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Prompt: Donnergrollen
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<--- Gipfelrat --->
|19:48 - 20:35 Uhr|
Hastig lief er den Weg entlang. Die Schuhe rutschten auf den glitschigen Steinen aus und er hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Er hatte nämlich keineswegs vor, den Boden zu küssen, dafür war er mit seinen 23 Jahren noch nicht bereit.
So eilte er mit der Kapuze über dem Kopf weiter, immer weiter den Berg hinauf, während der Regen beinahe schon mit überdimensionaler Aggressivität auf ihn einprasselte. Schon längst schwamm das Wasser in seinen Schuhen und machte es ihm noch schwerer, das Gleichgewicht zu halten, während er den steilen Weg hinauf lief.
Die Hände hätte er normalerweise in den Jackentaschen vergraben, bei so einem grausigen Wetter, doch dies wäre ein fataler Fehler gewesen. Schon zwei Mal wäre er fast gestürzt, doch konnte er sich rechtzeitig mit den Händen abfangen. So wollte er es natürlich auch nicht riskieren, seine Reaktionszeit zu erhöhen, was zu 97% gefolgt werden würde von einem lauten Schrei, wenn seine Hände am steil abfallenden Hang zu seiner Rechten keinen Halt finden würden.
So balancierte er sich mit seinen Armen ein wenig aus und stürmte weiter, ebenso wie der Wind um ihn tobte. Sein Atem ging bereits abgehackt, seine Lunge schmerzte und er spürte, wie schwer seine Beine waren. Doch es war wichtig, dass er vor Mitternacht auf den Gipfel kam.
Er wurde schon zuvor verhindert und geriet nun direkt in dieses schreckliche Gewitter, sodass ihm nicht mehr viel Zeit blieb. Dass es mitten in der Nacht war, machte seine Situation auch nicht besser - wobei seine Augen aufgrund der Fähigkeiten es wenigstens vermochten, ihn so sicher wie nur irgend möglich über den gefährlichen Pass zu lotsen. Andere wären längst in den Tod gestürzt.
Nur 10 Sekunden gestattete er sich, unter einem Felsvorsprung neue Kraft und frischen Atem zu schöpfen, dann rannte er weiter. Er durfte es sich nicht leisten, länger zu rasten , denn mit seinen Fähigkeiten zog er die Blitze geradezu an. Er lief weiter den schmalen Steinweg hinauf, welcher sich endlich vom Abgrund entfernte, dafür aber noch steiler wurde. Die grünen Augen funkelten auf, wenn wieder einmal ein greller Blitz vom Himmel herab schoss und nur knapp neben ihm einschlug.
Er fluchte. Warum musste es auch unbedingt heute sein? Hätten sie sich nicht einen anderen Tag aussuchen können? Einen Tag, an dem kein Donnergrollen von den Wolken herabschallen und Blitze ihn brutzeln würden.
Genervt von seiner ungünstigen Situation seufzte er und übersah plötzlich einen kleinen, von Schleim bedeckten Stein. Mit einem überraschten Grunzen riss es ihm die Beine unter seinem Körper weg und mit einem Knacken, welches vom Donner übertönt wurde, landete er auf seinem Rücken. Augenblicklich schoss ihm der Schmerz durch seine Glieder, während er zudem die rutschigen Steine hinabschlitterte und erst nach ein paar Metern zum Liegen kam.
Ein Stöhnen entkam dem jungen Mann, als er versuchte, sich aufzurichten. Sein Rücken schmerzte und sein Kopf pochte unglaublich heftig. Übelkeit machte sich in ihm breit, doch er konnte sich zurückhalten und holte einmal tief Luft. Dann setzte er sich vorsichtig und langsam auf, fasste sich an den Hinterkopf und knurrte schmerzerfüllt auf.
Mit lodernden Augen beobachtete er, wie das Blut auf seinen Händen vom Regen weggewaschen wurde und sich zwischen den Steinen sammelte. Dann stand er ganz langsam an, wobei er große Schwierigkeiten damit hatte, das Gleichgewicht zu halten. Augenblicklich ergriff ihn der Schwindel und sein Rücken fühlte sich merkwürdig taub und steif an.
Der Wunsch, einfach stehen zu bleiben oder sich gar hinzusetzen wurde jäh zerstört, als ein Blitz direkt neben ihm einschlug. Vor Schreck taumelte er zur Seite und hatte nun noch mehr Mühe, nicht noch einmal zu fallen. Er wusste, dass er nicht an einem Platz verweilen dürfte, das würde ihm den Tod bringen.
Also sammelte er sich, riss einen langen Stoffstreifen vom Shirt und band es behelfsmäßig um seinen Kopf. Dann setzte er den Aufstieg fort, wobei er seine unsicheren Schritte nun so langsam und vorsichtig wie nur möglich setzte.
Sein gesamter Körper schmerzte, ihm war unglaublich kalt und die Regentropfen, die in einer undurchdringlichen Wand herab fielen, versperrten ihm die Sicht. Trotzdem schleppte er sich weiter, versuchte zu ignorieren, was ihm seit dem Sturz zu schaffen machte.
Ein besonders lautes Donnergrollen lies ihn zusammenzucken, doch dann sah er endlich den Stein. Das Zeichen, dass er schon ganz nah am Gipfel war. Vor ihm ragte nun die Felswand mehrere Meter hinauf.
Also sammelte er nochmal seine letzte Kraft und setzte einen Fuß an den glatten und nun auch noch glitschigen Stein. Die Felswand war das letzte Hindernis, die letzte Hürde zwischen ihm und seinem Ziel.
Mehr als einmal rutschte er gefährlich mit dem Fuß am nassen Stein ab, doch jedes Mal konnte er sich gerade so noch mit seinen Händen halten. Seine Muskeln brannten höllisch, die Finger waren kalt und klamm, sein Rücken brannte. Sein Kopf pochte noch mehr, besonders, wenn Blitze die Finsternis erhellten und ihm schmerzhaft in den Augen brannten, sodass er diese zusammenkneifen musste.
Dann, endlich, ergriffen seine Hände den hervorragenden Stein, an welchem er sich würde hochziehen können. Noch einmal spannte er all seine Muskeln an und hievte sich über die Kante der Felswand. Endlich befand er sich in der Höhle, wo ihm die Blitze nichts mehr würden anhaben können. Der Stein über seinem Kopf lenkte nicht nur seine Energie ab, sondern schützte ihn auch noch vor dem miesen Wetter.
Kurz blieb er keuchend liegen, atmete tief ein und lächelte schwach, bis er sich mit zitternden Armen hochstemmte. Sogleich fiel sein Blick auf den Kreis, welcher aus einem steinernen Thron und 8 weiteren in den Fels geschlagenen Sitzflächen bestand.
All diese Einbuchtungen waren besetzt, die darin sitzenden Wesen sahen ihn mit neugierigen und gleichzeitig belustigt funkelnden Augen an - nur der Thron war unbesetzt.
Er setzte zum Sprechen an, als der, der im Kreis links neben dem Thron saß, das Wort erhob: "Du kommst spät." Er schüttelte schwach grinsend den Kopf. "Ich bin genau pünktlich."
Das war das Letzte, was er von sich gab, bevor die Schmerzen zurückkehrten, sein Körper auf einmal in Flammen aufzugehen schien und er in eine tiefe, gähnende Leere fiel.