Promt: Ich bin nicht traurig. Ich fühle gar nichts.
Das Flugzeug war auf dem Flughafen gelandet. Acht Stunden Nonstop-Flug von Montreal nach Berlin waren geschafft. Jetzt nur noch warten bis wir am Gate sind und der Klipper leer ist. Noch ca. 1 Stunde bis zum Feierabend. Ich will nur noch nach Hause.
„Kathleen, was machst du jetzt mit den freien Tagen? Eine ganze Woche Freizeit allein zu Hause?“, fragte mich meine Kollegin Anita.
„Wie kommst du darauf das ich allein lebe? Ich habe einen Freund und uns wird nicht langweilig werden“, antwortete ich ihr.
Nachdem wir uns im Personalraum abgemeldet hatten, nahm ich mir ein Taxi und ließ mich nach Hause fahren. Ich freute mich auf die freien Tage mit Sven. Es dauerte nur länger, weil die Stadt verstopft war. Überall Stau und ich war müde nach diesem langen Flug.
Ich schloss die Wohnung auf, trat in den Flur und rief: „Hallo, ich bin zu Hause!“
Keine Antwort und ich rufe noch einmal: „Hallo, Ich bin da und habe jetzt Urlaub!“ Wieder bekam ich keine Antwort und ich ging durch die Wohnung. Auf den Küchentisch lag meine Post, aber Sven war nicht hier. Wo ist er? Er weiß, dass ich heute nach Hause komme. Er muss seit zwei Tagen nicht mehr hier gewesen sein. So sah es nach der Post aus, welche ich vorhin aus dem Kasten genommen hatte. Beim Durchsehen der Post, meist waren es nur Rechnungen oder Werbung, fand ich 2 Briefe. Ein Brief war von meiner Fluggesellschaft, für die ich arbeite und der andere Brief war von Sven. Warum schreibt mir Sven einen Brief? Er weiß, wann ich zurück bin, er hat meine Handy-Nummer und einen Schlüssel für die Wohnung hat er auch?
Zuerst öffne ich den Brief der Fluggesellschaft und die kündigt mir meinen Arbeitsvertrag. Als Begründung geben sie an, dass ich jetzt 32 Jahre und für den Beruf des fliegenden Personals nicht mehr geeignet bin. Gleichzeitig bietet man mir eine Stelle in der Abfertigung zum tariflichen Gehalt an. Nach meinem Urlaub würde ich nicht mehr als Flugbegleiter eingesetzt werden. Sollte ich das Angebot nicht annehmen, würde mein Arbeitsvertrag zum angegebenen Termin enden. Bis dahin müsste ich, auf dem Flughafen Berlin Tegel, beim Servicepersonal arbeiten.
Was soll das? Von der Flugbegleiterin mit 2300 € plus Zuschlägen zum Servicepersonal mit 1500 € und nur wenigen Zulagen? Und was heißt hier 32 Jahre alt. Ich war immer pünktlich, wenig krank und bei Überstunden habe ich nie gemeckert, wie andere Kolleginnen. Das würde ich mir nicht bieten lassen.
Ich hatte mich ins Wohnzimmer gesetzt, nahm ich den Brief von Sven und öffnete ihn. Als ich das gefaltete Blatt herausnahm fielen zwei Schlüssel auf den Studentisch. Mein Haustür- und Wohnungsschlüssel, sowie der Briefkastenschlüssel, Ich ahnte nichts Gutes und faltete das Blatt auseinander. Es war mit dem Computer geschrieben. Eine Unterschrift fehlte.
Hallo Kathleen, es ist aus! Anbei deine Schlüssel für Briefkasten und Wohnung! Gruß Sven!
Er schreibt einfach, dass es aus ist. Keine Begründung, kein weiteres Wort. Einfach „Es ist aus! Dieser verdammte Mistkerl. 2 Jahre waren wir zusammen. Er hat hier gewohnt, sich von mir durchfüttern lassen und nur „Es ist aus!“
Ich lief ins Schlafzimmer und der Schrank stand offen-Seine Kleidung war weg. Im Badezimmer war auch alles von ihm weg. Das war jetzt zu viel. Ich hatte eine Wut im Bauch und lief ins Wohnzimmer. Aus der Bar nahm ich die Flasche Jim Beam setzte sie an und trank. Nach einigen Schluck setzte ich die Flasche ab, um nach kurzer Zeit erneut aus der Flasche zu trinken. Das machte ich mehrmals bis die Flasche leer war. Eine weitere Flasche hatte ich geöffnet und auch aus dieser trank ich direkt.
Piep, Piep Piep, Piep hörte ich. Was ist das für ein Ton? Langsam schlug ich die Augen auf. Wo war ich? Alles in Weiß, das Bett war nicht mein Bett, das Zimmer kam mir unbekannt vor und dieser Piep, Piep, Piep…
„Hallo Frau Friedrich, wie geht es ihnen?“, fragte eine unbekannte männliche Stimme.
Neben dem Bett stand ein Mann im weißen Kittel. Ein Stethoskop hatte er um den Hals gehangen.
„Wo bin ich?“. fragte ich.
„In der Charité. Sie wurden gestern mit einer Alkoholvergiftung hier eingeliefert, nachdem eine Freundin sie bewusstlos in ihrer Wohnung gefunden hatte. Mein Name ist Dr. Junos. Ich bin der behandelnde Arzt“, bekam ich als Antwort.
„Ich habe Kopfschmerzen und mir ist schlecht“, sagte ich
„Das kann ich mir vorstellen. Sie hatten 2,68 Promille Alkohol im Blut. Ich hoffe, dass sie nicht traurig sind, weil wir sie gerettet haben?“ fragte mich Dr. Junos.
„Ich bin nicht traurig. Ich fühle gar nichts“, antwortete ich, „Nichts, außer Kopfschmerzen und eine Wut auf mich selbst!“