*Kapitel 2*
Harry blinzelte. „Du willst was? Bist du irre?“
„Nein, im Gegenteil sogar. Ich habe mir das lange und ganz genau überlegt, glaub mir. Aber ich habe keine andere Wahl, Potter. Um an Informationen zu kommen, setzen sie den Imperius ein und dir ist ja wohl bekannt, dass ich als Fluchbrecher arbeite. Was meinst du, was sie mit diesen Informationen anfangen können?“, sagte Malfoy ruhig und es lag nicht ein Hauch von Sarkasmus in seiner Stimme.
„Ein Grund mehr, dich mitzunehmen und in Sicherheit zu bringen. Dann sagst du uns, wo die Todesser sind und dann ist das Thema ein für alle Mal erledigt!“, sagte Harry geschäftig.
„Mensch, Potter, ich bitte dich, streng dein kleines Heldenhirn an und versuche wenigstens, mitzudenken! Denkst du nicht, dass ich, wäre das so einfach, vielleicht zu dir ins Büro gekommen wäre, anstatt dich zu verfolgen und zu riskieren, dass du mich verfluchst? Ich kann dir nicht mal sagen, wo das Versteck ist. Er hat einen Fluch über die gesprochen, denen er nicht zu einhundert Prozent vertraut. Wir können nur allein dorthin apparieren und wir können auch nicht über den Ort reden. Ich weiß nicht mal, ob es noch in England ist. Es ist… wie eine Blockade.“ Malfoy schnaubte. „Es ist zum verrückt werden. Ich hab gedacht, ich kann in Ruhe mein Leben leben. Diesmal ohne diese verdammten Dreckskerle. Sie haben schon einmal mein Leben fast zerstört! Das werde ich nicht wieder zulassen, hörst du?“
Harry überlegte fieberhaft, suchte nach einer Lösung, doch ihm fiel keine ein. Er hatte Malfoy erst einmal so verzweifelt gesehen. In ihrem sechsten Jahr, als der Druck der Gefolgschaft zu Voldemort über ihm zusammengebrochen war und Harry ihn fast umgebracht hatte. Er schluckte. Er konnte Malfoy nicht zwingen, eine Aussage gegen die Todesser zu machen und er würde den Teufel tun und ihn festnehmen, wenn er wirklich in Gefahr war. Dennoch war Malfoys Forderung zu viel des Guten. Das konnte und durfte er nicht. Er würde seinen Job nicht für Malfoy riskieren. Nicht für ihn.
„Malfoy, ich will dir ja helfen. Wirklich. Aber die Unverzeihlichen Flüche sind nach wie vor illegal. Selbst Auroren dürfen sie nur im größten Notfall einsetzen.“
„Sind ein Menschenleben und streng vertrauliche Informationen denn kein Notfall? Was wäre, wenn die Existenz des Ministeriums bedroht wäre?“
„Ist sie das?“, entgegnete Harry aufmerksam.
„Nein. Noch nicht, soweit ich weiß. Aber was weiß ich schon, was dieser Verrückte vorhat? Du hast wirklich keine Ahnung, wie er ist.“ Malfoy rieb sich über das Handgelenk. „Der Dunkle Lord war vielleicht grausamer, doch dieser… Mensch… ist intelligenter. Er manipuliert die Leute. Er weiß, wo er welchen Menschen am besten verletzen kann. Merlin… Du hast ja keine Ahnung.“
Harry schnaufte. „Ich riskiere nicht meinen Job für dich, Malfoy.“
„Ich werde es niemandem verraten. Ich schwöre es dir! Du bestimmst, wo und wie wir es machen. Bitte, Potter. Ich würde mich nicht an dich wenden, wenn ich nicht wirklich verzweifelt wäre.“
„Und wenn dein… Boss nach mir fragt und die Informationen mit dem Imperius aus dir rauskriegt?“
„Er fragt sehr spezifisch nach den Dingen. Er wird nicht nach dir fragen, wenn wir vorsichtig sind. Er kann mich schließlich nicht die ganze Zeit bewachen.“
„Malfoy, das ist viel zu riskant, du bist verrückt.“ Harry schüttelte den Kopf und wollte sich abwenden. „Ich werde niemandem sagen, dass du wieder ein Todesser bist, versprochen. Aber das ist alles was ich für dich tue und das auch nur, weil ich weiß, dass du gegen deinen Willen arbeiten musst. Leb wohl, Malfoy.“
Er war schon zwei Schritte gegangen, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte, die ihn vorsichtig umdrehte. Malfoy stand so dicht vor ihm, dass er seinen Atem auf seinem eigenen Gesicht spüren konnte. Die grauen Augen sahen ihn bittend an. So verzweifelt und trotzdem so schön, dass es Harry ein wenig das Herz brach. Er räusperte sich.
„Potter… Harry… Bitte. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Egal was passieren wird, ich stehe dafür gerade. Wenn du ins Visier gerätst, sag halt zur Not, ich hätte dich mit etwas erpresst. Dann krieg ich in jedem Fall eine Haftstrafe. Bitte, Potter. Ich muss das riskieren. Ich will diesem Mann nicht helfen. Ich will niemandem wehtun.“
Harry war erstaunt ob der ehrlich klingenden Worte. Malfoy hatte sich in den letzten Jahren nichts zu Schulden kommen lassen. Er hatte nach seinem Freispruch die Schule beendet, war ein sehr guter Fluchbrecher geworden. Diese Notlüge würde seine Existenz zerstören, wenn sie rauskam. War Malfoy wirklich so verzweifelt, dass er seine Freiheit riskierte? Und was für ein Held wäre Harry, wenn er ihm nicht helfen würde, diese zu behalten? Es war ja bei weitem nicht das erste Mal, dass er gegen die Regeln verstieß.
„Na schön.“ Er sah, wie Malfoys Gesicht sich aufhellte und er musste unwillkürlich schmunzeln. „Ich helfe dir, aber das ist nur eine vorübergehende Notlösung. Ich werde mich gleichzeitig an einen Weg setzen, diesen Kerl zu schnappen. Er macht schließlich nicht nur dir Ärger. Die Anschläge auf Häuser, egal ob Muggel oder Zauberer, häufen sich wieder.“ Er stockte kurz und sah Malfoy ernst an. „Du warst doch nicht etwa daran beteiligt…?“
Malfoy wurde ein wenig rosa um die Nasenspitze, was, selbst jetzt im Dämmerlicht, einen starken Kontrast zu seiner blassen Haut darstellte. „Keine schwerwiegenden Sachen. Ich versuche mich auf Sachbeschädigung und Informationsbeschaffung zu beschränken, was natürlich nicht immer leicht ist. Für die… Folter und die Morde sind andere zuständig.“
Harry atmete erleichtert auf, auch wenn Malfoy trotzdem keine Kavaliersdelikte beging. Er raubte diesen Familien ihr Zuhause, ihre Existenz. Manche Dinge konnte man eben nicht mit einem Reparo reparieren und in den meisten Fällen wurde immer jemand verletzt bei diesen Angriffen. Doch gefasst werden konnte bis jetzt niemand. Diese neuen Todesser schienen wie Phantome zu sein, die zwar ungeheuerliches Chaos anrichteten, aber klug genug waren, um sich nicht erwischen zu lassen.
Während Harry noch in seinen Gedanken mit Malfoys Straftaten beschäftigt war, sah sich dieser um und runzelte die Stirn. „Wo sind wir eigentlich? Sieht aus, wie eine Muggelgegend.“
„Ja, wir sind in einem Park in London. Hier ist am Abend eigentlich nie etwas los. Deshalb hab ich dich hierher gebracht. Ich wollte Kollateralschäden vermeiden, falls wir uns duellieren müssen.“
„Umsichtiger kleiner Auror.“ Malfoy grinste. Diesmal jedoch nicht spöttisch, sondern ehrlich und Harry grinste zurück. Wenn Malfoy nur wüsste. Vielleicht hätte er Harry nicht gefragt, wenn er gewusst hätte, dass Harry nicht nur negative Gefühle für ihn übrig hatte. Dass er ihn durchaus attraktiv fand und das schon länger als Harry eigentlich zugeben mochte.
„Lass uns gleich loslegen. Wir apparieren zu mir. Dann haben wir es umso schneller hinter uns und ich kann mich an die Arbeit machen und schauen, wie ich dich da raus boxe.“
„Möchtest du mich etwa wieder loswerden, kleiner Held?“ Malfoy zog arrogant eine Augenbraue in die Höhe. „Dabei ist meine Gesellschaft so bereichernd. Vielleicht könntest du sogar noch was lernen. In deinem Kopf ist sicherlich noch genug Platz.“
Harry ignorierte die Beleidigung und hob seinen Arm. „Wenn du nicht an der Hauswand zerschellen willst, rate ich dir, meinen Arm gut festzuhalten, kleiner Malfoy.“
Malfoy sah zögernd auf Harrys Arm, legte dann aber doch seine warme Hand darauf und zusammen verschwanden sie mit einem leisen Plopp.
Sie landeten, diesmal deutlich sanfter, und zu ihrer beider Glück fest, auf den Füßen in Harrys Wohnzimmer. Sofort verschwand Malfoys Hand von seinem Arm und Harry konnte nicht umhin, ein wenig Wehmut zu empfinden.
„Respekt, Potter. Das war eine ganz saubere Landung“, sagte Malfoy und grinste beiläufig. Dann sah er sich um, taxierte mit seinem Blick die Einrichtung und Harry fühlte sich seltsam entblößt. Jemand Fremden, und dann auch noch Malfoy, in sein Haus zu lassen war etwas ganz anderes als es bei Bekannten zu tun. Aber war Malfoy nicht ein Bekannter? Eigentlich nicht, wenn Harry es sich recht überlegte. Was wusste er denn schon von Malfoy, außer dass er ein arroganter, versnobter, rassistischer Idiot war, der leider sehr gut aussah und ihm damals im Manor tatsächlich das Leben gerettet hatte. Harry beschloss, dass er das bei Gelegenheit mal ansprechen würde, schließlich wusste er immer noch nicht, warum Malfoy ihn geschützt hatte.
Malfoy schob die Unterlippe ein wenig vor. „Ich bin beeindruckt, Potter. Du hast tatsächlich was aus dem alten Black-Haus gemacht.“ Sein Blick schweifte wieder über die hellen Sofas, welche einen angenehmen Kontrast zu den dunklen Bücherregalen bildeten. Harry hatte bei der Möbelauswahl sehr genau darauf geachtet, dass es nicht zu modern aussah, aber auch nicht so düster, wie zuvor. Also hatte er sich für warme, eher beigefarbene Töne entschieden.
Nun gut, Hermine, Fleur und Ginny hatten das entschieden und Ron und er hatten ergeben daneben gesessen und sehnsüchtig auf Bill gewartet, der erst einmal Feuerwhiskey besorgen gegangen war. Doch zum Schluss waren sie dann alle zufrieden und Harry dankbar für die Hilfe gewesen. Das Black-Haus alleine einzurichten wäre eine ziemliche Plackerei und nicht halb so lustig gewesen. Zudem würde er dann wahrscheinlich immer noch dabei sein, nach passenden Vorhängen zu suchen. Doch nun konnte er sich hier wohl fühlen und Gäste ohne schlechtes Gewissen einladen.
Harry räusperte sich. „Du warst schon einmal hier?“
Malfoy zuckte die Schultern und inspizierte das Bücherregal. „Als ich jung war. Damals war das Teil ziemlich schmuddelig und verfault gewesen. Mit etwaigen, manchmal auch schwarzmagischen, Geschöpfen in den Gardinen, im Bad und auf dem Dachboden.“ Er zog eine Augenbraue hoch und lächelte hämisch. „Das Schlammblut hat dir geholfen, oder, Potter? So gescheit bist du nicht… mal ganz abgesehen von dem Einrichtungsstil, der sicherlich nicht so geschmackvoll ist, wie dein Wohnzimmer.“
Harry rieb sich mit der Hand über die Augen. „Okay, hör zu, Malfoy. Mich kannst du meinetwegen beleidigen, okay? Das macht mir nichts“, log Harry. „Aber wenn du meine Hilfe willst, dann nenn Hermine nicht so. Nenn sie bei ihrem Nachnamen oder lass es ganz bleiben.“
Malfoy kniff die Augen zusammen und sah Harry finster an. „Na fein, Potter. Dein Haus, deine Regeln. Ich werde sie nicht mehr so nennen. Solange du vor… Granger und dem Wiesel deine Klappe halten kannst. Mag sein, dass sie dich nicht verraten würden, aber ich werde nicht sterben, weil du beim Kaffeeklatsch meine Probleme ausplauderst.“
Harry nickte zögerlich. Am liebsten würde er Ron und Hermine mit ins Boot holen, um möglichst schnell eine Lösung für die Todesser zu finden. Wenngleich vor allem Ron in eine vollkommen andere Berufsspate gewechselt war, so hatten sie immerhin gegen unzählige Todesser gekämpft. Und Hermine hatte es nicht lassen können und hatte sich nicht nur in ihrem Bereich spezialisiert, sondern hatte sich auch für die verschiedensten anderen Bereiche Wissen angeeignet. Harry war erstaunt, dass sie keinen Zeitumkehrer benutzte, wie damals im dritten Schuljahr. Andererseits würden sie beide Harry wohl für verrückt erklären. Ron, weil es eben Malfoy war und Hermine, weil Harry damit gegen seine Berufsehre und gegen das Gesetz verstieß. Er glaubte nicht, dass sie ihn verraten würden, doch ihre vorwurfsvollen Blicke würden reichen, um ihm ein schlechtes Gewissen zu machen.
Harry riss sich aus seinen Gedanken los, als er bemerkte, dass Malfoy ihn abwartend ansah. „Verzeihung. Ja, natürlich. Ich werde nichts sagen. Möchtest du was trinken?“
„Einen Tee. Falls du das hinbekommst, Potter.“
Harry grinste. „Stell dir vor, ich weiß sogar, wie man kocht, Malfoy.“ Er ignorierte den neugierigen, und auf eine Erklärung wartenden, Blick. „Aber Kreacher würde mich erwürgen, wenn ich zu viel selbst machen würde.“
„Kreacher?“, fragte Malfoy noch, doch da erschien der Hauself schon mit einem leisen Plopp. Er verbeugte sich huldvoll vor Harry.
„Master Harry Potter, wie schön, Sie zu sehen, Sir“, sagte der Elf ehrlich und Harry lächelte. Seit sie damals während des Krieges im Black-Haus untergekommen waren und Kreacher das falsche Medaillon geschenkt hatten, war Kreacher viel zuvorkommender und schien sogar Gefallen an seinem Herrn gefunden zu haben, obwohl dieser ein Halbblut war und sich förmlich in Kreachers Haus eingenistet hatte.
Kreacher wandte sich an Malfoy, erkannte ihn offenbar und verbeugte sich so tief, dass seine Nasenspitze den Boden berührte und Harry fürchtete, dass er aus dieser Position nie wieder hochkommen würde. Er war eben doch schon betagt.
„Master Malfoy, Sir. Welch eine Ehre, so hohen und reinen Besuch hier in unserem bescheidenen Haus willkommen zu heißen. Ein echter Erbe des Black-Hauses.“ Harry erkannte den Seitenhieb, nahm es dem Elfen aber nicht krumm. Er war ja schon froh, dass Kreacher ihn nicht mehr abstoßend fand und ihn sogar irgendwie mochte.
„Bring uns doch bitte zwei Pfefferminztees und stell Honig und Zucker dazu. Kriegst du das hin?“, sagte er stattdessen.
Der alte Elf sah beleidigt aus. Auch an ihm waren die Jahre nicht spurlos vorbei gegangen und als Harry festgestellt hatte, dass Kreacher in einigen Dingen nicht mehr ganz so agil und schnell war, hatte er beschlossen, einen zweiten Elfen einzustellen, um Kreacher zu entlasten. Nun gut, Hermine hatte ihn unwirsch darauf hingewiesen. Kreacher war zunächst äußerst erbost gewesen, doch als er gemerkt hatte, dass es sowieso zwecklos war, sich seinem Herrn zu verweigern, hatte er seinen Neffen vorgeschlagen. Knox. Ein ziemlich junger, ziemlich tollpatschiger Elf, der Kreacher manchmal mehr im Weg rumstand, als dass er ihm half.
„Natürlich bekommt Kreacher es noch hin, Tee zu machen, Master Harry Potter“, ranzte der Elf ihn an und verschwand beleidigt.
Malfoy sah Harry erstaunt an. „Du lässt zu, dass er so mit dir redet? Einfach so? Und er bügelt sich dafür nicht die Finger?“
„Ach was, der ist nur sauer, weil er Angst hat, Knox könnte ihm den Rang ablaufen. Mein zweiter Elf. Außerdem würde Hermine mich vierteilen und dann einem von Charlies Drachen zum Fraß vorwerfen, wenn sie mitkriegen würde, dass ich die Elfen zusammenstauche.“ Er grinste verlegen.
Malfoy nickte, schien aber nicht zu verstehen. Im selben Moment erschien Kreacher wieder und stellte das Tablet mit dem Tee und ein wenig Gebäck auf den kleinen Tisch vor dem größten Sofa. Dann verbeugte er sich artig und sah immer noch beleidigt zu Harry hoch.
„Danke, Kreacher. Du weißt doch, dass du hier der Chef bist. Knox kann noch eine Menge von dir lernen.“
Das schien den Elfen milder zu stimmen, denn nun sah er wieder so normal grummelig aus, wie immer und verschwand dann nach einer weiteren Verbeugung, sicherlich nach oben zu Knox, um ihm unter die Nase zu reiben, wer hier der Chef war.
Malfoy schüttelte den Kopf und lachte dann. „War ja klar. Der Auserwählte, der noch die niedersten Kreaturen schützt, aufnimmt und versteht. Was bist du doch für ein guter Mensch, Potter. Da wird einem ja übel.“
Harry schluckte hart und setzte sich dann auf das gemütliche Sofa. Betont lässig legte er den linken Arm über die Rückenlehne des Sofas. „Nun, ich hab auch dich hergebracht und schütze dich, oder nicht, Malfoy?“
Einen Moment lang schwieg der ehemalige Slytherin, bis er den Mund zu einer Grimasse verzog. „Touché, kleiner Auror, touché. Du bist überraschend schlagfertig geworden. Ist dir das spontan eingefallen, oder übst du das abends vor dem Spiegel?“
Harry überlegte kurz, ob er etwas erwidern sollte, doch er beschloss, es sein zu lassen. Wenn diese Aktion reibungslos und schnell über die Bühne gehen sollte, dann müssten sie sich zusammen reißen. Und zwar beide. Also schluckte er die unschöne Beleidigung, die ihm auf der Zunge lag, herunter und knabberte stattdessen schweigend an seinem Keks.
Eine angenehme Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Sie schwiegen, tranken ihren Tee und hingen jeder ihren eigenen Gedanken nach. Harry fragte sich nach wie vor, ob er da das richtige tat und ob er Malfoy wirklich trauen konnte. Er hatte so ehrlich, so aufrichtig verzweifelt, geklungen, sodass sogar die Spitzen, die er gegen Harry abgelassen hatte, nicht ganz so bösartig geklungen hatten, wie früher.
Ebenso hätte Harry früher natürlich nichts lieber getan, als Malfoy eine zu scheuern. Ganz ohne Zauberstab. Für all das, was er ihm an den Kopf geworfen und getan hatte. Sie hatten sich eben doch beide verändert. Harry hoffte inständig, dass Malfoy sich auch zum Besseren geändert hatte und nicht insgeheim doch freiwillig zu den Todessern gewechselt war.
Harry legte den Kopf schief und sah Malfoy einen Moment lang prüfend an. „Du bist wirklich in Schwierigkeiten, oder?“
Malfoy senkte seine Tasse Tee, die er gerade zum Mund geführt hatte, und sah ihn spöttisch an. „Oh, jetzt ist es wirklich ein bisschen spät, meine Absichten in Frage zu stellen, meinst du nicht auch, Potter? Ich bin in deinem Haus, würde ich es unehrlich meinen, hättest du gerade wohl die schlechteren Karten. Aber bitte, lass hören, was dich zu dieser frühen Erkenntnis bewegt hat.“
„Du bist ein echtes Arschloch, Malfoy… Aber kein so großes Arschloch, wie damals. An unsere Zeit in Hogwarts kommen deine derzeitigen Kommentare bei Weitem nicht ran, tut mir Leid. Daran hab ich es gemerkt.“
Malfoy runzelte nachdenklich die Stirn. „Jetzt fühle ich mich aber schon etwas gekränkt, Potter. Aber, selbst wenn, vielleicht bin ich auch nur erwachsen geworden? Nur weil ich dich nicht mehr ‚Narbengesicht‘ nenne oder dir sage, wie hässlich du aussiehst, gehst du davon aus, dass ich es ehrlich meine? Man, Potter, alle schwärmen doch immer, wie unglaublich gut du in deinem Job bist.“
Harry schnaufte. Malfoy war immer noch ganz Malfoy, daran bestand wirklich kein Zweifel. Wenngleich er auch heute wieder in Topform zu sein schien, war er dennoch nicht mehr ganz so fies und abgeneigt gegenüber Harry, wie zu ihrer Schulzeit, was diesen leider mehr freute, als er zugeben mochte.
Trotz der Stichelei lächelte Harry amüsiert. „Du findest mich hässlich, Malfoy?“
Malfoy schien einen Moment lang über diese Frage nachzudenken. In der Schule hätte Malfoys klare Bejahung auf Harrys Frage keine Sekunde lang gedauert, doch nun erwischte Harry ihn sogar dabei, sein Blick kurz über die Erscheinung des Helden glitt. Dann stellte er die Tasse elegant auf den Tisch und lehnte sich zurück, die Arme auf der Kopflehne des Sofas ausgebreitet.
Süffisant grinste Malfoy. „Und wenn es so wäre, Potter? Hast du dir was anderes erhofft?“
Harry reckte leicht das Kinn und versuchte eine blasierte Miene aufzusetzen. „Natürlich nicht, Malfoy. Du hast mit der Parkinson rumgemacht, auf deinen Geschmack gebe ich ohnehin nicht viel.“
Er war stolz auf seine schlagfertige Antwort, die er um seine Lüge gebaut hatte. Verdammt, wieso musste Malfoy auch so gut aussehen? Es war ja nicht so, dass er in Malfoy verliebt war. Er spürte nur, dass der ehemalige Slytherin ihn anzog und das Bedürfnis in ihm auslöste, ihm näher zu kommen. Verdammt.