Schreibübung: Als Beitrag zur SIXTY MINUTES Challenge mit dem Prompt:
"Lass' uns ein Spiel spielen."
Als Fortsetzung zu "Zerbrechlichkeit".
"Lass' uns ein Spiel spielen."
„Lass mich los! Ich befehle es dir!“, schrie seine Königin immer wieder und wehrte sich gegen seinen festen Griff. Doch obwohl er in einem Arm den kleinen Säugling trug, war es ein leichtes für ihn sie hinter sich herzuziehen.
„Das geht nicht, Eure Hoheit“, erwiderte Amrit mit dem Maße an Demut, dass er in dieser Situation noch aufbringen konnte. Auch er war aufgewühlt – von den Ereignissen völlig überrannt. Aber dies hier war seine Aufgabe. Zwar täuschten die letzten Jahre, in denen eine tiefe Freundschaft ihn mit seinem König verbannt, darüber hinweg, doch er war noch immer für den Schutz der königlichen Familie zuständig. Tara jetzt gehen zu lassen, würde bedeuten sie dem sicheren Tod zu überlassen und er hätte versagt.
„Du hast mir nicht zu sagen, was geht und was nicht geht! Ich bin deine Herrin!“, schrie sie weiter. Die Worte hätten Amrit verletzen können, hatte doch Tara ihn nie behandelt als sei er ihr Eigentum – obwohl er es gewissermaßen war. Sie hatte schier Panik und diese Angst ließ sie Dinge tun und sagen, die sie sonst entsetzt hätte. „Ich kann ihn nicht allein lassen!“, rief sie mit tränenerstickter Stimme und begann am ganzen Körper zu beben. „Ich gehöre an seine Seite!“
„Was ist mir Euren Kindern, Eure Hoheit?“, fragte er und beschleunigte seine Schritte. Sie halten verzerrt von den Wänden wieder. Es war auf seine Art gespenstisch – wir waren zu fünft, aber es war sonst totenstill. Selbst das Baby gab keinen Ton von sich.
Tara schwieg, aber Amrit verspürte deutlich, dass er genau den richtigen Punkt getroffen hatte. Sorgenvoll ging sein Blick zu ihr, musterte ihre versteinerte Miene und als sich ihre Blicke kreuzten erkannte er schon wieder mehr die Freundin, die er in ihr hatte.
„Es tut mir leid“, sagte sie leise. „Es war nicht richtig, wie respektlos ich dir gegenüber war. Du bist ein treuer Diener unserer Familie und so viel mehr als das.“ Tara lächelte Amrit zu und wahrscheinlich war es dieses Lächeln, dass ihn für eine Sekunde schwach sein ließ. „Ich vertraue dir meine Kinder an“, sagte Tara und riss sich dann abrupt los.
Ohne den Säugling im Arm hätte er wohl herumfahren und sie festhalten können. Die Sorge um den jungen Prinzen in seinen Armen ließ ihn jedoch wie erstarrt dastehen.
„Bleibt hier!“, rief er seiner König nach, aber die war bereits im dunklen Gang hinter ihnen verschwunden. Ihre Schritte hallten noch für wenige Sekunden nach und wurden dann von der Dunkelheit verschluckt.
„Mutter!“, rief Ravindra und lief ebenfalls los. Amrits Hand, die versuchte den Kragen des Kronprinzen zu fassen, ging ins Leere.
„Verdammt!“, stieß er aus. „Amar“, sprach er seinen Sohn an und drückte ihm das Baby in die Arme. „Halte ihn gut fest. Lauf bis zum Ende des Tunnels und warte da auf mich. Ich hole die beiden zurück!“
Sein Sohn, der mit seinen acht Jahren viel zu jung war, um seinen Pflichten als Leibwächter der Prinzen nachzukommen starrte ihm aus großen Augen entgegen. Seine Hände, die sich um das Baby geschlungen hatten, zitterten.
„Aber Vater … Wie soll ich … Was wenn jemand …“
Amrit sah seinem Kind fest in die Augen und die Angst, die dabei war ihn zu übermannen war schier greifbar.
„Es … ist ein Spiel, in Ordnung?“, brachte er stockend hervor. Es war das erste was ihm einfiel, aber er musste etwas tun, um seinem Sohn in dieser ausweglosen Situation Selbstvertrauen zu geben. „Lass uns ein Spiel spielen. Es ist so, wie wenn wir trainieren und du weißt was du kannst.“ Er griff an seine Seite und holte einen Gegenstand hervor, den er Amar reichte. „Nimm den, wenn euch jemand entgegenkommt versteckt euch. Wenn es nicht anders geht nimmst du den Dolch und tust was ich dir beigebracht habe!“
Bebend schob Amar umständlich Sunil auf seinem Arm zurecht und griff dann nach der Waffe. Bevor er sie sich jedoch in den Gürtel schieben konnte hielt Amar ihn auf. Mit einer fließenden Bewegung wickelte er sich den Turban ab und benutzte die Stoffbahn, um den Säugling an Amar zu binden, damit dieser mehr Bewegungsfreiheit hatte. „Jetzt geh!“, befahl er, verschwendete keinen Gedanken mehr an ihn und sprang auf die Füße. Er hatte ein absolut schlechtes Gefühl und wenn er Tara und Ravindra noch einholen wollte, musste er sich beeilen. Die Angst um Amar und Sunil musste er hinter sich lassen. Sein Sohn war noch jung, aber er hatte ihn trotz allem gut trainiert. Obwohl sein König – sein Freund – oft gemeint hatte, er sei zu streng zu seinem Sohn und solle ihn mehr Kind sein lassen. Vielleicht war es Vorsehung gewesen. Vielleicht hatte er gespürt, dass dies alles passieren würde. Amar würde Sunil und sich beschützen können. Da war er sich sicher. Er musste sich sicher sein. Alles andere würde bedeuten, die beiden gerade in den sicheren Tod geschickt zu haben.
- Ende -