Am nächsten Morgen kam Heike abermals aus ihrem Büro zu Miriams Schreibtisch. Sie grinste Miriam an, sodass diese fragend eine Augenbraue hob. »Warum grinst du denn so?«
»Unten im Foyer wartet Besuch auf dich.«
Stirnrunzelnd sah Miriam sie an. »Besuch? Für Mich? Wie kann das sein?«
Heikes Grinsen wurde nur noch breiter. »Lass dich überraschen«, sagte sie nur und ging wieder zurück in ihr Büro.
Langsam stand Miriam auf und ging hinunter. Im Foyer des Bürokomplexes sah sie sich suchend um. Dort stand jemand, mit dem sie nun überhaupt nicht gerechnet hatte: Herr Kunstheim. Mit großen Augen starrte sie ihn an. »Was machen Sie denn hier?«
»Ich wollte mich noch einmal für gestern entschuldigen – auch wenn Sie natürlich auch nicht ganz unschuldig an dem Dilemma waren, wie wir beide wissen. Immerhin habe ich nun mit Kaffeeflecken auf wichtigen Unterlagen zu kämpfen, die mich immer an unser erstes Zusammentreffen erinnern werden. Aber lassen wir das, ich hatte selbst gestern einfach einen sehr stressigen Tag. Doch das ist nicht der Grund, warum ich jetzt hier bin.«
»Sondern?« Miriam verschränkte abwartend die Arme vor der Brust.
»Vielleicht darf ich Sie irgendwann zu einem Kaffee einladen?«, fragte er vorsichtig nach.
»Natürlich. Für Kaffee würde ich alles tun. Selbst mit jemandem wie Ihnen in einem Café hocken«, antwortete sie, ohne zu überlegen und hätte sich dafür am liebsten auf die Zunge gebissen. Aber nun war es raus, ein Zurück unmöglich. Aber was konnte sie denn dafür, dass sie ein wahrer Kaffeejunkie war. Ohne Kaffee ging bei ihr nun mal gar nichts.
Herr Kunstheim hob eine Augenbraue und blickte sie prüfend an, ob sie ernst meinte, was sie sagte.
Diesmal waren es ihre Mundwinkel, die verdächtig zuckten. »Tut mir leid.« Sie erklärte ihm ihre Kaffeesucht und sie verabredeten sich für Freitagnachmittag in einem Café, das ziemlich genau zwischen der Universität und der Zeitungsredaktion lag.
Als der Professor wieder gegangen war und sie zurück in die Redaktion ging, um sich ihren dortigen Aufgaben zu widmen, konnte sie sich kaum auf ihre Arbeit konzentrieren. Dreimal waren sie sich gestern über den Weg gelaufen. Dreimal hatte er sie angepflaumt und dennoch hatte er sie heute um ein Kaffeedate gebeten.
»Merkwürdiger Kerl«, murmelte sie vor sich hin und korrigierte den Artikel weiter.
Pünktlich am Freitagnachmittag nach Feierabend und sogar noch zehn Minuten vor dem eigentlich verabredeten Zeitpunkt traf Miriam in dem Café ein. Sie ließ ihre Augen schweifen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Das Café war gut besucht und nur wenige Tische waren noch frei. Herr Kunstheim war noch nirgends zu sehen. Sie steuerte einen Tisch in einer kleinen Nische an.
Kaum hatte sie Platz genommen, ging die Tür des Cafés erneut auf und Herr Kunstheim trat ein.
»Darf es bei Ihnen schon etwas sein?«, fragte die Kellnerin freundlich.
»Einen Moment noch, bitte. Ich warte noch auf ihn.« Sie deutete mit dem Kopf in Richtung Herrn Kunstheim. Merkwürdig, dass sie ihn noch immer so nannte, obwohl sie sich anfangs geduzt hatten.
Die Kellnerin nickte und ging.
Ihre Verabredung kam auf sie zu, nachdem er sie entdeckt hatte. »Pünktlich wie die Maurer, wie?« Lächelnd zog er seinen Mantel aus und ließ sich auf dem Stuhl ihr gegenüber nieder.
Miriam zuckte mit den Achseln. »Ich bin auch eben erst gekommen.«
Er musterte sie eingehend.
»Was ist? Habe ich Dreck im Gesicht?«
Herr Kunstheim schüttelte den Kopf. »Nein, das gewiss nicht.«
»Warum schauen Sie mich dann so prüfend an?«
»Du.«
Sie sah ihn verblüfft an. »Wie bitte?«
Er lachte kurz auf. »Wir haben uns … oder besser gesagt ich dich … von Anfang an geduzt. Bis auf die kleinere Ausnahme vor meinem Büro, als wir einander offiziell vorgestellt hatten. Warum sollten wir es nicht einfach dabei belassen? Ich bin Ralf.« Er stand auf und reichte ihr seine Hand.
Der Mann irritierte sie immer mehr. Dennoch ergriff sie sine Hand. »Miriam.«
Ralf nickte und setzte sich wieder.
Nachdem sie jeder einen Kaffee bestellt hatten und dieser auch recht schnell kam, sprachen sie über Gott und die Welt. Sie verstanden sich erstaunlich gut und hatten unglaublich viel zu lachen.
Nach gut zwei Stunden und einigen weiteren Kaffees sah Ralf auf die Uhr und verzog das Gesicht.
»So ein Mist. Ich muss leider gehen. Ich habe Melli versprochen, sie heute Abend abzuholen.«
Miriams Gesicht wurde ernst, doch das bemerkte Ralf scheinbar nicht.
Er kramte seine Geldbörse heraus und bezahlte alle Getränke, nachdem er die Kellnerin auf sich aufmerksam gemacht hatte. Schließlich sah er sie lächelnd an. »Meinst du, es gäbe die Chance auf eine Wiederholung?«
Diese Frage verwirrte Miriam noch mehr. »Eine Wiederholung wovon?«
»Nun, besteht die Möglichkeit, dass wir uns wiedersehen?« Er sah sie noch immer fragend an und hoffte wohl auf eine positive Antwort.
Was sollte sie denn sagen? Es war wirklich nett mit ihm. Aber wer war diese Melli? Sie traute sich nicht, ihn danach zu fragen. Miriam war sich sicher, dass es sich dabei um seine Freundin handelt. Aber so toll schien es mit der ja nicht zu laufen, wenn er sich heimlich mit einer anderen Frau traf. Aber vielleicht betrachtete er Miriam nur als eine nette Bekanntschaft, mit der man sich gut unterhalten konnte. Aber auch das schien ihr paradox, schließlich hatte ihre Bekanntschaft, wenn man es denn schon als eine solche nennen konnte, nicht sehr nett angefangen.
Miriam beschloss, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Was hatte sie schon zu verlieren? Immerhin hatten sie sich wirklich sehr gut unterhalten und sie wollte schließlich nichts von ihm. Oder? Nein, ausgeschlossen. Dazu war der Start viel zu chaotisch. So etwas konnte nicht gut gehen.
Er sah sie noch immer erwartungsvoll an, sodass sie schließlich zustimmte und sie ihre Handynummern austauschten.