicht gab es einen Vierten, der ihn gleich angriff. Vielleicht war er ihnen aber auch einfach egal. Was wollte man mit einem 90 Kilo schweren Mann, wenn man eine ganze Stegosaurier Familie haben konnte? Er blieb liegen, biss sich auf die Zunge um nicht vor Angst los zu schreien. Er sah, wie das Jungtier aus dem Nest sprang, unter dem Bauch der Mutter, Richtung See rannte. „Lauf!", dachte er. „Du schaffst das!". Zwei der Raptoren waren mit dem ersten Stego beschäftigt, der Dritte mit dem Zweiten. Seine Augen wanderten von dem einem Geschehnis zum anderen, bis sie in einem Gebüsch hängen blieben. Dreißigmeter, stark rechts von ihm, starrten gelbliche Augen zu ihm rüber. Waqt schnappte nach Luft. Er und die Augen, gaben sich ein starr Duell. Wieder ein fauchen. Doch dieses Mal sprang niemand in die Richtung der Stegos. Ein Utha- Jüngtier, grade einmal einen halben Meter hoch, sprintete auf seine Position zu. Er drehte seinen eigenen Kopf von seinem Angreifer weg, sah noch einmal zu seinem kleinen Stego. „Renn!", schrie er dieses Mal, und wünschte sich, das der kleine Racker es schaffen würde, sich in Sicherheit zu bringen. "
Ein lautes Donnergrollen machte sich breit und ließ den Dachstuhl jaulen und knarzen. Für einen kurzen Moment wurde alles finster. Dann ließ ein Blitz den Raum in Licht ertrinken. Ein Mädchen und ein Geisterwesen saßen mit Herzrasen und weit aufgerissenen Augen in einem Bett, starrten ins nichts. Niemand traute sich etwas zu sagen. Der Schock ließ sie verkrampfen. Lou umklammerte das Buch, als würde ihr Leben davon abhängen. Spannte ihre Hände und Unterarme so sehr an, das sie bereits schmerzten.
Die Tropfen vom Regen waren nun schon keine Tropfen mehr. Es waren Kugeln, die auf das Dachfenster hämmerten, die versuchten es einzudrücken, um ins Haus zu gelangen. Das Gewitter hatte sie nun endgültig erreicht, und es war nicht sonderlich freundlich. Statt Blumen und Schokolade, brachte es Zerstörung.
Lou nahm das kleine Wesen von ihrer Schulter, setze sich auf, und hielt es auf ihrem Bauch fest. „Was wohl aus dem kleinen Stegosaurier wird?", flüsterte es. Lou zuckte nur mit dem Schultern. Auch sie fragte sich was aus ihm wurde, aber weiter lesen wollte sie momentan auch nicht. Das Professor Waqt da irgendwie heile raus kam, war logisch. Er war der Hauptprotagost des Buches, da würde man ihn nicht schon auf der zehnten Seite sterben lassen.
Wieder ließen Blitz und Donner alles erzittern. Der Raum wurde wieder erhellt, das Holz knarzte und die beiden Freunde zuckten erneut zusammen.
Dann aber war etwas anders. Lou hörte ein Poltern, ein Rumsen. Beinahe so, als würde jemand Möbel umwerfen. Für einen kurzen Moment, vermutete sie schon, der Blitz hätte eingeschlagen und ein riesiges Loch in ihr Dach klaffen lassen. Q wirkte plötzlich benommen, erschöpft, abwesend.
Es rumste wieder und ein Jagdhorn ähnliches Geräusch machte sich kurz breit. Es kam definitiv aus ihrem Wohnzimmer, aber was war es? Lou zwang sich auf die Beine, schaltete die Taschenlampen Funktion ihres Handys ein, und schlich mit Q in ihren Armen hinüber. Das Gewitter hatte alles abkühlen lassen, beinahe fröstelnd trat Lou einen Fuß vor den Anderen. Unter Beobachtung von Mentos drückte sie langsam und vorsichtig die Türklinke hinunter. Klick.
Einen kleiner Spalt musste reichen. Sie hielt das Handy in den dunklen Raum und linste hinein. Eines ihrer großen Bücherregale lag, mit der offenen Seite, auf dem Boden. Einige der Bücher waren drunter begraben, andere lagen daneben. Zwei weitere Regale waren ebenfalls beinahe leer, standen aber noch an ihrem Platz. Aufgeschlagene Bücher, zerknickte Seiten, fehlende Ecken. Immerhin war das Dach noch ganz.
Wieder ein Donnergraulen, gefolgt von dem Jagdhorn.
Lou riss nun die Tür auf, ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Langsam trat sie in das Zimmer, blickte sich um, und als sie sah, was diesen Schaden anrichtete, traute sie ihren Augen nicht. Klick.
Dank dem Blitzlicht machte Lou ein Foto von der etwa einen Meter großen, gepanzerten Echse. Schmaler Kopf, große Knochenplatte auf dem Rücken, Stacheln am Schweifende, grünliche Farbe. Ein Stegosaurier Junges hockte zusammengekauert hinter ihrem Sofa und knabberte eines ihrer Lieblingsbücher an. „Q. Wach auf Q!", flehte Lou, doch das Meerie schlief weiter auf ihrem Arm.
Der Stego stand auf, jaulte, ging auf sie zu. Es folgten Blitz und Donner, Lou schloss die Augen um nicht geblendet zu werden. Doch als sie sie wieder öffnete, war keine Echse mehr vor ihr. Nur das Chaos und das Gewitter schienen sie zu umgeben. Klick, machte es wieder, im selben Moment wie das Licht ansprang.