… ein Abenteuer-Spielbuch?
Ein Abenteuer-Spielbuch ist eine wunderbare Geschichte, die es deinem Leser ermöglicht, am Ende eines jeden Kapitels eine Entscheidung zu treffen und damit Einfluss darauf zu nehmen, wie die Geschichte weitergeht. Klassischerweise besteht die Geschichte aus kurzen Kapiteln, an deren Ende zwei Optionen zur Auswahl stehen – je nachdem, welche man wählt, liest man auf einer anderen Seite weiter, zu der man oft erst einmal lange blättern muss. Dort erwartet dich die Auflösung, was deine Entscheidung für Folgen hat, und entweder eine neue Entscheidung oder – der Tod! Denn man kann auch in eine Falle tappen und sterben, worauf man von vorne beginnen muss.
Spielbücher sind meist in der Zweiten Person Singular (Du) geschrieben und behandeln eine Abenteuergeschichte: Die Suche nach einem magischen Artefakt oder der Versuch, eine Fantasywelt zu retten, dabei kann man auf Gegner und Helfer treffen und Objekte sammeln, die einem später weiterhelfen. Oftmals muss man das Buch mehrmals lesen, bevor man überhaupt das richtige Ende erreicht und das Abenteuer überlebt!
Auf Schreibplattformen im Internet existiert verbreitet noch eine weitere Untergruppe der Spielbücher, in denen der Leser (typischerweise ein junges Mädchen) mit den (männlichen) Charakteren einer Geschichte interagieren und Beziehungen aufbauen kann.
Es gibt auch noch weitere Variationen dieser Geschichten. Während die meisten dieser Geschichten dem Protagonisten („Du“) überhaupt keine Eigenschaften zuschreiben, damit der Leser sich selbst hineindenken kann, gibt es andere Reihen, die dem Leser eine Rolle verleihen, in die dieser schlüpft – beispielsweise die Buchreihe um „Einsamer Wolf“, bei der der Leser die Rolle eines Kriegermönchs übernimmt, oder die Buchreihe „Die Welt der 1.000 Abenteuer“, wo der faule Vetter des Hauptcharakters jeweils eine tragende Rolle spielt. Beide Buchreihen sind außerdem dafür bekannt, den Rollenspielcharakter der Geschichten zu betonen, so kann der Leser/Spieler zu Beginn eine von mehreren besonderen Fähigkeiten auswählen, die ihm im weiteren Abenteuer hilft, Gefahren zu entgehen, die ohne diese Fähigkeit nur mit viel Glück oder Blessuren überstanden werden können.
Davon abgesehen gibt es auch Schreibplattform-Spielbücher, die auf die Rückmeldung der Leser angewiesen sind, dort gibt der Autor entweder zwei oder mehrere Optionen vor und schreibt mit der weiter, die den meisten Zuspruch bekommt, oder nimmt Vorschläge der Leserschaft an, um einen derjenigen zu verwenden – hier gibt es oft nur einen Handlungsstrang, weshalb diese Spielbücher nur „live“ zu spielen sind – für spätere Leser ergibt sich eine durchgehende Geschichte ohne die Möglichkeit einer Einflussnahme.
Schließlich gibt es auch „interne“ Variationen: Nicht jedes Kapitel endet in zwei neuen Entscheidungen oder dem Ende, ein Kapitel kann unendlich viele Entscheidungsmöglichkeiten bieten, außerdem gibt es „Tunnelkapitel“, die nur eine einzige Option zur „Wahl“ stellen. Die Länge der Kapitel, das Thema des Spielbuchs und vieles weitere bietet vielfältige Möglichkeiten. Doch es bleibt die entscheidende Frage dieses Kapitels: Wie schreibe ich eine solche Geschichte? Wie behalte ich bei unendlichen Möglichkeiten die Übersicht? Und wie mache ich die Geschichte dabei noch logisch, spannend und lang genug?
- Wir unterbrechen das laufende Programm für eine kurze Linkpause -
https://de.wikipedia.org/wiki/Spielbuch
https://de.wikipedia.org/wiki/Einsamer_Wolf_(Spielbuch)
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Welt_der_1000_Abenteuer
Das Belletristica-Spielbuch: https://belletristica.com/de/text/kapitel-i-30965
- Und nun zurück zur Sendung! -
Vorüberlegungen:
Welches Thema kriegt meine Geschichte – und für wen schreibe ich?
Wie bereits oben erwähnt, sind nicht alle Spielbücher gleich. Die Entscheidung über deine Leserschaft sagt dir, welches Thema und welchen Stil du in deiner Geschichte verwenden willst.
Klassisches Spielbuch: Eine Abenteuergeschichte, die Kapitel enden in Entscheidungen, die man trifft, indem man zu einem der angegebenen Kapitel blättert und dort weiter liest.
Live Spielbuch: Der Autor schreibt jeweils ein Kapitel und wartet auf die Rückmeldung des Lesers/der Leser. Es wird nur jeweils eine Option geschrieben, wer hier später einsteigt, hat keinen Einfluss mehr auf die Geschichte, außerdem ist der Autor stark auf die Rückmeldung angewiesen, dafür können die live-Leser auch eigene Optionen erfinden und die Geschichte stärker beeinflussen.
Role-Play-Spielbuch: Der Leser schlüpft in eine vorgegebene Rolle und kann verschiedene Fähigkeiten wählen, die im Laufe des Abenteuers als Entscheidungsoption eingesetzt werden können.
Fantasy-Spielbuch: Der Leser muss eine Fantasy-Welt retten, begegnet Fabelwesen und kann oft Magie nutzen.
Historisches Spielbuch: Der Leser kann Abenteuer in einer vergangenen Zeit erleben.
Fanfiction-Spielbuch: Der Leser kann die Welt einer bestimmten Geschichte bereisen, Charaktere dieser Geschichte treffen und mit ihnen interagieren.
Romantisches Spielbuch: (oft auch als Fanfiction) Der Leser begegnet einem oder mehreren möglichen romantischen Partnern und kann mit diesen interagieren.
Umfang und Design:
Was kann mein Leser erleben?
[Für Klassische und Role-Play-Spielbücher] Sei dir unbedingt darüber im Klaren, dass schon ein kleiner Spaziergang in der Sonne in einem Spielbuch mit mehreren Optionen zu einem unübersichtlichen Wust wird. Überlege dir also zuerst einen Rahmen für deine Geschichte. Insbesondere bei deinem ersten Spielbuch solltest du hier lieber untertreiben.
Beantworte folgende Fragen:
Möchte ich nur ein gutes Ende haben oder gibt es mehrere Möglichkeiten, wie die Geschichte gut ausgehen kann?
Was sollte auf jeden Fall in der Geschichte passieren? Kämpfe, Begegnungen, Mutproben …
[Für Live-Spielbücher] Überlege dir eine sehr grobe Richtung für deine Geschichte, am besten nur einen Startpunkt und ein Ziel, das erreicht werden sollte – sowie vielleicht einzelne Objekte, die dafür gebraucht werden. Halte dir jedoch viel Freiraum, um auf deine Leser einzugehen. Des weiteren muss dir klar sein, dass Rückmeldungen manchmal auf sich warten lassen – dafür solltest du einen Notfallplan haben („Wenn sich niemand meldet, wird eine Option ausgewürfelt“ oder „Ich warte notfalls drei Jahre, bis sich jemand meldet“).
Beantworte folgende Fragen:
Wie lange soll die Geschichte laufen?
Gibt es Regeln für die Mitspieler – keine Fanfiktion-Charaktere beispielsweise?
Wie frei sollen die Leser entscheiden dürfen? Gibt es eine Auswahl an Möglichkeiten oder können die Leser frei Vorschläge machen? Oder beides?
Entscheidungsmöglichkeiten
Wie genau plane ich das alles denn?
In einem Spielbuch kann es zu verschiedenen Entscheidungen kommen. Wenn deine Leser immer nur zwischen zwei Optionen wählen dürfen, kann es auch langweilig werden, außerdem funktionieren diese Optionen nicht immer – was, wenn du zum Beispiel Pech und Glück mit einbauen willst?
Deswegen gibt’s hier eine Übersicht darüber, was du alles machen kannst:
Das klassische Kapitel: Es gibt einen kurzen Text, dann werden dem Leser zwei (oder mehr) Optionen geboten, zwischen denen er wählen kann.
Passwortkapitel: Wenn dein Leser einen Gegenstand findet oder eine Fähigkeit hat, den/die er später einsetzten kann, stehst du vor einem kleinen Problem. Du kannst an der entsprechenden Stelle, wo der Gegenstand/die Fähigkeit zum Einsatz kommt, eine Option mit folgendem Wortlaut schreiben: „Wenn du mit Tieren reden kannst (und nur dann!!!) kannst du in Kapitel XY weiterlesen.“ – allerdings hält nichts deine Leser davon ab, Kapitel XY zu lesen, ohne die Fähigkeit zu haben!
Dazu gibt es Passwörter. Wenn dein Leser die Fähigkeit wählt oder erhält, kannst du etwas in dieser Art schreiben: „Du kannst mit Tieren sprechen! Merke dir die Zahl 3!“
3 ist hier das Passwort, das man nur kennt, wenn man die Fähigkeit besitzt. Soll diese zum Einsatz kommen, steht als Option da: „Fähigkeit: Mit Tieren sprechen. Addiere die Zahl, die ich dir genannt habe, mit 2 und lies bei dem Kapitel weiter, das du so errechnet hast.“
Oder, wenn ein Gegenstand nur einmal verwendet wird:
„Gegenstand gefunden: Die Karte. Du kannst diesen Gegenstand einmal im Abenteuer einsetzen. Wenn du die Option dazu siehst, lies weiter bei Kapitel 4.“
Tunnelkapitel: Wie bereits oben erwähnt, gibt es hier nur eine einzige Option am Ende: Lies weiter bei … .
Das kann nötig sein, wenn mehrere Kapitel im gleichen Kapitel enden sollen.
Zum Beispiel: Dein Leser muss ein Labyrinth durchqueren, dazu gibt es mehrere Möglichkeiten: Der Leser kann am Ende eines jeden Kapitels links oder rechts abbiegen, macht er das mehrmals richtig, hat er den richtigen Weg gefunden!
Dein Leser hat vielleicht vorher eine Karte gefunden, die er lesen kann (Dies ist eine zusätzliche Option im ersten Labyrinthkapitel).
Dein Leser spricht mit Tieren und kann einen großen Adler rufen, der ihn über das Labyrinth trägt. (Dies wäre eine optionale Fähigkeit, die nicht alle Leser haben – wer sie hat, kann diese Fähigkeit im ersten Kapitel anwenden.)
Das sähe folgendermaßen aus:
Kapitel 1: Du stehst im Labyrinth!
Kannst du mit Tieren sprechen, rufe Hilfe. Addiere die Zahl, die ich dir genannt habe, mit 2 und lies bei dem Kapitel weiter, das du so errechnet hast.
Hast du die Karte gefunden, kannst du sie hier einsetzen. Lies bei dem Kapitel weiter, das ich dir genannt habe.
Hast du weder die Karte noch die Fähigkeit, gehe nach links zu Kapitel 2 oder nach rechts zu Kapitel 3.
Kapitel 2: Eine Weggabelung!
Gehe links: Kapitel 6
Gehe rechts: Kapitel 3
Kapitel 3: Du hast dich verlaufen! Dein Abenteuer endet hier.
Kapitel 4: Du liest die Karte und findest den Weg ohne Probleme. Lies weiter bei Kapitel 6!
Kapitel 5: Du rufst einen Riesenadler, der dich zum Ausgang trägt. Lies weiter bei Kapitel 6!
Kapitel 6: Du hast den Ausgang gefunden! Herzlichen Glückwunsch. [Nächste Option folgt …]
Das war jetzt ein sehr geradliniges Beispiel, trotzdem siehst du hier sowohl die Passwörter in der Anwendung, als auch mehrere Tunnelkapitel. Diese Tunnel sind hier nicht unbedingt notwendig, du hättest auch so enden können:
Kapitel 4: Du liest die Karte und findest den Weg ohne Probleme. Du hast den Ausgang gefunden! Herzlichen Glückwunsch. [Nächste Option folgt …]
Kapitel 5: Du rufst einen Riesenadler, der dich zum Ausgang trägt. Du hast den Ausgang gefunden! Herzlichen Glückwunsch. [Nächste Option folgt …]
Doch jetzt hast zwei nahezu identische Kapitel. Wären diese nur ein wenig länger, wird das schnell zu einem unübersichtlichen Texthaufen.
Allgemein ist es natürlich kein Problem, bei einem solchen Projekt etwas zu kopieren – Beschreibungen von Orten oder Personen möchte man ungern dreimal hintereinander schreiben. Außerdem besteht die Gefahr, dass du dann etwas vergisst und ein Leser ganz andere Informationen hat als ein anderer!
Tunnelkapitel sind dabei nur ein Kniff, um ein wenig Platz und Beschreibung zu sparen.
Schicksalsfragen: Wenn du dein Abenteuer nicht nur vom Geschick des Lesers, sondern auch vom Schicksal abhängig machen willst, kannst du die Optionen auch leicht abwandeln:
Kapitel 9: Eine Horde wilder Büffel rennt auf dich zu. Du sprintest zum Zug, aber bist du schneller als die Tiere?
Wirf einen Würfel!
Bei einer ungeraden Zahl, lies weiter bei Kapitel 10.
Bei einer geraden Zahl, lies weiter bei Kapitel 11.
Kapitel 10: NEIN. Die Büffel überrennen dich, du bist tot, Mufasa!
Kapitel 11: JA! Du springst auf den fahrenden Zug und entkommst. Im nächsten Bahnhof […]
Auf Belle kann man ja leicht im Spieleraum würfeln. Für andere Plattformen gibt es auch die Möglichkeit, deinen Leser einfach eine Zahl wählen zu lassen.
Die Chancen kannst du natürlich anpassen, etwa: „Würfele oder wähle eine Zahl von 1-6. Bei 1 oder 6, lies weiter bei X, bei allem anderen, lies weiter bei Y.“
Bevor du schreibst …
Wenn du ein Live-Spielbuch schreiben willst, bist du hier eigentlich fertig. Immerhin arbeitest du sehr spontan und gehst auf deine Leser ein. Durchlesen kannst du den Rest trotzdem, denn vielleicht findest du ja noch ein paar hilfreiche Sachen.
[Für den Rest] Ein Spielbuch beinhaltet eine Menge Planung und Vorarbeit. Es hilft, sich von Anfang an einen Plan zu machen, der immer detaillierter wird. Zeichne beispielsweise eine Landkarte und markiere Orte, wo dein Leser einem Charakter begegnet. Zeichne Straßen und Wege ein, so sieht du es immer, wenn dein Leser an eine Kreuzung kommt und welche Straßen ihm dort zur Auswahl stehen. Außerdem kannst du gleich die Umgebung einzeichnen und weißt, was du beschreiben musst.
Ebenfalls kann ein Cluster sehr hilfreich sein, bei dem du von unten nach oben die einzelnen Orte einträgst, und dann über Pfeile markierst, wohin dein Leser von dort gehen kann.
Nach dieser Übersicht erstellst du, am besten in einem separaten Dokument, eine Tabelle mit vier Spalten und beliebig vielen Zeilen.
Dies wird eine Übersicht über deine Geschichte, wobei jede Zeile einem Kapitel (oder Abschnitt) entspricht.
Die erste Spalte enthält einen Code, den du deinen Kapiteln verleihst. (Dieser wird später dazu genutzt, den „Zufallsgenerator“ zu ersetzen. Wenn du deine Kapitel einfach der Reihenfolge nach hochladen möchtest, sodass der Leser nicht im Buch hin und her springt, sondern einfach weiter nach vorne liest, kannst du hier auch normale Zahlen verteilen und eine der vier Spalten weglassen!)
Hier nummerierst du die Kapitel einfach nur durch, am besten mit einem Buchstaben vor den Zahlen. Zum Beispiel: SB001 – SB für „Spielbuch“. Ich empfehle mindestens dreistellige Zahlen, denn man ist leicht bei über hundert Kapiteln. Dieser Code wird, wenn du mit der Geschichte fertig bist, durch die eigentlichen Zahlen ersetzt.
Damit die Option „Suchen & Ersetzen“ dabei keine Probleme macht, schreibst du immer einige Buchstaben dazu – Wenn du die Kapitel einfach 1, 2, 3 und so weiter nennst, würdest du bei „Suchen & Ersetzen“ JEDE 1 durch die neue Nummer ersetzen. Außerdem ist es wichtig, lieber mehr Nullen zu verwenden als zu wenige. Wenn du mit der Nummerierung SB01 anfängst und irgendwann von SB99 auf SB100 springst, gerätst du in Schwierigkeiten, da „Suchen & Ersetzen“ bei dem Code SB10 auch einen Teil von SB100 ersetzt. Wenn du also später SB10 durch die Zahl 9 ersetzt, wäre SB100 plötzlich 90, SB101 wäre 91 und so weiter. Dadurch würdest du den Überblick verlieren und schlimmstenfalls nicht einmal mehr wissen, welche Entscheidung zu welchem neuen Kapitel führt, auf jeden Fall wäre es aber eine Menge zusätzlicher Arbeit für dich (Und ja, ich erwähne das so deutlich, weil mir das mal passiert ist.)
Die zweite Spalte ist die breiteste Zeile. Hier beschreibst du sehr kurz den Inhalt deines Kapitels. Betritt dein Leser hier einen neuen Ort? Dann gebe den Namen des Ortes an. Trifft er einen Gegner, nenne den Gegner, bei einem Helfer den Helfer. Wenn deinem Leser eine Aufgabe aufgegeben wird, die er lösen muss (beispielsweise eine Entscheidung, die er richtig oder falsch treffen kann), schreibst du hier die Aufgabe hin und in die nächste Zeile mögliche Folgen. Beispielsweise:
SB001 – Wiese, findet Schlange
SB002 – Schlange aufheben – tot!
SB003 – Schlange ignorieren, weiter: Wald …
Die dritte Spalte lässt du erst einmal leer. Wenn du mit der Geschichte fertig bist und weißt, wie viele Abschnitte es gibt, wirst du in der dritten Zeile die Nummern verteilen. Der erste Abschnitte und Anfang der Geschichte trägt dabei die Nummer ein, danach verteilst du die Nummern zwei bis [Anzahl deiner Kapitel] zufällig in der dritten Spalte, um die Texte durcheinander zu mischen.
Tipp: Wenn du nicht die ganze Geschichte auf einmal hochladen willst, sondern beispielsweise immer nur zwanzig Kapitel auf einmal, kannst du immer die nächsten zwanzig Zeilen nummerieren, so haben deine Leser bei jedem Hochladen neue Kapitel, die sie lesen können, und müssen nicht warten, bis alles da ist.
Die vierte Spalte ist Platz für deine Notizen. Hier kannst du beispielsweise eintragen, wie viele Entscheidungen es hier gibt, zu denen noch kein Text existiert, oder ob dein Leser einen Gegenstand findet, den er später verwenden kann. Nutze diese Spalte, um den Überblick zu behalten.
Das ist beispielsweise die Tabelle für den Einstieg zu der „Reise durch Phantasma“ von meinem Symbiwirten. In der ersten Spalte stehen hier noch reine Buchstaben-Codes, von denen wir später Abstand genommen haben: Mit dem neuen Schreibprogramm wurden diese Codes immer korrigiert, aus AB wurde Ab, und die Funktion „Suchen & Ersetzen“ hat damit auch mehrere normale Wörter verhauen.
Damals haben wir die Funktion noch nicht genutzt und die Zahlen per Hand eingetragen – das kann man natürlich machen, dann scrollst du allerdings immer wieder durch das Dokument und suchst nach „AA“, um dort „1“ hinzuschreiben, dann nach „AB“, um es durch „13“ zu ersetzen und so weiter.
Eine weitere Sache, die wir inzwischen nicht mehr machen, die aber sehr hilfreich für den Anfang war: Die Entscheidungen kursiv zu markieren. So konnte man immer gucken, wie viele Entscheidungen es gibt, und nachsehen, ob auch für jede Entscheidung das entsprechende Kapitel geschrieben wurde.
Du merkst beim Schreiben, dass du noch eine Entscheidung einbauen willst? Oder du hast eine Entscheidungsfrage falsch eingeplant? Das kommt immer wieder vor. Du schreibst beispielsweise in einer Zeile: „Haie! Glück/Pech“ – das heißt, der Leser begegnet einigen Haien und kann richtig entscheiden (Glück) oder falsch (Pech). Bei Glück geht es weiter, bei Pech nicht, doch in der nächsten Zeile steht dann nur, wo es weiter geht, wenn der Leser Glück hat – du hast also vergessen, auch die Optionen in einzelne Kapitel zu packen.
Korrekt müsste es so aussehen:
SB012 Haie – Schicksal!
SB013 Pech: Tot
SB014 Glück: Strand …
Du hast aber nur:
SB012 Haie! Glück/Pech
SB013 Strand: …
Keine Panik. Neue Zeile einfügen, und ein neues Kapitel planen!
Damit du nicht alles neu nummerieren musst, „spaltest“ du einen der Codes auf:
SB012a Haie – Schicksal!
SB012b Pech: Tot.
SB013 Glück: Strand …
Achtung: Lass nicht einen der Codes normal, also nicht “SB012” und „SB012a”, denn wenn du das beim Suchen und Ersetzen vergisst, wird dir der Code „SB012a“ zerschossen!
Und zuletzt: Markiere auch Leerzeilen, wie die, die man im Bild unter „AMb“ sieht – solche Sachen übersieht man beim Verteilen der Nummern schnell und vergibt dann eine Zahl an einer Stelle, wo es überhaupt kein Kapitel zu gibt! Im fertigen Buch hast du dann ein Leerkapitel (bei Belle oder FF.de) oder einen Sprung in den Kapitelnummern. Am besten, du machst einfach irgendwas in die dritte Spalte, „///“ oder „---„, damit du nicht auf die Idee kommst, da eine Zahl einzusetzen.
Es wird trotzdem unübersichtlich!
Was tun, wenn sich die Geschichte trotzdem zu weit auffächert?
Ein Beispiel: Dein Leser betritt ein Land und kann sich dort direkt zu Anfang in drei Richtungen wenden: Norden, Osten und Westen. In jeder Richtung begegnet er ganz anderen Leuten, Gefahren, findet andere Dinge. Es gibt nur zwei, drei Gelegenheiten, bei denen man über einen Fluss oder ähnliches zu einer anderen Himmelsrichtung reist.
Du beginnst mit dem ersten Kapitel und der Aufteilung in Norden, Osten und Westen. Dann schreibst du die erste Begegnung für den Norden, woraus zwei neue Kapitel kommen, die erste Begegnung für den Osten, ebenfalls mit zwei neuen Weiterführungen, und schließlich Westen mit zwei Optionen – nun schreibst du hintereinander sechs Kapitel, die sich erneut verdoppeln oder sogar noch stärker vermehren, und irgendwann schreibst du zwanzig Kapitel für den Norden, zwanzig für den Osten und dann zwanzig für den Westen und verlierst langsam jeden Überblick darüber, wie dein Leser überhaupt an diesen Orten gelandet ist.
In solchen Fällen hilft es, die Geschichte in Abschnitte zu unterteilen. Schreibe zum Beispiel zuerst nur den Norden, als wäre das die einzige Geschichte, dann den Osten und schließlich den Westen. Ruhig auch mit einer eigenen Tabelle für jeden Bereich, du kannst die Tabellen jedoch später wieder kombinieren, wenn alles fertig ist und du die Nummern verteilst.
Hier siehst du (mit freundlicher Genehmigung des Autors) die Übersicht für den Ableger: „Deine Reise durch Phantasma: Stadt der Vampire“ von NichtGeli auf FF.de. Man kann hier gut erkennen, dass so ziemlich jeder Schauplatz ein eigenständiger, abgekapselter Bereich ist. Diese Unterteilung in kleinere Abschnitte dient nicht nur der Übersicht, sondern ist auch eine gute Methode, sich angesichts der oft sehr langen Tabellen zu motivieren.
Ein Beispiel für eine Tabelle, bei der im Nachhinein viele Kapitel zusätzlich eingefügt wurden: https://postimg.cc/crjtCDkt Nicht alle eingefügten Kapitel haben einen langen Code bekommen, manchmal reicht auch "1-5". Wichtig ist, dass der 'Name' des Kapitels nirgendwo sonst auftaucht!
Ein Beispiel für die Übersicht über ein Spielbuch, das mit einer anderen Technik geplant wird und keinen Zufallsgenerator für die Kapitelnummern enthält: https://postimg.cc/ykWSVqjz
(Das ist „Die Söldner von Kalynor“ von meinem Symbiwirten – in Klammern steht die jeweilige Nummer des Kapitels, die nicht der eigentlichen Kapitelnummer entspricht, da diese Geschichte mehrere Bücher besitzt.)
Handschriftliches Material von Marvin, NichtGeli und Ifrit zur „Reise durch Phantasma“: https://postimg.cc/NLjK4hWr
Hier sieht man (mehr oder weniger):
Oben links - Eine Übersicht über die einzelnen Welten/Schauplätze der Geschichte und wohin diese führen.
Oben rechts - Eine Detailansicht der „Stadt der Vampire“ und eine Aufzeichnung der Formatierung für ein einzelnes Kapitel.
Unten links – Die Landkarte für die Welt „Post-Apokalypse“.
Unten Mitte – Notizen zu drei Welten, was für Begegnungen und Ereignisse dort auftauchen sollen.
Unten rechts – eine weitere Landkarte zu einem Labyrinth, sowie die Hälfte einer Wurzeltabelle für die Optionen im Labyrinth: links, rechts, geradeaus und wohin das weiter führt. (Anm. Die meisten Wege führen zu dem Kapitel „verirrt“).
Lose Fäden verknüpfen
Wie habe ich im Blick, dass alles irgendwo endet?
Hierbei ist die Tabelle sehr hilfreich, denn du kannst beispielsweise die vierte Zeile nutzen, um die Möglichkeiten zum Weiterlesen einzutragen und dann nach und nach zu löschen, wenn du das entsprechende Kapitel geschrieben hast. Das gleiche kannst du auch machen, wenn du dir die einzelnen Kapitel und Wege nur aufgemalt hast.
Aber am wichtigsten: Schreib die Optionen direkt unter das Kapitel!
Im Falle unseres Haibeispiels sähe das so aus: (Kursive Markierungen sind im echten Text natürlich nicht da.)
SB012a <- Der Code, der es dir ermöglicht, das Kapitel immer wieder zu finden.
Du schwimmst weiter, als du plötzlich graue, dreieckige Flossen um dich herum entdeckst. Du bist von Haien eingekreist! Der Text deines Abschnitts.
Was tust du?
Ich schwimme schneller! Lies weiter bei SB012b.
Ich furze ins Wasser! Lies weiter bei SB013. Die Entscheidungsmöglichkeiten. Die Codes hierfür nimmst du ebenfalls aus der Tabelle. Wenn das Kapitel noch nicht eingeplant wurde, findest du es auch nicht in der Tabelle und kannst hier keinen Code eintragen.
In „Reinform“ sieht dein Abschnitt dann so aus:
SB012a
Du schwimmst weiter, als du plötzlich graue, dreieckige Flossen um dich herum entdeckst. Du bist von Haien eingekreist!
Was tust du?
Ich schwimme schneller! Lies weiter bei SB012b.
Ich furze ins Wasser! Lies weiter bei SB013.
Später ersetzt du jeden Code im Text durch die Kapitelnummer des Abschnitts, die du über die Tabelle (Dritte Spalte) festlegst. Zum Beispiel: „SB012a“ entspricht Nummer 23, „SB012b“ entspricht Nummer 7.
23
Du schwimmst weiter, als du plötzlich graue, dreieckige Flossen um dich herum entdeckst. Du bist von Haien eingekreist!
Was tust du?
Ich schwimme schneller! Lies weiter bei 7.
Ich furze ins Wasser! Lies weiter bei SB013.
Huch, da steht ja noch SB013! Jetzt würdest du in deiner Tabelle gucken, welche Nummer dieses Kapitel hat – und vielleicht feststellen, dass es keine Zeile für dieses Kapitel gibt, und auch keinen Abschnitt! Also – nachholen.
Wenn du also die Tabelle ordentlich führst und Zeile für Zeile, bzw. Kapitel für Kapitel abarbeitest, dürfte kein Abschnitt vergessen werden.
Übrigens, du kannst auch mit Tricks arbeiten. Zum Beispiel, indem du verschleierst, wie viele Optionen es wirklich gibt:
Hier siehst du ein Kapitel mit ganzen 12 Optionen! Es gibt zwar nur die Entscheidung zwischen zwei Wegen, aber offenbar viele Möglichkeiten, wie es dann weiter geht - nun, nicht wirklich. In Wahrheit führt das Kapitel in vier neue Wege. Jeweils zwei für 'kämpfen' und 'fliehen', einmal stirbt man im Kampf oder auf der Flucht, einmal überlebt man. Dies ist dem Zufall überlassen.
Dabei gibt es eine unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten, zu sterben, je nachdem, welchen Weg man nimmt. Bei einer Option ist es vielleicht 50:50, bei der anderen führt nur einer von sechs Wegen in den Tod. Das würde man erkennen können, wenn da schlicht die Kapitelzahl stünde, denn die wäre bei einigen Optionen dann ja gleich. So weiß man jedoch ohne zu rechnen nicht, welche Optionen in das gleiche Kapitel führen, welche nicht - und damit auch nicht, welche Entscheidung vielleicht richtiger wäre!
Dieses Prinzip kann man auch anwenden, wenn man 'richtige' Entscheidungen hat. Beispielsweise so etwas wie:
Du willst den Drachen angreifen. Wählst du ...
A: einen Sturmangriff im Galopp auf die Brust des Drachen?
B: einen seitlichen Angriff und zielst auf das Auge des Drachen?
C: einen vorgetäuschten Angriff, um dann von der anderen Seite zuzuschlagen?
D: einen wilden Kampfschrei, um den Drachen zu erschrecken?
Wenn jetzt A, C und D in das gleiche Kapitel führen, liegt der Verdacht nahe, dass diese Angriffsarten nicht zum Erfolg führen und B - als einzige Option, die einen Unterschied macht - die richtige Lösung sein muss. Wenn du hier die Kapitelnummer mit einer Rechnung verschleierst, ist es viel Schwieriger, aus den Zahlen Hinweise zu erhalten!
Und nun?
Ich hab den ganzen Kram gemacht!
Wenn du die Tabelle oder jedenfalls irgendeinen Plan hast, kannst du mit der Geschichte loslegen! Im Idealfall arbeitest du die Tabelle Zeile für Zeile ab und weißt folgendes: Woher kommt der Leser, wie ist er in diesem Abschnitt gelandet? und: Wie geht’s weiter, welche Entscheidungsmöglichkeiten kriegt der Leser am Ende des Kapitels?
Nun musst du nur das Dazwischen mit Worten füllen, was zugegebenermaßen etwas langweilig sein kann. Oft beschreibst du den gleichen Ort mehrere Male. Hier kannst du zum Teil einfach Texte eines anderen Kapitels kopieren. Oder du musst dir schon wieder einen Tod ausdenken (Tipp: Vielfältige Tode sind die einzige Freude des Spielbuch-Autors! :D ). Es kann helfen, die Arbeit in kleinere Abschnitte zu zerteilen, oder jeden Tag nur ein Kapitel zu schreiben. Keine Angst – du wirst fertig.