SiXTY MiNUTES-Challenge, Prompt vom 27.05.2020:
»Lodernde Flammen«
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Sauerstoff für einen Atemzug. Eine Sekunde. Zwei Sekunden. Ich sehe geradeaus und die Wärme schlägt mir ins Gesicht, brennt auf meiner Haut. Ich blinzle das Stechen in meinen Augen fort und zurück bleiben Tränen, die über meine Wangen rollen und kurz darauf wieder trocknen.
Meine Lungen brennen, stechen und kratzen, ich unterdrücke ein Husten, doch das hilft mir auch nicht weiter. Ich könnte einen Schritt zurücktreten, mich entfernen, davonlaufen und mich nicht noch einmal umdrehen. Meine Füße sollten sich bewegen, doch das tun sie nicht. Es ändert sich gar nichts.
Noch einmal blinzle ich, Farbflecken tanzen in meiner Sicht, tanzen inmitten des grellen Lichts, in den lodernden Flammen und ich bin wie erstarrt. Faszination vielleicht? Ehrfurcht? Müde fallen meine Augen zu und ich sinke langsam auf die Knie. Ist es überhaupt wichtig, wieso?
Mit dem Rücken zur Wand ertrage ich die Hitze, bis ich einen lauten Schlag vernehme. Einen Moment herrscht Stille, neben dem ohrenbetäubenden Knistern und dem Knarzen der sich unter den Flammen beugenden Dachbalken. Dann noch ein Schlag und noch einer. Nur einmal sehe ich noch nach oben, meine Sicht verschwimmt, meine Brust schmerzt in Angesicht der sich quälenden Lunge und mein Bewusstsein wird langsam dumpfer.
Dennoch sehe ich das Licht. Ich weiß nicht, was es ist, doch ich sehe es, ehe mich der Schwindel einholt und ich Bewegungsunfähig zur Seite falle, meine Glieder schmerzend und schwer wie Blei. Zuerst sehe ich dieses Licht, dann wird langsam alles schwarz. Und mit der Schwärze kommt auch die Leere. Die Taubheit, die Leichtigkeit. Ich hätte es mir schwerer vorgestellt. Viel schwerer, schätze ich.
Die Erde bebt, es ist laut. Ich spüre Schmerzen. Unerträgliche Schmerzen, nicht lokalisierbar. Die Hölle? Meine Haut brennt wie Feuer, doch meine Glieder fühlen sich kalt an. Eiskalt. Erst als meine Lider sich erneut öffnen, wird mir bewusst, dass es schlimmer ist, als die Hölle. Schlimmer als alles, was dieses brennende Haus hätte anrichten können. Ein junger Mann kniet neben mir, beugt sich über mich.
»Sie lebt noch! Hast du den Krankenwagen schon gerufen?« Die Worte klingeln in meinen Ohren und hallen durch meinen Verstand. Das, und das nahende Jaulen der Feuerwehrsirenen.
So viel schlimmer als alles, was in diesem Haus hätte geschehen können.