Das Team der Wohngruppe hat folgende Ideen für ein schönes Weihnachten aufgesetzt:
- Jeden Tag wird ein Türchen am selbst gebastelten Kalender geöffnet, gemeinsam mit allen zusammen und jeder Bewohner ist mal dran.
- An Nikolaus wird es eine kleine Überraschung geben, wenn man eine Frage beim Quiz beantwortet.
- An den Adventssonntagen wird die Weihnachtsgeschichte besprochen und die Krippe immer weiter aufgebaut.
- Der Weihnachtsbaum wird aufgestellt und geschmückt.
- Am 23.12 gibt es ein Essen zusammen mit Betreuern/Familie.
- Am 24.12 gibt es ein Weihnachtsessen. Abends wird zusammen gesungen und vor dem Baum Geschenke verteilt.
- Plätzchen backen ohne Ende.
Nach dem Abendessen, welches alle gemeinsam im Esszimmer zu sich nehmen, räumen wir gemeinsam auf. Müll wird rausgebracht, der Tisch abgeräumt und abgewischt, die Küche saubergemacht und restliches Geschirr entweder gespült oder in die Spülmaschine gestellt und diese angemacht. Zu guter Letzt wird raus gewischt.
"Nun gut! Es ist der 01.12! In fünf Minuten treffen wir uns im Wohnzimmer und es wird das erste Türchen aufgemacht." rufe ich durch die Räume.
Ich begebe mich ins Wohnzimmer, wo schon die Hälfte brav sitzt und wartet. "Frau Blümschen! Setzen Sie sich zu uns?" fragt Herr Bees. Herr Bees war ein 1,95m großer Mann, der durch einen Autounfall eine starke kognitive Einschränkung erlitt, was dafür sorgt, dass er nun immer ein recht kindliches Denken und Verstehen hat. Sein Auftreten wirkt immer ein wenig beängstigend für Außenstehende, da er auch zu den leicht fülligeren Personen gehörter. Davon abgesehen, dass er dennoch Jeden der nicht schnell genug wegrennt, voll quatscht, ist das aller schlimmste überhaupt: er hebt beim Laufen nicht die Schuhe richtig an und schlurft über den Boden. Man kann auf 10 Meter Entfernung hören, wer auf einen zugelaufen kommt. Und nicht nur das, er hat sich bis jetzt dreimal was gebrochen, da er gefallen ist, weil er die Füße nicht richtig anhebt. Lernen tut er daraus nie.
"Nein, ich bleibe hier beim Kalender stehen, danke." gebe ich zurück. Er wirkt enttäuscht.
Als endlich alle da sind, wähle ich den ersten, der das heutige Türchen öffnen darf aus. Ich bemerke Unstimmigkeiten im Gesichtsausdruck bei Herr Bees, beachte dies aber in dem Moment noch nicht. Der Bewohner der dran ist, öffnet seinen kleinen Beutel und zieht den Zettel mit dem "Spruch des Tages" hervor. Der Bewohner fängt an zu lesen: "Es ist Zeit, für das was war, danke zu sagen. Damit das, was noch vor uns liegt, unter einem guten.. Stern liegt? Also ich hätte ja lieber nen guten Braten." Alle lachen. Ich schüttele den Kopf, der Bewohner grinst und setz sich hin.
"Gut." unterbrach ich das leichte Lachen. "Nachdem der gute Stern lieber ein Braten sein sollte, können wir die Runde auflösen." Der nächste Anflug von Gelächter trägt die Bewohner raus. Manche gehen nun ins Bett, manche rauchen noch in Ruhe eine, andere spielen noch Spiele zusammen. Ich schaue erneut zu Herr Bees. Er schaut immer noch grimmig drein. Ich kneife die Augen zusammen und fragte ihn: "Sind Sie am Schmollen? Weil Sie nicht als erster den Kalender öffnen durften?" Er schaut mich an, presst die Lippen zusammen und sagte nichts. "Also jetzte! Sie sind 'n riesen Kerl und schmollen wie 'n Kind? Aber ganz schnell jetzt." Dabei wink ich mit der Hand Richtung Tür. Er steht auf und schlürft vor mich. Ein Schauer läuft mir über den Rücken, in solchen Momenten wird mir immer wieder klar, dass seine Hand so groß wie mein Gesicht ist. "Jaaaa stimmt." raunt er, grinst und wünscht mir eine Gute Nacht. Als er aus dem Raum ist atme ich auf, schüttele den Kopf und fühle mich, als hätte ich ein zu groß gewordenes Kind. "Niemals Mutter werden." raune ich vor mich hin während ich ins Büro gehe.