Entlang der Kaimauer rannten Matrosen auf und ab. Die Arme voll mit Kisten und im ständigen Versuch gefangen, der Gischt des hohen Wellengangs auszuweichen, die sich immer wieder um die Schiffsrümpfe auftürmten. Möwen, die seelenruhig um Masten segelten, kreischten ihm entgegen und fast war es ihm, als könnten sie das Brot auf dem Tisch neben ihm riechen.
Und das alles umschlungen von diesem glitzernden Band! Ein Rahmen um ein Porträt, das hier inmitten der dunklen Kammer unwirklich wirkte. Dabei hatte er es schon so unzählige Male gesehen.
Sie waren faszinierend, diese neuartigen Portale. Wie sie aus dem Nichts heraus Pforten zu Orten öffnen konnten, die mehrere Tagesreisen von einem entfernt waren. Nur indem man durch dieses schwebende Bild hindurchtrat.
Nicht, dass Denothar es jemals ausprobiert hatte. Ihm oblag es lediglich, zu studieren, zu schauen, und allem voran zu notieren.
Trotzdem mochte er es. Es war faszinierend – und da fiel ihm nun wirklich kein anderes oder gar besseres Wort für ein.
„Jetzt müssen wir nur noch erfolgreich dort ankommen, und die Buchmagie ist Geschichte.“
Denothar zog eine Augenbraue in die Höhe und wandte sich zu Joline. Die Magierin war wie immer lautlos an seine Seite getreten. Früher hatte ihn das überrascht, dass sie trotz ihrer aufbauschenden Roben nicht ein Geräusch von sich gab. Inzwischen aber hatte Denothar sich daran gewöhnt. Es war normal geworden. „Dann erst?“
Die ersten Portale wurden bereits rege von Magiern genutzt, um schnell von einem Ort zum anderen zu gelangen, ohne auf das Wissen und den Buchvorrat eines kundigen Buchmagiers zurückgreifen zu müssen.
Denothar verstand beim besten Willen nicht, was das Durchschreiten dieses Portals anders machen sollte. Was es so besonders machte, dass dieser Gang die Geschicke dieser Welt verändern sollte.
Er wandte seine Aufmerksamkeit von Jolines hartem Gesicht ab, in dem nur die Augen funkelten, wie kleine Perlen, und warf einen neuerlichen Blick auf das Portal. Aber egal, wie sehr er seine Augen auch verengte und den Kopf schief legte, Denothar konnte keinen Grund sehen. Zumindest keinen Offensichtlichen.
Es musste etwas darunter liegen. Etwas, was ihm entging, aber von dem Joline ganz genau wusste.
„Mit diesem Schritt“, Jolin trat nach vorne, bis er ihre Silhouette neben sich ausmachen konnte, „beweisen wir, dass Portale über ebensoweite Strecken reichen, wie Buch-Pfade. Nur mit dem Unterschied, dass sie wesentlich sicherer sind.“
Ihr Lächeln schimmerte im Schein des Portals und für einen Moment war es ihm, als glänzten die Zähne wie Fänge.
Denothar rann ein Schauer den Rücken hinunter, der erst enden wollte, als er seinen Blick wieder abwandte.
„Das dort ist nicht irgendeine Hafenstadt. Das ist Hafstätten.“
„Hafstätten?“ Denothar sog überrascht die Luft ein. Dieser Ort lag am anderen Ende des Landes! „Unmöglich.“
„Nein“, Joline lächelte süffisant und wies auf das Portal, „und wir sind nur einen einzigen Schritt davon entfernt, es allen zu beweisen.“
Wir..., echote es in Denothars Kopf. Joline hatte dieses Wort wieder und wieder verwendet, während sie die Portale geschaffen hatten. Aber Denothar wusste nur zu genau, dass die Magierin nur sich selbst meinte. Kam es darauf an, versteckte sie ihn hinter ihren wallenden Roben, harschen Worten und einem süffisantem Lächeln, das keine weiteren Nachfragen duldete.
Trotzdem nahm er es hin. Wann hatte man schon die Möglichkeit, an etwas mitzuarbeiten, das die Welt revolutionierte?
Und vielleicht... Denothars Finger trommelten leise gegen den Einband seines Notizbuches. Vielleicht hatte er Glück, dass in einigen Jahren jemandem seine Aufzeichnungen in die Hände fielen. Jemandem, der seinen Wert bei dieser Entwicklung erkannte.
„Wann brechen wir auf?“
„Jetzt.“ Joline warf das lange Haar hinter ihre Schultern und reckte ihr Kinn nach vorne. Mit einem Schritt verschwand sie im Portal und tauchte nur einen Herzschlag später im Wirrwarr des Hafens auf.
Denothar folgte ihr, so wie er ihr immer gefolgt war. Nicht aber, ohne seine Gedanken vorher auf Papier zu bringen.
Der erste Schritt durch dieses Portal war seltsam unbefriedigend.
Da war kein Kribbeln, kein Zucken, ja nicht einmal ein Gefühl der Energien auf meiner Haut, die ich doch so deutlich in diesem glitzerndem Band gesehen habe.
Es war ein Schritt wie jeder andere auch. Nur dass dieser mich mehrere Tagesreisen entfernt in eine völlig andere Stadt geführt hat.
Das einzig seltsame... Ich bin mir nicht sicher, ob es ein Gespinst meiner Nervosität war, oder doch gegeben. Für einen Moment war es mir bei diesem Schritt, als wäre dort ein Schatten in meinem Augenwinkel. So absurd ein Schatten aus glitzernder Energie auch klingen mag.
- Aus Leben und Streben als Assistenzmagier, Denothar