Die Vorgaben:
Schreib eine märchenhafte Legende.
Inspirationen:
https://www.deviantart.com/jaygraphixx/art/Ogre-And-The-Moon-Thief-716038988
https://www.youtube.com/watch?v=qVantI8RW9o
Das Ergebnis:
VOR LANGER ZEIT und weit entfernt lebte das Volk der Dämonen verstoßen von allen anderen Wesen in ihrer kalten Festung in den Bergen. Der Wind pfiff durch die vielen klaffenden Löcher im Gestein. Das Gebirge war karg, nur wenige schwarze, verkümmerte Bäume krallten sich mit zähem Lebenswillen an das Gestein. An ihren wie Klauen geformten Ästen zitterte kaum noch ein dürres Blättchen.
Die Dämonen waren an diesen Ort verbannt, denn kein anderes Volk dieser Erde sah auch nur einen Funken Gutes in ihnen. Die Zwerge, von geradliniger Natur, verachteten die Tricks und Täuschungen der Dämonen. Die Elfen, selbst Meister der Verwirrung, sahen die Flammen im Herzen der Dämonen als Ausdruck ihres Hasses auf alles Lebende und Wachsende. Die mächtigen Drachen erachteten die Dämonen für zu schwach, zu verloren, wenngleich die Wesen beider Völker sich glichen – beide feurig, beide von Gier zerfressen wie die Festung der Dämonen im klammen Gebirge. Und die Menschen zuletzt – sie fürchteten die Dämonen, während sie Elfen bewunderten, Drachen verehrten und Zwerge als ihre Freunde ansahen.
So geschah es, dass kein Volk für die Dämonen sprach, und sie wurden in die Berge gejagt. Wann immer sie sich aus der Festung wagten, wurden sie verfolgt, gar getötet, und so harrten sie in Winterskälte und Dunkelheit. Was noch an Licht in ihnen gewesen sein mochte, verkannt von aller Welt, verkümmerte in jener lebensfeindlichen Welt. So wurden die Dämonen letztendlich zu den Schrecken, für die man sie hielt – denn vorher, so lautet die Legende, gab es gute und böse Dämonen, wie es gute und böse Menschen gab, gute und böse Elfen, gute und böse Zwerge und gute und böse Drachen. Nun ist es aber unmöglich, sich selbst in die Augen zu sehen; dies tut man nur durch einen Spiegel, und der Spiegel, den die Welt den Dämonen vorhielt, war dunkel, verzerrt und grausam. So wusste kein Dämon mehr um die Schönheit seiner selbst und diese ging verloren.
DOCH EINES TAGES tauchte ein rätselhaftes Wesen in der Welt auf. Viele Legenden rankten sich um die Gestalt, die mal in schwarzer Kapuze und mal in goldener Rüstung erschien. Manche glaubten fest, dass es ein Sternbild sei, dem Himmel entsprungen, andere dachten, es stamme aus der Finsternis der Unendlichkeit. Manche glaubten, es wäre ein tanzender Silberschimmer auf den Wassern gewesen, andere riefen laut, jenes Geschöpf stamme aus der urdunkelsten Tiefsee. Manche hielten es für den Spross einer verlorenen Blume größer Schönheit, andere für ein verdorbenes Gewächs, das in Kadavern wurzelte.
Es selbst aber versammelte sie um sich, Gläubige und Zweifler, und sprach: „Ich bin GOTOD; ich bin der Widerspruch, der Urbeginn und das Ende, ich bringe neues Leben und unendliche Vernichtung.“
Wie erzitterten sie unter den Worten des Geschöpfes! Die Menschen und Elfen, die Zwerge und Drachen – allein die Dämonen fehlten an jenem Tag, denn sie verließen ihre Festung schon lange nicht mehr.
Gotod schwang sich zum Herrscher dieser Welt auf. Die widersprüchlichen Gefühle der Untergebenen stellte er als Beweis dar, dass ihm die Welt gehören musste, denn „Seht, es gibt die Guten und die Bösen in dieser Welt. Jeder weiß, dass ihr die Guten seid, und die Dämonen, jene Kreaturen, die Bösen. Ich aber – ich bin weder gut noch böse. Ich bin beides. So kann nur ich über das Gleichgewicht wachen.“
Den Völkern schien dies logisch. Doch vor allem war es ihr Ehrfurcht vor dem fremden Wesen, welche sie ihm gehorchen ließ. Sogleich stellte Gotod seine Forderungen:
„Ihr Zwerge! Bringt das Gold aus den Eingeweiden der Erde, bringt mir Edelsteine und Edelmetalle, eures Gottes würdig!“ Und die Zwerge schwangen die Hacken und taten wie geheißen. Aber die Minen wurden immer leerer, die Schätze versiegten, fast, als würde die Erde selbst sich verschließen.
„Ihr Elfen! Einen Garten will ich, schöner als die Sterne und die Sonne zusammen. Bringt mit Blumen und singende Vögel, eures Gottes würdig!“ Alles, was lebte, fand in diesem Garten ein Zuhause, doch bald wurde alles Land außerhalb kahl, als würde sich jenes Leben andernorts verbergen.
„Ihr Menschen! Erbaut einen Palast mit unendlichen Zimmern, von solcher Schönheit, dass nichts sie übertrifft, eures Gottes würdig.“ Und was bauten sie! Mit den Edelsteinen der Zwerge und den Pflanzen der Elfen schmückten die Menschen das Meisterwerk. Doch weh – es schien kein Licht in den Hallen zu sein, so viele Lampen man auch entzündete.
Da zürnte Gotod, und in seinem Zorn rief es die Drachen zu sich. „Zu meinen Armen mache ich euch! Bringt mir jeden, der mir widerspricht, verbrennt jene, die meine Befehle nicht befolgen. Der größte von euch aber, der soll mich hinauf in den Himmel tragen.“
So geschah es, und viel Leid gibt es zu berichten aus jenen Tagen. Bald war die tote Erde bedeckt mit Gebeinen, und Blut floss statt Flüssen. Nur ein Ort blieb unberührt, und dies war die Feste der Dämonen. Dorthin flohen die Überlebenden in ihrer Not.
Verwundert empfingen die Dämonen ihre Gäste. Sie hatten von all dem Wirbel nichts mitbekommen, ja, es stellte sich heraus, dass Gotod nicht ein einziges Mal unter ihnen gewandelt hatte. Als sie von dem Schrecken hörten, der den Rest der Welt verwüstete, da schwiegen die Dämonen. Sie schwiegen lange Zeit, sodass die anderen Völker sie schon für tot hielten. Immer versuchten die Dämonen, andere auszutricksen, sie um ihre Seelen zu bringen, sie zu belügen – doch nichts dergleichen taten diese Kreaturen nun!
Da begriffen es die Elfen, Zwerge, Menschen und Drachen endlich – dass sich die Dämonen fürchteten wie jeder von ihnen. Alle Bosheit war ihnen vergangen. Im Finstern der Dämonenfeste kauerten sie sich zusammen, jene, die Gotod entkommen waren, und warteten auf das Ende.
Dieses schien bald zu kommen! Mit einem Male wurde es dunkel. Aufblickend gewahrten sie, dass der Mond sein Licht verlor. Da sahen die Völker mit weit aufgerissenen Augen einen gewaltigen Drachen beim Mond schweben, und Gotod stand auf seinem Rücken. Die Klauen hatte das Wesen ausgestreckt. Zur Hälfte wehte sein langer Umhang, zur Hälfte glänzte die Rüstung, doch mit Wehklagen verstanden auch seine Gläubigen, dass sie getäuscht worden waren! Denn keinen Zweifel gab es, dass Gotod ein finsteres Wesen noch als die Dämonen war, wenngleich der goldene Schein der Rüstung die Sterblichen einst blendete.
Die Angst ließ die Verlorenen einfrieren. Dass Gotod nicht besiegbar war, das wussten sie, und sie wagten kaum einen Atemzug. Nur mehr auf den Tod warten, dass wollten sie, und ihr falscher Gott würde ihn bald über sie bringen.
NUN GAB ES aber einen jungen Dämon, Oger genannt. Ein Kind war es, mit langen Hörnern auf dem Kopf und so dunkel wie ein Alptraum. Nur seine Augen glühten vom letzten goldenen Licht des Mondes. Und gerade als der letzte Schein erlosch, fiel ein Tropfen herab, direkt in Ogers Auge. Und diese färbten sich golden, schimmernd wie der Mond selbst.
Oger spürte mit einem flatternden Atemzug, dass dies ein Schicksalsmoment war. Als er die Augen wieder öffnete, sah die Welt anders aus als vorher. Wo sie schwarz und leer gewesen war, tot, verdorben, erstarrt, da sah er winzige Pfützen von Helligkeit.
„Wie seltsam!“, sagte sich Oger. Und er ging zu einer Pfütze ganz in der Nähe und berührte den kalten Baum, der dort wuchs – das spürte er Wärme aus seiner Hand fließen, hinein in den Baum. Dieser trug weiße Blüten und frische Blätter zur gleichen Stunde. Oger konnte sich nicht sattsehen an dem Wunder. Schon bald kamen andere herbei, die ihn sagen. In ihren Augen sah Oger einen Widerglanz des leuchtenden Baumes, während sie ihn anstarrten. Und in ihren Herzen, nur für Oger zu sehen, flackerten wie Kerzen kleine Lichter auf.
Oger berichtete, was geschehen war, von der Mondträne und dem Schimmer im Baum. Sogleich drängten ihn die Elfen, mehr Pflanzen zum Wachsen zu bringen, doch ach!, zu viele der Bäume waren bereits tot. Vergeblich streichelte Oger sie, doch keinen Lichtfleck konnte er finden. Dafür aber sah er einen tief in der Erde, und wie er ihn berührte, sprudelte reines Wasser aus einer Quelle aus Diamanten. Das Volk frohlockte, es jubelte und tanzte – Menschen und Elfen und Zwerge und Drachen mit Dämonen wild durcheinander! Oder aber fühlte sich kälter als zuvor. Wer aus der Quelle trank, den packte eine klare Wut. Stimmen erhoben sich gegen das Übel, das die ganze Welt täuschte und sich dreist ihren Gott nannte. Dies hörten die Drachen, die Gotod noch folgten. Sie flogen heran, um die Zweifler mit ihrem heißen Atem zu verbrennen. Panik befiel die Menge, doch Oger sah einen großen Lichtfleck, und er fasste schnell dorthin. Da spannte sich ein Dach über der Festung der Dämonen und kein Drache konnte sie erreichen. Wie die Feuerbestien dies aber sahen, bekamen sie Zweifel. Oger fand einen goldenen Faden im Wind, den er ergriff, und sogleich trug dieser treu die Stimmen der Wütenden zu den Drachen. Diese hörten zu, vernahmen die Anklage gegen Gotod und die Wahrheit darin. Da wandten sie sich gegen ihn.
ZU DIESER STUNDE hatte sich Gotod in seinen leeren Palast zurückgezogen. Mit dem gestohlenen Licht des Mondes erleuchtete er die Gänge und den Garten und die vielen Edelsteine. Doch das Licht war fahl, und in seinem Schein wirkte alles tot und farblos. Der größte der Drachen, der letzte Diener Gotods, verspürte Zweifel, und so floh er den bösen Ort.
Nun erst merkte der Gott der Vernichtung, dass sich die ganze Welt gegen ihn gestellt hatte. Er wurde rasend und begann sein Werk. Die Erde bebte. Flammen regneten aus dem Himmel, die Meere liefen kochend über. Ein vielstimmiger Schrei schallte zum Horizont.
Oger kämpfte wie alle anderen. Wann immer er ein Lichtlein sah, nahm er es in die Hände, um es vor dem Erlöschen zu bewahren. Doch wie er dies tat, blies Gotod sieben weitere aus. Jede Pfütze aus Mondentränen wurde mit schwarzem Öl übergossen. Die Welt erkaltete weiter und weiter. Ein Sturm folgte auf den anderen, bis endlich Stille einkehrte, da war alles schwarz, sogar die Sterne vom Nachthimmel waren fort. Mit einem letzten Atemhauch wollte die tote Welt sich ergeben, da hallte ein winziger Herzschlag wider!
Gotod knurrte vor Überraschung. Er suchte und bald hatte er Oger gefunden, der sich in einer tiefen Höhle verborgen hatte. Er schluchzte und mit jeder Träne lief ein wenig des Lichtes aus ihm hinaus. Keine Kraft hatte der junge Dämon mehr übrig! Denn wann immer er eine goldene Pfütze berührte, gab er sein eigenes Licht in diese Quelle. Nun war diese fast aufgebraucht.
Gotod lachte, als er seinen Gegner besiegt vor sich sah. Verzweifelt sah Oger auf. Ein winziger Funke Licht war noch in seinem Herzen, doch die Dunkelheit der Welt würde ihn ersticken.
DA SAH OGER unerwartet ein weiteres Licht. Wie im Träume streckte er die Hand aus und berührt Gotods Brust. Darin flackerte ein Kerzenflämmchen auf. Und noch während Oger fiel, seiner letzten Träne beraubt, wurde aus der Kerze ein tosender Brand. Gotod fing den stürzenden Dämon auf. Und wieder sah man den schwarzen Mantel und die goldene Rüstung, doch war es ein Mantel aus weichem Samt, in den das Wesen den Dämon bettete, und die Rüstung blendete nicht länger, sie schenkte Wärme und Licht.
Mit letzter Kraft sah Oger zu dem schönen Wesen auf, das an Gotods Stelle getreten war. Wie der Mond erschien es ihm, wahrlich rein und wahrlich dunkel, doch war es nun vollständig von Licht erfüllt.
„Gotod ist fort“, sprach das Wesen leise. „Ein Parasit war es, ein niederes Wesen, gemeiner und verlogener noch als die Menschen, Elfen, Zwerge und Drachen, die euch Dämonen unrechtmäßig verstießen. Seine einzige Macht beruhte darin, sie anderen zu stehlen. Auch meine Macht wollte es, die Macht des Mondes. Und so stahl es zuerst meine Gestalt, dann mein Volk – euch – und zuletzt mein Licht. Ohne aber zu wissen, dass meine Macht versiegt, wenn niemand sie mir gibt.“
Oger hörte zu – zum Sprechen blieb ihm schon keine Kraft mehr.
„Denn siehst du, kleiner Dämon: Nur die Sonne kann aus eigener Kraft strahlen. Ihre Herrlichkeit leiht sie mir, denn es würde jedes geringere Geschöpf verbrennen. Ich spiegele ihren Schein für alle Welt und schenke ihn euch, den kleinen Wesen dieser Welt. Dies ist meine Kraft: Du kannst die größten Quellen erwecken, neues Leben schaffen, doch immer brauchst du andere, die diese Macht in deine Hände legen.“
Oger nickte schwach. Er verstand. Der Tropfen des Mondes, der zur Erde gefallen war, jene einzelne Träne, hatte durch Oger eine neue Macht entfaltet. Und diese hatte er dem Baum gegeben, der damit Hoffnung erweckte. Er schenkte sie der Quelle, die damit Mut erschuf. Er gab sie dem Berg, der ihnen Deckung bot vor den Drachen. Und der Wind konnte mit dem geliehenen Atem die Wahrheit verbreiten.
„Allein hättest du es nie geschafft“, flüsterte das reine Wesen sanft. „Macht muss man schenken, damit sie größer wird. Das hat Gotod nicht verstanden, und so war seine Welt zum Sterben verurteilt. Er wollte alle Macht alleine und damit erreichen, was Tausende nicht geschafft hätten. Am Ende starb er an seiner eigenen Gier. Und wir wären mit ihm gestorben, doch du, du tapferer, junger Dämon, du hast mich gesehen und du gabst mir deine Macht, mit der ich alles retten konnte.“
Lange sah das Wesen auf Oger hinab. Dann fügte es leise hinzu: „Nicht alles konnte ich retten. Oger, dein Name wird niemals vergessen werden.“
Und damit schloss das Mondlicht die Augen des Dämons, in denen kein Licht sich zeigte. Hinauf zum Mond selbst nahm es den Dämon und trug ihn dort für alle Zeit, sich wendend nach allen Richtungen, sodass jede Existenz einen Blick werfen konnte auf diesen Helden, der alles gegeben hatte.
Es heißt jedoch, nicht alles sei verloren … dass noch heute einige der goldenen Tränen auf der Erde liegen, verborgen für alle außer für jene, die mit Liebe statt mit Hass und Angst sehen.