Eine verbreitete Geschichtsform der Feen von Immonita sind die Blatt-Erzählungen, die von den kleinen Wesen auf Laub niedergeschrieben werden und deshalb dem Lauf der Blattadern ein Stück weit folgen müssen. Bekannt sind deshalb die Klappgeschichten, die auf je zwei Flügeln eines Blattes stehen und oft zwei Seiten eines Problems beleuchten.
Besonders wertvolle Geschichten werden auf farbenprächtigen Ahornblättern bewahrt, immer nach der gleichen Struktur: Der Titel findet auf dem Stiel Platz, der auch das einzige ist, was hervorragt, wenn das Blatt in seiner geschützten Hülle aufbewahrt wird. Auf den beiden unteren Blättern, die meist kleiner sind, stehen eine kurze Einleitung und am Ende der Schluss, manchmal auch noch der Verfasser. Die eigentliche Geschichte besteht aus drei kurzen Absätzen auf den großen Fächern des Blattes.
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Nach dem Prompt „Gemeiner Regenwurm“ der Gruppe „Crikey!“
(Außerdem „Gartenhummel“ und „Großes Glühwürmchen“.)
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Es waren einmal drei Brüder, die in einem wunderschönen, blühenden Baum wohnten. Eines Tages stritten sie darüber, welches Tier das nützlichste wäre. Schließlich zogen sie los, denn jeder wollte beweisen, dass er recht hatte.
Der erste Bruder fing sich einen großen, starken Regenwurm. Er war überzeugt, dass dessen Kraft ihn zum nützlichsten Tier machte und begann, ihn zu dressieren. Dann bestellte er mithilfe des Wurms die Erde in einem weiten Umfeld und pflanzte darin zahlreiche Feldfrüchte an. All diese gediehen prächtig und wunderbar. Er war stolz auf sein Ergebnis. Doch als das nächste Jahr nahte, kehrte keine der Pflanzen zurück und er musste sie alle neu einsammeln und neu auspflanzen.
Der zweite Bruder zähmte sich eine unermüdliche, flauschige Hummel. Ihr Fleiß sollte ihm zum Sieg in diesem Wettkampf verhelfen. Und alsbald ritt er auf ihr in alle Winde und sammelte Pollen, um die Blüten zu bestücken, sodass alle Bäume und Sträucher Früchte trugen, als der Herbst kam. Ebenso unermüdlich sammelte er seine Ernte ein, doch er stellte fest, dass er bei allem Fleiß nicht genug gesammelt hatte, um bis zur nächsten Ernte zu bestehen.
Der dritte Bruder fing ein kleines Glühwürmchen, weil er dessen Licht so mochte. Er kümmerte sich nicht groß um den Streit seiner Brüder. Nachts erfreute er sich am Strahlen des Glühwürmchens. Da kamen eines Tages seine Brüder zu ihm an den Baum. Sie hatten das Licht im Geäst bemerkt und daran ihren Bruder erkannt, und sie berichteten beide zerknirscht, dass ihr Tier nicht ausreiche, um ein Volk zu ernähren. Da lächelte der dritte Bruder, der die Lösung kannte, und sagte: "Euer Tier alleine reicht nicht."
Da verstanden die Brüder und begruben ihren Streit. Und fortan lockerte der eine mit dem Regenwurm die Erde und der mit der Hummel bestäubte die Blumen; so konnten sie gemeinsam einen guten Ertrag erzielen. Und nachts bewunderten sie den Schein des Glühwürmchen.