Wohin mit Günther?
Ich öffne die linke Seite des Kleiderschrankes und da ist er. Günther. Er starrt mich aus seinen Puppenaugen an. Den Mund leicht geöffnet, immer bereit etwas zu trinken. So sitzt er da, in seinen Klamotten, die tragischerweise eine Nummer zu klein sind.
Was soll nun aus ihm werden?
Günther kam vor knapp zwei Jahren an Weihnachten zu uns. Das Kind wollte eine Babypuppe vom Weihnachtsmann. Da das Kind aber ein Junge war (und noch ist), gab es Personen die damit nicht einverstanden waren.
Jungs spielen nämlich nicht mit Puppen, wie mir eindringlich mitgeteilt wurde.
Es folgten, in meinen Augen, absurde Diskussionen und Darlegungen von Ansichten, die ihren Ursprung im letzten Jahrhundert zu haben scheinen. Vielleicht auch Jahrtausend. Auf jeden Fall veraltet.
Als Kompromiss schlug ich vor eine Jungen-Baby-Puppe zu besorgen.
Das ging grade so.
Ich hätte die auch ohne Zustimmung gekauft, so wie damals den Spiel Buggy für die Plüschtiere. Der hatte auch dämliche Kommentare (Ooooooh, bist du ein Mädchen?) und Gaffereien zur Folge.
Weihnachten kam und Günther wurde freudig in Empfang genommen. Anschließend spielte mein Kind aber nicht damit. Günther saß in der Ecke. Irgendwann fand ich heraus, dass mein Kind nicht mit ihm spielen wollte, weil er keine Sachen an hatte (Nur den Body der dabei war), also bestellte ich eine Garnitur Puppenkleidung. Die passte, gerade so. Viel Bewegungsfreiheit hatte Günther nicht, aber immerhin durfte er mit nach draußen und auch sonst überall mit hin.
Die Liebe zu Günther hielt aber nicht lang. Nach einem Monat saß er nur noch in der Ecke und irgendwann räumte ich ihn dann in meinen Schrank, wo er noch heute sitzt.
Die Frage die bleibt ist, warum gibt es immer noch diese Ansichten? Jungs spielen mit Autos, Mädchen mit Puppen.
Wird nicht, bei jeder Gelegenheit, behauptet wir leben in einer modernen Gesellschaft? Sind wir doch nicht so furchtbar fortschrittlich wie uns weiß gemacht wird?
Vielleicht könnte man Kinder auch einfach so lassen wie sie sind und nicht schon in frühen Jahren damit anfangen sie in irgendwelche Schubläden zu drücken, in die sie am Ende doch nicht hinein passen.
Aber das ist vielleicht auch nur menschlich, das Kategorisieren und Einordnen wollen.
Nur durch die Abgrenzung zu anderen, erhalten wir Sicherheit darüber wer wir selbst eigentlich sind. Oder?