Alic beschwerte sich weiterhin, als sie das Haus betraten. „Okay, dann legt mal los“, sagte Siara und setzte sich auf ein Stuhl. „Wieso kannst du dich in eine Fee verwandeln?“, kam die erste Frage von Damian. „Ich bin eine Halbfee. Meine Mutter war eine Fee und mein Vater menschlich.“ „Warum hast du das nicht gesagt?“, wollte diesmal Thea wissen. Bevor Siara antworten konnte, unterbrach Tiara sie: „Leute, die eigentliche Frage ist, warum Sel sich von den Fenstern fernhalten sollte und nicht raus durfte. Und vor allem, wer diese psychisch gestörte Sexbombe da draußen war!“ Sie deutete von Selena nach draußen und wieder zu Selena. Siara sah unsicher zu Sirius. Dann holte sie tief Luft und sah Selena an. „Ich erzähle euch jetzt eine Geschichte. Die müsst ihr kennen, bevor ihr verstehen könnt, was hier wirklich los ist.“ „Wir lassen euch mal alleine“, sagte Claire und verließ mit den anderen das Haus. Als sie alleine waren, fing Siara mit sanfter Stimme an zu erzählen. „Es gab da eine Mondgöttin, sie bewachte den Mondstein. Ihr Name war Luna. Der Mondstein, wurde auf dem Mond bewacht. Luna war nicht nur die Bewacherin, sondern auch die Einzige, die die Kraft des Mondsteines kontrollieren konnte. Aber in einer Nacht, ist die Rachegöttin Alekto auf dem Mond aufgetaucht. Sie wollte den Stein für sich und seine Macht benutzen um die Welten zu unterwerfen. Luna hat mit ihrem Leben den Mondstein beschützt. Doch Alekto war unbarmherzig.“ Sie hielt inne und sah die anderen an. Dann holte sie tief Luft und fuhr fort: „Luna war eine sehr gute Göttin, leicht war sie nicht zu besiegen, aber Alekto…Alekto hatte ihre Schwachstelle gefunden. Ambrosius.“ „Was ist ein Ambrosius?“, fragte Alic. „Nicht was, sondern wer. Ambrosius war der Geliebte von Luna. Sie waren ein Paar. Alekto hat Ambrosius töten lassen. Eigentlich wollte sie Luna töten, aber sie wusste, dass man sie nur schwächen kann, indem man ihn vor ihr tötet. Also hat sie einen Scheinangriff auf Luna gemacht, Ambrosius hat sich in den Weg gestellt und wurde dadurch getötet. Luna war am Boden zerstört. In ihrer Trauer hat sie zu Alekto geblickt, den Mondstein von ihrem Hals gerissen, du kriegst diesen Stein niemals in die Hände, gesagt und in das Nichts geworfen. Der Mondstein ist schließlich in Chandrick gelandet. Aber Luna… Lunas Lebenskraft hing von dem Mondstein ab.“ „Das heißt, Luna hat sich selbst das Leben genommen?“, fragte Thea. „Ja.“ „Und was hat das mit Selena zu tun?“, fragte Alic. Selena ahnte es bereits. „Es hat alles mit ihr zu tun“, sagte Siara mit einem schwachen Lächeln. „Und ich glaube, Selena ahnt es bereits“, fügte sie hinzu. „Mein Name hat eine Bedeutung…Ursprünglich war es Selene und wurde dann abgewandelt. Aber die Bedeutung ist gleich geblieben“, murmelte sie. „Wovon zum Teufel redest du da?“, fragte Alic. „Selena bedeutet wunderschöne Mondgöttin.“ Alle Blicke wanderten zu Damian. „Du kennst die Geschichte auch?“ rief Tiara. „Warte, warte, dazu später. Erstmal Sel. Was bedeutet das nun alles?“, fragte Tiara. „Ich habe von diesem Mondstein geträumt, ich spüre die Anziehungskraft…Heißt das, dass ich…Den Mondstein…beschützen muss?“, fragte Selena Siara. Diese nickte. „Wird der fünfte Stein aktiviert, dessen Macht alles überragt. So erwartet man ein neues Schicksal, in den Händen, loyal. Diese Macht, gehalten nur von Eins, kann niemals sein wie einst. Kaum zu wissen, wer es ist, wird euch begegnen bald, gewiss. So wurde es prophezeit.“ „Ja aber was bedeutet das?“, fragte Selena. „Der Mondstein ist nicht mehr ganz.“ „Was?“ „Scheiße! Die vier Steine! Sie sind Teile von dem Mondstein. Jetzt ergibt dein seltsames Lied auch einen Sinn!“, rief Damian. Die Blicke wanderten erneut auf ihn. „Ja…Moment mal, mein Lied ist nicht seltsam und außerdem, woher kennst du es?“ „Du hast es den ganzen Weg über gesungen.“ „Nein, ich habe die Melodie gesummt…“ Siara kniff die Augen zu, doch dann weiteten sie sich immer mehr. Damians Blick sagte, dass sie die Klappe halten sollte. Er war… „Heißt das, dass Sel, die Reinkarnation von der Mondgöttin Luna ist?“, fragte nun Alic. „Ja und deshalb darf Alekto auf keinen Fall wissen, wer sie ist. Das würde dein Tod bedeuten.“ „Ich brauch frische Luft.“ Selena stand auf und wollte schon gehen. „Warte, wenn du die Reinkarnation von der Mondgöttin bist, wurde dann auch Ambrosius wiedergeboren?“, fragte Thea. „Ja.“ „Weißt du wer es ist?“, diesmal war es Killian. Siara schwieg kurz und das verriet sie. „Du weißt es. Wer ist die Reinkarnation von Ambrosius?“ Als Thea die Frage stellte, stand Damian mit einem Ruck auf, sodass der Stuhl umfiel. Anschließend verließ er ohne ein weiteres Wort das Haus. „Du willst mich doch verarschen“, rief Tiara, als ihr bewusst wurde, dass es Damian war. „Ich brauch definitiv frische Luft“, sagte Selena noch einmal und trat raus. Sie hörte noch, wie Tiara erneut fragte, ob es wirklich Damian war. Er hatte sich selbst verraten. Das erklärte auch, dass er soviel darüber wusste. Aber warum hatte er nichts gesagt? Selena lehnte sich an die Hausmauer. Sie schloss die Augen und holte ein paar Mal tief Luft. „Hey, brauchst du Gesellschaft?“ Sirius war der letzte Mensch, den sie erwartet hatte. Aber sie nickte. Immerhin hatte er sie geduzt. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das alles für dich sein muss.“ Selena lachte kurz auf. „Ach, dass ist doch nichts! Ich habe nur erfahren, dass ich die verdammte Beschützerin des Mondsteins bin! Und damit auch über die vier Steine, von denen zwei meine Eltern beschützen“, sagte sie mit soviel Sarkasmus, dass es fast triefte. „Du warst schon immer Besonders“, gab Sirius zurück. „Diese Alekto…Sie sah sehr mächtig aus. Denkst du…“ „Sie wird dir nichts antun können! Dafür gibt es hier genügend Leute, die dich davor bewahren werden.“ „Ich bin nicht so mutig wie meine Mom oder so stark wie mein Dad. Ich bin einfach nur eine Prinzessin, die keine Ahnung von Chandrick hatte. Ich habe in meiner sorgenlosen Welt gelebt.“ Sirius sah sie eine Weile an. „Es steht mir zwar nicht zu, aber eure Eltern hatten bestimmt einen guten Grund, euch das alles zu verheimlichen.“ Selena zuckte bloß mit den Schultern und sah die rot leuchtende Barriere an. „Sie wird verschwinden, wenn wir gehen, habe ich recht?“, fragte Selena leise. „Ja.“ „Dann werden die Menschen wieder ungeschützt sein.“ „Ich wünschte, ich könnte es dauerhaft machen.“ „Warum unternehmen meine Eltern nichts dagegen?“, fragte sie und sah Sirius an. „Ich weiß es nicht.“ Selena lachte auf. „Meine Mom müsste nur ein Portal öffnen, und die Dorfbewohner wären in Sicherheit.“ „Sie hat bestimmt ihre Gründe“, versuchte es Sirius noch einmal. Selena schüttelte ihren Kopf. „Ich bin müde. Ich lege mich ein wenig hin.“ Sie ließ Sirius stehen und betrat das Haus. Sofort richteten sich alle Blicke auf sie. „Ich bin müde“, sagte sie und steuerte auf das Bett, welches für sie bestimmt war, zu. Sie legte ihre Waffen ab und legte sich hin. Sie versuchte zu schlafen, aber brachte kein Auge zu. Sie bekam mit, wie alle anderen einschliefen. Nur von einem fehlte jede Spur. Damian. Die Reinkarnation von Ambrosius. Selbst als die Sonne aufging, lag sie wach in ihrem Bett. Sie starrte die Decke an. „Das weiße Buch!“, rief sie plötzlich und sprang vom Bett auf. Sie riss somit jeden, außer Alic aus dem Schlaf hoch. Selenas Füße verhedderten sich in ihrer Decke. Sie strampelte sich daraus und ging schnurstracks auf Sirius zu. Warum war ihr das nicht früher eingefallen? Im Stillen dankte sie Gwen, dass sie sie gezwungen hatte, in Chandricks Magie unterrichtet zu werden. Sie blieb vor Sirius stehen, hielt ihn an den Schultern fest und schüttelte ihn. „Das weiße Buch!“, wiederholte sie und strahlte. Sie ließ ihn los und hätte fast Freudensprünge gemacht. „Sel, was ist denn los?“, fragte Tiara verschlafen. „Ich weiß, wie wir die Dorfbewohner auf Dauer beschützen können!“, antwortete sie an ihre beste Freundin gewandt. „Was bitte ist das weiße Buch?“, murmelte Alic und rieb sich mit den Händen, nun ebenfalls wach, über das Gesicht. Selena verdrehte die Augen. „In diesem Buch, stehen die urältesten Zauberformeln drin! Also muss auch eins dabei sein, die den Bewohnern hier helfen kann.“ Alic stöhnte auf. „Heißt das, dass wir jetzt auch noch einen Buch suchen müssen?“ „Nein, denn ich weiß wo es ist.“ Alle sahen Selena fragend an. „In meinem Bücherregal. Wenn ich zurück bin, muss ich Gwen danken.“ „Ich will dir ja keinen Dämpfer verpassen, aber wie willst du das Buch holen?“, fragte Thea. „Das kann ich erledigen. Beschreib es mir“, sagte Sirius. „So sieht es aus.“ Siara hatte bereits eine Skizze gezeichnet. „Du hast auch davon gewusst?“, fragte Selena. „Natürlich, ich bin eng mit der Magie verbunden.“ „Und warum hast du nichts gesagt?“, rief Thea. „Weil Selena von selbst darauf kommen musste, aber ich hatte angenommen, dass es länger dauern würde.“ „Ist doch jetzt egal! Sirius, kannst du es herzaubern?“, fragte Selena. Er nickte und murmelte etwas, schnipste dann mit den Fingern und in seinen Händen landete ein weißes Buch, mit alten Schriftzeichen. „Ich kann nicht glauben, dass so ein wertvolles Buch in deinem Bücherregal steht“, sagte Sirius kopfschüttelnd. Auch er hatte davon gehört, aber nur für eine Legende gehalten. „Nun mach schon!“, drängte Selena. Sirius schlug das Buch auf und blätterte es Seite für Seite durch. „Stopp“, sagte Siara, die ebenfalls in das Buch geschaut hatte. „Du hast recht“, gab Sirius zurück und las sich die Formel durch. „Nein. Nein, dass schaffe ich nicht. Ich bin nicht dazu fähig.“ Er drückte Siara das Buch in die Hand und entfernte sich von der Gruppe. Siara sah sich die Formel an. „Oh man“, murmelte sie und sah Sirius hinterher. „Was ist los?“, fragte Selena. Langsam hasste sie es, nichts machen zu können. „Die Zauberformel ist Altlatein. Nur wenige Hexenmeister können mit so einem mächtigen Zauberspruch umgehen, geschweige denn beherrschen.“ „Scheiße!“, fluchte Alic. „Aber Sirius ist der Sohn von Mika. Er ist doch ein großer Hexenmeister“, warf Tiara ein. „Ich bezweifle, dass selbst Mika es hinbekommen könnte.“ „Das ist nicht dein ernst“, stöhnte Thea auf. „Dann stehen wir wieder am Anfang. Echt super!“, rief Alic. „Was ist mit dir Siara? Kannst du so ein Zauberspruch sagen?“, fragte Selena. „Nein. Ich bin keine vollständige Fee. Außerdem bin ich nicht annähernd so mächtig wie Sirius.“ „Aber wenn Sirius so mächtig ist, wieso kann er es dann nicht?“, fragte Killian. „Weil er nicht an sich glaubt. Das ist sein Problem. Auch wenn er es nicht glauben kann, er wird ein sehr mächtiger Hexenmeister.“ „Dann sag ihm das doch!“, sagte Selena. „Denkst du das habe ich nicht? Hört zu, es ist nicht einfach zu wissen, was anderen bevorsteht, noch schwerer ist es, selbst zu wissen, was einem bevorsteht. Jemand der an sich zweifelt, und diesen Zauber ausspricht, würde sterben.“ Jeder sah sie schweigend an, bis Thea die Stirn runzelte und fragte: „Heißt das, dass du unsere Zukunft kennst?“ „Nicht eindeutig, da sich die Zukunft ändern kann.“ „Dann erzähl…“ Weiter kam Thea nicht, denn Siara unterbrach sie mit fester und ernster Stimme: „Nein.“ „Aber Sirius hast du es gesagt…“ „Weil seins schon festgeschrieben ist. Daran wird sich nichts mehr ändern. Es ist kompliziert. Feen und Hexenmeister sind sich ähnlicher, als die Feen es zugeben wollen“, sagte Siara und verdrehte bei dem Letzten die Augen. Selena und die anderen hatten in der Schule gelernt, dass Feen die Hexenmeister, als ihre Feinde sahen. Eigentlich führte ihre Feindseligkeit viel weiter in die Vergangenheit. Angeblich waren einst die erste Feenkönigin und der mächtigste Hexenmeister liiert gewesen. Doch dann hatte der Hexenmeister verrat ausgeübt und dabei wäre die Feenkönigin um ihr Leben gekommen. Daher hassten die Feen die Hexenmeister und die Hexenmeister mieden die Feen. Schwer war das eigentlich nie gewesen, denn die Feen lebten sehr zurückgezogen. Zuletzt war ihr Feenland in den Bergen, zwischen Chandrick und der Erde. „Siara, ich habe eine Frage an dich, wenn es nicht zu persönlich ist“, sagte Selena nach einer Weile. „Frag nur.“ „Wenn du doch zum Teil eine Fee bist, warum lebst du dann nicht bei den anderen Feen?“ Siara klappte das Buch zu. „Das hat mehrere Gründe. Einer davon ist, dass ich keine vollständige Fee bin.“ „Aber du bist eine Videns. Solche Feen wie du, sind sehr besonders“, sagte Killian. Siara lächelte sanft. „Danke für das Kompliment. Anfangs habe ich im Feenreich gelebt. Bis zu meinem elften Lebensjahr zumindest. Doch dann habe ich in die Vergangenheit geschaut und etwas herausgefunden. Ich war so aufgeregt, als ich das der Königin erzählt habe, aber sie hat zu mir gesagt, dass sie keinen Platz für Verräter und…“ Siara schwieg kurz. „...Bastarde hätte.“ Selena riss die Augen auf und Tiara holte scharf Luft. „Naja, sie hatte ja nicht unrecht. Aber ich habe und werde mich niemals dafür schämen, die Tochter einer liebevollen Mutter und einem so großzügigen Mann zu sein.“ In einem Moment sagte sie, was sie auch so meinte und im nächsten Moment wurde sie von zwei Armen umschlungen. Das hatte sie nicht kommen sehen. Als Selena sie los ließ, fragte Tiara. „Was hast du denn herausgefunden, dass sie dich verbannt hat?“ „Nichts weiter. Nur, dass nicht der Hexenmeister die erste Feenkönigin verraten, sondern die Feenkönigin ihn verraten hat.“ „Woah, und dass hast du der Feenkönigin gesagt?“ „Ja. Immerhin hat ein Kind es geschafft, so weit in die Vergangenheit zu schauen.“ Das Wichtigste verschwieg sie ihnen, denn das ging sie nichts an. Sie hatte schon sehr viel über ihre Vergangenheit erzählt. „Unglaublich. Kein Wunder, dass wir nie Feen zu Gesicht bekommen haben“, murmelte Alic. „Ich lasse euch das mal verdauen und suche Sirius. Vielleicht kann ich ihn ja überzeugen, dass er es doch kann.“ Siara ließ die anderen stehen und lief in die Richtung in der Sirius verschwunden war. „Obwohl sie eine Fee und Sirius ein Hexenmeister ist, verstehen die zwei sich echt gut.“ Jeder sah Selena fragend an. „Oh, ich bitte euch. Habt ihr nicht gesehen, wie Sirius sich in ihrer Gegenwart benimmt? Er ist nicht so verklemmt und viel entspannter.“ „Da kann was dran sein, als ich ihn vorhin gesucht habe, habe ich gesehen, wie er Siara umarmt hat.“ „Alic, das ist nicht dein ernst!“, rief Selena. „Sirius, unser Eisblock? Bist du dir sicher?“, fragte Tiara grinsend. „Ich sag ja bloß“, antwortete er lachend.