Ein Schritt zurück.
Und zur Seite.
Vorwärts dann.
Und zur Seite.
Maren kommt aus dem Takt, als sie sich den Fuß an ihrem Kleiderscharank stößt. Mit einem Fluchen lässt sie den Pullover fallen und reibt sich die schmerzende Zehe. Es ist immer die kleinste, die alles abbekommt.
"Das war wohl nichts", sagt sie zu niemand bestimmten und sammelt den Pullover zu ihren Füßen ein. Auf dem Weg in die Küche landet er beiläufig im Wäschekorb neben der Tür. Die Musik in ihrem Kopf gibt noch immer den Takt vor, mit dem sie sich durch den Raum bewegt. Mit einer frischen Tasse Kaffee tanzt sie sich bis ins Wohnzimmer, nicht mehr im Takt, um nichts zu verschütten, aber weiter vor zurück, vor zurück. Den verstörten Blick ihres Katers ignoriert sie dabei geflissentlich.
Eine Stunde später steht der inzwischen kalte Kaffee auf dem Tisch neben der Couch und wartet darauf, den Abfluss hinab zu schwimmen und sich mit seinen Vorfahren zu vermischen. Der Kater, Milosz, hat aufgegeben, zu tun als würde er sich putzen und starrt sein Frauchen nun unverhohlen an. Dass er es schafft ihr gleichzeitig das HInterteil entgegen zu strecken, lässt Maren schmunzeln. "Ich weiß, ich weiß", sie wuschelt ihm einmal kurz durchs Fell, was er mit einem anklagenden Maunzen quittiert, trinkt einen Schluck Kaffee und spuckt ihn zurück in die Tasse. Kalt. Na klar.
Milosz wirft ihr einen letzten bösen Blick zu, dann springt er von der Couch und verlässt hoch erhobenen Schwanzes das Wohnzimmer. Eins, zwei, drei, eins zwei drei, kommentiert Maren seinen Abgang, was ihn nicht dazu bringt, seinen Gang zu verändern. Spielverderber.
Am Nachmittag ruft Wendy an und erzählt von ihrem neuen Freund. Maren nickt fleißig, was Wendy nicht sehen kann und übt weiter, was Wendy zum Glück auch nicht wahrnimmt. "Und wie ist es bei dir?", beginnt endlich ein Dialog.
"Ich hab jemanden kennengelernt." Maren grinst, während Wendy einen Moment braucht, um sich zu sammeln. "Was? Wo? Wen? Wie?", ergänzt sie dann.
"Gestern Abend. Wir waren mit ein paar Kollegen noch was trinken."
"Einen Kollegen? Ob du dir das so gut überlegt hast? Das macht nur Ärger, ich sags dir..."
"Es gab Tanzmusik, Holger hat mich zum Tanzen aufgefordert", spricht Maren in der nächsten Atempause weiter.
"Holger? Ich dachte der ist verheiratet?"
"Ist er auch. Aber der Typ, der mich danach aufgefordert hat hoffentlich nicht."
"Wie sah er aus? Ich hoffe er war größer als du, tanzen mit 'nem kleineren Mann ist echt nichts, ich hab da"
"Genauso groß wie ich, dunkle Haare, kurz, Brille. Sah ziemlich heiß aus, zumindest im Dunkeln." Maren bleibt kurz stehen und erinnert sich an den festen Griff.
"Und wie heißt er?"
"Kevin."
"Klingt nicht so sexy."
"Ne, aber man kann ja nicht alles haben."
"Das stimmt. Wenn der Rest auch stimmt..." Wendys Stimme nimmt einen verschwörerischen Ton an, der keinen Zweifel daran lässt, was in ihren Augen stimmen muss. "Hast du...?"
"Ne. Wir haben nur getanzt."
"Aber seine Nummer hat er dir gegeben?"
"Ne. Irgendwie wurden wir getrennt und dann wollten die anderen gehn und dann..."
"Du hast seine Nummer nicht??"
"Ne, ich sag doch..." Wendy unterbrach sie mit einem Schnauben, bei dem Maren sich sicher war, dass es ihrem Pferd Konkurrenz gemacht hätte.
"Und wie soll das jetzt weiter gehn? Suchst du ihn bei Facebook?"
"Ich mache einen Tanzkurs." Kurzes Schweigen auf der anderen Seite. Dann ein "Wie bitte?".
"Einen Tanzkurs."
"Weil er da auch tanzt?"
"Weiß ich nicht. Ich glaub nicht. Vor allem nicht im Anfängerkurs."
"Wie? Und was soll der Kram dann?"
"Walzer lernen."
"Aber was ist mit Kevin?" Wendys Stimme ist inzwischen eine Oktave höher, ein sicheres Zeichen dafür, dass es nicht mehr lange dauert, bis sie anfängt, an Marens Verstand zu Zweifeln. Milosz, der langsam in den Raum zurück stolziert, ohne Maren eines Blickes zu würdigen, würde ihr dabei zustimmen. Den Kaffee lässt das alles kalt.