Müde rieb ich mir den Schlaf aus den Augen und lief zum Fenster. Ich öffnete das Fenster, die kalte Morgenluft strich mir übers Gesicht. Es roch nach Frost und man hörte nichts außer den leichten Wind, der mir ins Gesicht blies. Fröstelnd schlang ich meine Arme um mich. Ich blickte hinaus auf die Straße, es hatte geschneit. Die Autos waren von einer dicken Schneeschicht bedeckt und auch die Bäume trugen nun eine eisige Schicht.
Ich trat vom Fenster weg, um mich umzuziehen und meiner älteren Nachbarin das Schneeschippen abzunehmen. Letztes Jahr hatte ihr Sohn uns das abgenommen, aber dieser arbeite inzwischen weiter weg. Fröstelnd zog ich mir das Nachthemd aus und zwang mich in den Bh und zog mit darüber ein Hemdchen. „Nochmal riskier ich keine Entzündung“, dachte ich und steckte es in meine frische Hose. Auch ein T-Shirt und einen Pulli zog ich über und es fühlte sich nicht mehr ganz so kalt an. Mein Blick fiel auf die Leggins, die über den Stuhl hing. Seufzend zog ich sie an, in der Hoffnung das es etwas nützen würde. Meine Jeans lag auf der Heizung vorgewärmt. Endlich war die Luft im Zimmer ausgetauscht und ich schloss das Fenster.
Auf leisen Sohlen schlich ich, über den Flur zur Haustür um meinen Vater nicht wecken. Er war sehr spät von der Nachtschicht gekommen und schlief tief und fest. Gähnend fischte ich die Socken aus meinen Stiefeln und zog sie mir an. Im Winter musste man sich so viel anziehen. Die Stiefel hielten warm, waren dafür aber schwer. Widerwillig zog ich die dickere der beiden Jacken an und fühlte mich nun mehr als unbeweglich. Der Stoff der Jacke knirschte bei jeder Bewegung. So leise wie möglich zog ich die Tür hinter mir zu.
Der Bewegungsmelder erfasste mich und blendete mich mit dem warmweißen Licht. Ich blinzelte, um mich an das Licht zu gewöhnen. Manchmal wünschte ich, wir hätten Lichtschalter statt Bewegungsmelder. Heute war so ein Morgen. Langsam schritt ich die Steinstufen hinunter. Das Echo hallte durchs Treppenhaus und ich hoffe, niemanden zu wecken. Im Treppenhaus roch es alt und staubig, die Luft war abgestanden und trocken. Endlich hatte ich den sie schwere Holztür erreicht. Ich zog sie auf und die alte Tür quietschte. Da man sie von außen nicht aufbekam, ohne Schlüssel war sie nicht abgeschlossen. Später werden sie schimpfend wenn es kalt wird im Hausflur, aber Lüften war wichtig, sodass ich die Tür einharkte und eilig die Treppe zum Keller hinunter lief.
Hier schaltete ich das Licht von mir aus an und holte die Schneeschaufel und das Salz unter der Treppe vor. Der Eimer war schwer und das Salz darin knirschte, als es sich im Eimer neu verteilte. Mit Schaufel und Streusalz bewaffnet lief ich die Treppe wieder hinaus und löschte das Licht. Inzwischen war die Luft eisig im Hausflur und ich schloss die Tür hinter mir.
Ich atmete tief ein und pustete meinen Atmen aus. Kleine Wölkchen kamen aus meinem Mund und ich schmunzelte. Sanft machte ich einen ersten Schritt und genoss das Knirschen des ersten Schnees. Kichern lief ich einmal den Gehweg hoch und runter. Aber ich war ja nicht zum Spaß hier draußen und glattgelaufener Schnee lässt sich schwerer Schippen. Ich fing an der Straße an und füllte die Schaufel. Der Schnee war schwer und ich musste mich anstrengen sie auf der Wiese auszukippen.
Schaufel für Schaufel wuchs der Schnee, zu einem großen Haufen. Immer wieder wischte ich den Schweiß von der Stirn. Meine Hände taten weh und waren schon ganz rot. Schnaufend trug ich die letzten zwei Schaufeln auf den großen Schneehaufen. Ich jubelte und blickte stolz auf den schneefreien Weg. Auch ein Stück vom Gehweg war frei. Erschöpft ließ ich mich auf die Treppe nieder, um mich auszuruhen. Inzwischen waren auch die Leute auf der anderen Straßenseite dabei Schnee zu schippen. Überall her war das Knirschen des Schnees und das Scharben der Schaufeln zu hören.
Die Nachbarin zwei Häuser weiter kratzte eilig ihre Scheiben frei, anscheinend hatte sie verschlafen, das kam in letzter Zeit häufiger vor. „Ob bei ihr zuhause alles in Ortung war?“, fragte ich mich und erhob mich. Ich griff zum Eimer und mit einem „Plup“ öffnete sich der Deckel und der eklige Geruch des Streusalzes stieg mir in die Nase. Zum Glück war eine kleine Schaufel, in dem Eimer mit Schwung verteilte ich den Eisstopper auf den grauen Gehwegplatten.
Plötzlich traf mich etwas am Kopf. Ich wirbelte herum und griff mir in die Haare. Feucht waren sie. Da traf mich etwas auf der Brust, ein Schneeball. Ein Mädchenlachen klang zu mir herüber. Ich suchte die Straße ab und erblickte eine rote Zipfelmütze, die sich runter beugte, um einen neuen Schneeball zu machen. Doch ich ließ mich nicht kampflos bewerfen. Eilig formte ich selbst einen Schneeball, der Schnee knirschte in meinen Händen. So lange hatte es nicht mehr geschneit. Ich kniff die Augen zusammen, zielte und „Treffer!“, jubelte ich und blickte auf die Mütze, die jetzt voll mit Schnee war. Doch als die Mütze aufblickte, sah ich in das wütende Gesicht eines Jungen. Ich hatte den Falschen getroffen. Der Junge rief einen Weiteren zu sich. Die beiden formten weitere Schneebälle.
„Entschuldige ich dachte du…“, weiter kam ich nicht den, wieder traf mich ein Schneeball. Ein Mädchen rief:„Schneeballschlacht!“, schon bald entbrannte zwischen uns vieren eine Schneeballschlacht und immer mehr Kinder kamen hinzu. Die kalten Hände waren vergessen. Irgendwann lachten wir nur noch. Die meisten Erwachsene warten zur Arbeit gefahren. Am Ende standen zwei Schneemänner neben dem Gehweg. Die Sonne war inzwischen ganz aufgegangen. Ich hörte die Tür kratzen und wir drehten und um.
Mein Papa stand in seinem Morgenmantel und Schlafanzug auf der Treppe. Sein Blick war besorgt. Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass ich mich ja rausgeschlichen hatte. „Guten Morgen. Ich hab die Treppe freigeschippt“, erklärte ich und lief zur Treppe, das Salz unter meinen Schuhen knirschte. Sein Gesicht zeige Erleichterung. „Bitte geh nicht nochmal raus ohne bescheid zu geben“, bat er und umarmte mich. „Du bist ja ganz durchgefroren. Was hälst du von einem Belohnungsbad und danach Frühstücken wir?“, schlug er vor und ich nickte begeistert. Zusammen räumten wir die Sachen weg und liefen die Treppe hinauf. Es war ein spaßiger Start in den Tag gewesen.