Bei dieser Challenge geht es darum, über eine Kurzgeschichte die handwerklichen Möglichkeiten erforschen, die man beim Schreiben hat. Persönlich sehe ich Kurzgeschichten meist als Möglichkeit an, etwas 'hochwertigere' Texte zu schreiben, mit einer Aussage, bestens durchgeplant und komponiert.
Nicht, dass ich der perfekte Autor bin, aber das ist so das Ziel, das ich anstrebe. Kurzgeschichten machen das einfach, weil man keinen langen Plot im Kopf behalten muss, sondern alles so kurz und knackig wie möglich formulieren kann.
Aber fangen wir direkt an, denn ich denke, mit einem Beispiel erklärt sich das leichter!
Für diese Übung sollst du dir ein Stichwort oder Thema suchen. Ich nehme mal 'Zwillinge' - das darfst du gerne ebenfalls nehmen, denn ein passendes Thema zu finden, kann auch kompliziert sein. Es muss etwas sein, dass man von mehreren Seiten beleuchten kann, gerne sogar ein mehrdeutiges Promptwort, etwas, wozu man verschiedene Sichtweisen und Standpunkte einbringen kann.
Zwillinge sind da noch unverfänglich, weil nicht politisch.
Jetzt ist es nicht damit getan, eine Geschichte zu schreiben, in der Zwillinge vorkommen. Oder, sagen wir, das wäre Level 1. Nun können wir aber noch abstrahieren. Welche Aspekte gibt es, die mit Zwillingen zusammenhängen? Das ist ein faszinierendes Konzept - zwei Menschen, die zur gleichen Zeit und unter den gleichen Umständen zu Welt kommen, wahrscheinlich gleich aufwachsen. Hier kann man darüber diskutieren, wie unsere Erfahrungen während der Kindheit bestimmen, wer wir sind. (In dem Fall wären die Zwillinge genau gleich). Und dagegen, wie viel unseres Charakters wir selbst bestimmen. (Die Unterschiede zwischen beiden.) Das ist eine große Debatte in allen Wissenschaften, die sich mit Entwicklung auseinandersetzen. Gerade bei eineiigen Zwillingen ist es spannend, zu untersuchen, wo sie zwingend gleich, wo anders wären. Man kann auch die Familie eingehen und wie diese die Zwillinge behandelt.
Aber man kann natürlich auch in Richtung Horror gehen, mit verfluchten Spiegelbildern und Doppelgängern, sowohl eigenen als auch denen von geliebten Menschen. Was ist mit einem Wesen, das zwar aussieht wie eine bekannte Person, aber nicht diese ist? Oder mit gruseligen Zwillingsgeistern am Ende von Hotelfluren?
Spiegel können aber auch allgemein ein Thema sein. Zum Beispiel in Form von spiegelbaren Namen (Anna, Hannah) oder Spiegelgedichten oder vielen Objekten und Spiegelbildern im Verlauf der Geschichte. Vielleicht spiegeln sich ja auch zwei Sachverhalte, Charakterentwicklungen oder die Handlung selbst ist ein Spiegelbild von etwas oder sich selbst.
Genauso können Zwillinge auch Streichespieler sein, die ihre Ähnlichkeit nutzen, um andere zu täuschen. Oder es kommt zu folgenreichen Verwechslungen. Oder der klassischen Geschichte der neidischen Schwester, die den Platz ihres Zwillings einnimmt. Generell kann man auch damit spielen, was geschieht, wenn unzertrennliche Zwillinge getrennt werden.
Und was ist eigentlich mit siamesischen Zwillingen - eine ganz neue Box!
Vielleicht bist du aber auch der Meinung, dass es in Geschichten zu viele eineiige und nicht genug zweieiige Zwillinge gibt und du willst diesen etwas mehr Aufmerksamkeit schenken.
Oder ist einer der Zwillinge nicht real?
Oder sind es Drillinge?
Mein Argument ist, dass viele Themen deutlich besser ausgebaut werden könnten, als man es oft tut. Das heißt natürlich nicht, dass jede Kurzgeschichte so aufgebaut sein muss, aber ich will euch hier ermutigen, es wenigstens einmal zu versuchen. Nehmt euch ein Thema und schreibt - gerne in Form einer Mindmap - alles auf, was euch dazu einfällt, egal, wie abstrakt es wird. Überlegt euch dann eine Kurzgeschichte, die möglichst viele dieser Themen enthält. Macht es komplex, bringt versteckte, abstraktere Themen mit ein und tobt euch aus. Vielleicht kehrt ihr nie wieder zu diesem Stil zurück, oder ihr lernt etwas, das ihr auch in actionreichen Fantasyromanen einbringen könnt. (Denn mal ehrlich, mit etwas Gedankenfutter und Gesellschaftskritik fühlen die sich gleich viel runder an!)