Gelber Staub lag über der Stadt. So dicht, dass er in Schwaden durch die Straßen wallte.
Inea glaubte, ihn auf der Zunge zu schmecken. Klebrig... Sie schüttelte sich und spuckte auf den Pflasterstein. Ändern tat sich nichts, es blieb klebrig.
Ihre Füße hinterließen ein einsames Lied auf den Pflastersteinen der Straßen. Abgenutzt, wie sie waren, klang es unendlich dumpf in ihren Ohren. Oder bilde ich mir das nur ein?
Inea wusste es nicht. Sie wusste nur, dass sie inzwischen anhand der Klangfarbe ihrer Schritte den Stadtteil erkennen konnte, durch den sie stiefelte.
Und ob das eine glorreiche Erkenntnis war? Inea bezweifelte es wirklich.
Das Ableben der Portalhüterin hat einfach zu viel verändert.
Vor allem hatte es dafür gesorgt, dass sie sich viel zu oft auf Patrouille durch die Stadt wiederfand. Mit der Hand auf ihrem Schwert und mit einem Spruch reiner Feuermagie auf den Lippen.
Nur um sicher zu gehen, hatte Inea sich am Anfang eingeredet. Inzwischen aber fühlte sie sich nackt und angreifbar, spürte sie nicht das Schwert unter ihren Fingern oder dachte an den Zauber.
Inea mochte es hier draußen nicht. Nicht, wenn das Portal in der Ratskammer unbewacht war und jederzeit eines dieser Wesen daraus entschlüpfen könnte...
Allein der Gedanke daran trieb ihr einen Schauer den Rücken hinab. Inea fröstelte, aber sie wagte es nicht, ihre Waffe loszulassen, um den Umhang enger um ihre Schultern zu ziehen. Nicht hier, wo die Häuser so hoch waren, dass sich ihre Schatten in der Straßenmitte küssen könnten.
Ihr Blick wanderte entlang einzelner Efeuranken, die die Wände emporkletterten und blieb immer wieder in den Schatten hängen. Bewegte sich dort etwas? Aber als Inea die Augen zusammenkniff, war da nichts. Nur Blätter und gelber Stein.
Die Schriftrollen an ihrem Gürtel raschelten leise, als Inea ihren Schritt beschleunigte. Dreißig Stück, weit mehr, als sie jemals mit sich herumgetragen hatte. Es würde für hunderte Zauber reichen. Die ich hoffentlich niemals brauchen werde.
Aber sicher war sicher und ohne war ihr mulmig zumute. Gerade jetzt, wo diese Straßen so unheimlich geworden waren: Dieser Staub war immer mehr, gelber und dichter geworden, und manchmal hatte Inea das Gefühl, ein Flüstern ohne Stimme in ihrem Nacken zu spüren. So kalt, dass es sie erstarren ließ. Wie ein Windhauch, nicht mehr.
Es sollte zu jenen Wesen gehören, die irgendwo zwischen Portal und Wirklichkeit hausten. Dunkle Wesen, die vom Fehlen einer Hüterin profitierten und sich von unberührten Schatten und Energie ernährten, kaum das sie die Portalwelt verlassen hatten.
Und ohne Hüter... da war das leicht.
Oder es ist alles nur Einbildung. Ineas Hand krampfte um den Griff der Waffe.
Immerhin konnte alles unheimlich werden, wenn man seine Lage nur lang genug zerdachte. Dutzende Häuser waren gelb gestrichen, dass der Staub hier gelb wallte, konnte gleichsam daher rühren.
Zumindest in der Theorie. In der Praxis wollte Inea ihre Hand nicht von der Waffe lösen und sie spürte eine Gänsehaut, die langsam über ihren Körper kroch. Ich sollte mich beeilen. Ein Tee, die Gesellschaft anderer Magier, das alles würde sie sicher schnell auf andere Gedanken bringen.
Ineas Aufmerksamkeit zuckte zur Seite. War da nicht etwas gewesen?
Es knirschte leise.
Inea sah sich wachsam um. Aber die Straße lag ruhig da. Zumindest für den Augenblick.
Es wurde wirklich Zeit, dass ein neuer Portalhüter herkam!
Komm.
Ein Hauch in ihrem Nacken. Stimmlos kalt, ohne Halt und doch seltsam schneidend. Es tat fast weh!
Komm zu mir. In die Schatten.
Inea erstarrte in ihrer Bewegung. Die Finger verkrampften sich um den Griff ihres Schwertes, nicht dazu in der Lage, die Waffe zu ziehen.
Eines dieser Wesen war hier!
Ich spüre deine Energie!