Rainer liebte es jeden Sonntag in die Kirche zu gehen. Es war für ihn eine Erfüllung die Predigt der Ortspfarrerin zu hören. Gespannt lauschte er ihren. Worten. Heute schien etwas anders zu sein, wie sonst. In der ersten Bankreihe saß Melissa. Melissa Sander war nach 10 Jahren aus Frankreich wieder in den Ort gekommen. Neben ihr saß ein Kind von etwa 9 Jahren Ein Junge mit rostblonden lockige Haaren. Warum war sie wieder hier, nachdem sie damals über Nacht verschwunden war. Immer wieder hatte er nach ihr gesucht. Hatte alle im Ort mit seinen Fragen und der Suche nach ihr genervt. Ihre Mutter, die Pfarrerin, hatte ihn immer wieder weggeschickt und keine Auskunft gegeben. Warum hat sie das getan? Sie musste doch gewusst haben, wo sich ihre Tochter befand.
Jetzt war sie wieder hier im Ort und Rainer, war ganz aufgeregt. Würden heute seine vielen Fragen beantwortet werden? Ist sie verheiratet? Wer ist der Vater des Kindes?
Rainer konnte es kaum erwarten, dass der Gottesdienst endete. Es würde aber noch dauern, denn die Pfarrerin begann gerade ihre Predigt aus der Kanzel. Ihr Hauptthema waren Verse aus der Bergpredigt. Und es folgten diverse Bibelverse aus dem Matthäus-Evangelium mit vielen Erklärungen. Fast 45 Minuten dauerte die Predigt. Dann folgten Lieder, das Einsammeln der Kollekte und ein Abschlußgebet. Bei den abschließenden Lied ging die Pfarrerin langsam aus der Kirche und viele Besucher schlossen sich an. Direkt hinter ihr lief Melissa und ihr Sohn.
Am Ausgang verabschiedete die Pfarrerin ihre Besucher und auch mir gab sie die Hand. Ich dankte für ihre Predigt und wollte auch Melissa die Hand geben, aber sie drehte sich von mir weg. Als ich noch einmal versuchen wollte mit Melissa zu reden, würde ich weggeschickt. Der Junge und Melissa bräuchten ihre Mittagsruhe und am Abend hätte Melissa Termine und auch keine Zeit.
Was ich auch anstellte, es war nicht möglich mit meiner großen Sandkastenliebe allein zu sprechen. Bereits im Kindergarten waren wir unzertrennlich gewesen. Und jetzt baute man wieder Mauern um uns auf? Das konnte nicht sein.
Die ganze Woche versuchte ich mit Melissa zu reden, aber ich traf sie nie allein an. Immer war ihre Mutter dabei. Man ging mir auch bewusst aus dem Weg, wechselte die Strassenseite oder stieg aus dem Bus oder der Tram aus, wenn ich einstieg.
Traurig saß ich allein auf unserem Bauernhof, welchen ich seit ca. 4 Jahren führte. Vor mir stand ein Krug mit Rotwein und meine Abendmahl. Ich lebte allein auf dem Hof, denn mein Vater lag im Pflegeheim und die Mutter hatte die Geburt meines Bruders nicht überlebt. Mein Bruder starb einen Monat nach seiner Geburt.
Mein Wunsch war es damals mit Melissa den Hof zu führen, aber dann war sie weg. Auch die Schule hatte sie nicht beendet gehabt. Eine andere Frau habe ich nie angesehen oder angefasst. Keine kam meiner Melissa gleich, obwohl es, seit ich den Hof allein führte, viele es versucht haben.
8 Wochen war Melissa jetzt im Ort, als ich sie allein beim Einkauf auf dem Markt traf. Ich zog sie in eine kleine Ecke und sie schaute mich mit ihren dunklen Augen an.
"Melissa, ich habe dich sehr vermißt. Vergessen habe ich dich nie und ich habe sehr viele Fragen an dich. Bitte lass uns reden. Ich möchte Dich wieder haben und Antworten auf meine Fragen", sagte ich zu ihr.
"Rainer, ja wir müssen ganz dringend reden. Das weiß ich, aber die Mutter will es nicht und passt auf.", bekam ich zur Antwort.
"Rainer, auch ich habe unsere tiefe Liebe, die bereits im Sandkasten begonnen hat, nie vergessen können und ich kann es auch jetzt nicht. Es ist schwierig, weil die Mutter sehr aufpasst. Wir müssen nach Möglichkeiten suchen.", setzte sie noch hinzu.
Noch weiterer 2 Monate mussten wir warten, bis es einen Lichtblick gab. Der Pfarrer aus der Nachbargemeinde war verstorben und Melissa Mutter musste an 3 Tagen in der Woche die Vertretung übernehmen. Schon die erste sich ergebende Möglichkeit nutzen wir und ich holte Melissa mit ihren Jungen auf meinem Hof. Sie bereitete für uns eine zünftigen Brotzeit zu und dazu tranken wir von meinen guten Rotwein. Der Bub bekam einen großen Pott warmen Kakao. Nach der Mahlzeit war es dann Zeit für unserer Aussprache. Um den Bub zu beschäftigen habe ich ihn mit meinen Knecht Xaver in die Stallungen geschickt. Nun saßen Melissa und ich uns gegenüber.
"Warum warst Du auf einmal weg gewesen? Ich habe dich geliebt und tue es immer noch. Wo warst du?" , fragte ich Melissa
"Ich liebe dich immer noch, wie vor 10 Jahren, Rainer. Kannst Du dir vielleicht denken, warum ich weg musste? Es war nicht freiwillig, das sollst du wissen. ", bekam ich zur Antwort.. "Überlege einmal genau was wir vor meinen Verschwinden getan haben. Wir waren beide so verliebt und haben alle Vorsicht außer acht gelassen. Es war auch alles schön und ich bereue nichts davon, aber es blieb nicht ohne folgen, Rainer!", sagte Sie weiter. Rainer, ich war schwanger von Dir. Der kleine Alois, der mit dem Knecht im Stall ist. Er ist Dein Sohn. Unser gemeinsames Kind, was wir haben wollten. Nur meine Mutter wollte es nicht. Sie schickte mich in die Bretagne. Dort war ein Nonnenkloster, wo das ganze verschwiegen werden sollte. Ich wollte aber nicht Schweigen und bin mehrfach ausgerissen. Das letzte Mal kurz bevor ich hier im Ort ankam. " Ich habe den Mönchen und auch meiner Mutter gedroht, alles der Polizei zu melden, sollte ich noch einmal nach Frankreich müssen", beendete sie ihre Lebensgeschichte.
Jetzt hätte ich viele Antworten erhalten. Ich könnte es nicht fassen, das alles von Melissa Mutter ausging. Hier war ein erheblicher Aufarbeitungsbedarf vorhanden. Jetzt wollte ich aber schnell handeln. Ich nahm Melissa an die Hand und kniete mich vor sie hin: "Melissa Sander, möchtest Du mich Rainer Houber zu deinen Ehemann nehmen und ihn Lieben und ehren bis das der Tod uns scheidet?" fragte ich Melissa. Ich bekam ein eindeutiges ja und ich sagte ebenfalls Ja. Nun müssten wir noch das schwierigste Problem lösen. Die standesamtliche und die kirchliche Trauung. Über eines waren wir uns aber beide absolut sicher. Es sollte schnell gehen, denn uns war sehr viel Zeit gestohlen worden.
Nach 6 Wochen waren alle Hindernisse beseitigt und Melissa Mutter führte die Kirchliche Trauung durch. Es gab einen Grund dafür, welchen sie nicht lange hätte mehr verschweigen können. Und auch Alois freute sich auf eine kleine Elisabeth.