»Wie lief es?«, fragt sie ihn sofort, als er zu ihr zurückkehrt. An einem Baum sitzend bedeutet sie ihm sich zu ihr zu setzen.
»Nun«, meint er, während er ihrer Aufforderung nachkommt. »Es war in Ordnung. Hätte schlimmer sein können.«
»Und das bedeutet?« Sie schlingt ihren Arm um seinen Hals und zieht ihn somit näher zu ihr.
»Das weiß ich selbst nicht genau. Ich meine...ich, diese Freundschaft bedeutet mir noch immer sehr viel. Und ihr scheinbar auch«
Sie nickt und blickt schweigend einem fallenden Blatt nach. »Meinst du, eure Freundschaft hat eine neue Chance?«
Lange Zeit starrt er in die Luft, ehe er sich zu ihr dreht. »Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, ob sie dieser Freundschaft eine neue Chance geben möchte, nach alledem, was passiert ist.«
Vorsichtig streicht sie ihm durch die Haare. »Warum? Warum sollte sie es nicht wollen?«
»Nun«, versucht er sich zu erklären, während er noch nach Worten ringt. »Ich, ich habe sie verlassen. Einfach so. Das ist nicht wieder gut zu machen. Das ist das schlimmste, was ich hätte tun können.«
Fragend sieht sie ihn an und obwohl er erst versucht, es zu ignorieren, hält er das Schweigen nicht länger aus. »Ich wollte mit ihr zusammen alt werden. Ich wollte meine gesamte Zukunft mit ihr verbringen. Ich hatte so viele Pläne für die Zukunft. Wie wollten Kinder. Wir wollten glücklich sein. Gemeinsam leben, bis wir alt und schrumpelig werden.
Und dann komme ich und mache alles kaputt. Zerstöre all die Träume. Begehe den schlimmsten Fehler, den man begehen kann. Wieso also hätte ich oder die Freundschaft für sie eine zweite Chance verdient? Wieso sollte sie mir den Verrat verzeihen? Wieso sollte sie nach alledem noch immer eine Freundschaft mit mir wollen?«
Sie umschließt ihn fester mit ihren Armen. »Wieso glaubst du, dass du sie verraten hast?«
»Ich...genau das ist meine größte Angst. Eines Tages alleine dort zu stehen. Verlassen und einsam. Und genau das habe ich mit ihr gemacht. Das ist doch nicht fair!«
Er versucht sich aus ihrer Umarmung zu lösen, aber sie umklammert ihn nur noch fester. »Nun, es ist dein Weg. Du wurdest in dieser Beziehung offensichtlich nicht glücklich. Warum also sollte es dann nicht fair sein, wenn du deinen Weg gehst, auf dem du glücklicher wirst?«
»Ich wollte sie doch nicht...«, versucht er sich zu verteidigen, wird aber von ihr unterbrochen. »Du wolltest sie nicht verletzen. Natürlich! Aber es war nicht zu verhindern! Du kannst nichts dafür! Es ist nicht deine Schuld! Wenn es nicht passt, solltest du es nicht erzwingen. Das hilft euch beiden nicht weiter. Du solltest keine Beziehung der Beziehung willen führen, sondern weil du damit glücklich bist. Warst du wirklich glücklich?«
»Naja«, antwortet er.
»Siehst du. Und deshalb hast du keine Schuld! Du hast sie nicht alleine gelassen! Du bist bloß deinen Weg gegangen.«
Verzweifelt sieht er sie an. »Ich hatte so viele Pläne!«
»Das Leben durchkreuzt alle Pläne. Du kannst die Zukunft nicht planen, denn es kommt immer anders. Wichtig ist nicht, was du in der Zukunft tun wolltest, sondern was du jetzt tust und was du getan hast. Welche Erinnerungen du in dir trägst. Die Vergangenheit macht dich zu dem Menschen, der du heute bist, nicht die Zukunft.«
»Und was heißt das jetzt?«, fragt er leise.
»Du hast erzählt, dass euch beiden eure Freundschaft scheinbar noch sehr viel bedeutet.«
»Und?«
»Nun, warum sagst du ihr das nicht. Warum fragst du nicht, ob eure Freundschaft noch eine Chance hat. Auch Freundschaften sind wichtig, um am Ende nicht alleine da zu stehen.« Sie zwinkert ihm zu.
Sie löst die Umarmung und er steht langsam auf. »Du meinst...?«
»Exakt. Was hast du zu verlieren?«
Er zuckt mit den Schulter. »Ich weiß nicht.«
Sie lächelt ihn an, während sie noch immer mit dem Rücken zum Baum sitzt. »Sieht du!«
»Aber jetzt?«, fragt er unsicher.
»Wann sonst? Es lässt dich doch offensichtlich nicht los.«
»Hm.«
»Ich warte hier auf dich.«
»Dankeschön«, murmelt er und dreht sich um. Langsam verschwindet er wieder auf dem Weg, von dem er eben erst gekommen ist.
Erneut klopft er an der Tür und nach wenigen Augenblicken macht sie die Tür auf.
»Ich...ich wollte bloß fragen«, beginnt er, lässt seinen Satz aber unvollendet.
»Komm rein.«
Wieder einmal setzt er sich auf die Couch.
»Willst du was trinken?«, fragt sie und deutet auf die Flasche, doch er schüttelt den Kopf. Sie selbst schüttet sich etwas ein und setzt sich dann neben ihn.
»Was wolltest du?«
»Meinst du unsere Freundschaft hat noch eine Chance?«, fragt er geradeheraus.
Sie trinkt einen Schluck aus ihrem Glas und scheint nachzudenken.
»Sie bedeutet mir noch immer viel. Und ich würde mich sehr freuen, wenn du wiederkommst. Aber du sollst deinen Weg gehen. Lass dich nicht von mir aufhalten. Bleib nicht wegen mir. Wenn du gehen willst, geh. Ich will dich auf deinem Weg nicht aufhalten.«
Er beugt sich nach vorne und stützt seine Arme auf die Oberschenkel. »Ich habe gemerkt, dass ich diese Freundschaft noch immer brauche. So wie ich sie brauche, brauche ich auch dich. Aber als Freundin. Nicht als Frau.«
Sie nickt. »Ich verstehe, was du meinst. Du wolltest immer mehr, als ich. Ich war glücklich mit dir. Aber gerade als du damals über die Zukunft und über Kinder gesprochen hast...ich wollte dich nicht enttäuschen. Du klangst zu euphorisch. Aber ich weiß nicht, ob ich das alles so wirklich wollte. Es hat mir auch Angst gemacht. Ich will mit dir zusammen sein, aber irgendwie fühlte ich mich damals unter Druck. Ich weiß, es war nicht deine Absicht. Und ich brauche dich doch auch. Aber ich brauche auch diese Freiheit, die ich die letzten Tage genießen konnte. Keinen Druck, keine Verpflichtungen zu haben. Er schmerzt noch immer, natürlich. Es ist nicht leicht. Aber vielleicht ist eine Freundschaft wirklich der richtige Weg für uns. Vielleicht noch nicht heute, vielleicht nicht morgen. Dafür sind die Wunden zu frisch. Aber ich hoffe, dass wir eines Tages mit Recht von einer wunderbaren Freundschaft sprechen können, deshalb will ich ihr eine neue Chance geben.«