Gebannt beobachtete sie den blaugrünen Ball in seinem weißen Schleier, wie er sich unendlich langsam um seine eigene Achse drehte. Nach all den Monaten schoss ihr bei seinem Anblick immer noch der gleiche Gedanke durch den Kopf, er war unbeschreiblich schön. Für einen kurzen Augenblick sah sie weiterhin aus dem Fenster der Raumstation, dann stieß sie sich von der Wand ab und schwebte in Richtung Küche.
"Good morning!", begrüßte sie ein glatzköpfiger Mann, der bereits an einem Tisch an der Wand Platz genommen hatte.
"Good morning, Chris!", lächelte sie ihm freundlich zu. Morgen. Das war natürlich nicht ganz richtig. Im All gab es zwar auch so etwas wie Tag und Nacht, jedoch ging hier alle 90 Minuten die Sonne auf oder unter, weshalb man sich auf eine Zeitzone der Erde geeinigt hatte, dessen Rhythmus sie folgten. Zum Schlafen setze sie einfach eine Maske auf und wenn sie diese nach acht Stunden wieder abnahm, dann war eben morgen.
Beinahe schwimmend bewegte sie sich zum Tisch herüber, griff nach dem weißen Gurt an ihrem Sitz und schlang ihn um Hüfte und Oberkörper. Auf Knopfdruck fuhr ein Tablett aus einer Vertiefung des Tisches hervor. Quark mit Nüssen. Mal was ganz Neues, seufzte sie innerlich. Natürlich war das Essen nicht der Grund ihres Aufenthaltes und doch konnte sie es kaum erwarten, sich durch sämtliche frischzubereiteten Gerichte zu schlemmen, sobald sie wieder zu Hause war. Zuhause. Ein kleiner Stich durchfuhr ihr Herz. Sie war nie der Typ gewesen, der sich schnell einsam fühlte. Es hätte sie nicht gestört in einer abgeschiedenen Hütte in Norwegen zu leben, ohne wochenlang einer anderen Seele zu begegnen, und doch fühlte sie zum ersten Mal Heimweh. Zwar vermisste sie ihre Liebsten, doch konnte sie dank all der technischen Errungenschaften inzwischen selbst aus dem All regelmäßig mit ihnen kommunizieren. Nein, ihr Heimweh lag tiefer. Sie sehnte sich zurück nach der Erde.
Freundlich erkundigte sich Chris: "How are you doing? Any plans for your last days on board?".
Fünf Tage noch. Dann würde sie in einer Kapsel zurück zur blauen Kugel fliegen. Die Vorstellung wieder auf der Erde zu sein, kam ihr mindestens so unwirklich vor, wie der Gedanke im All zu leben, ihr zwei Jahre zuvor erschienen war. Unter ihre Vorfreude mischte sich ein Hauch von Melancholie. An den Blick auf ihren Heimatplaneten hatte sie sich zwar nie wirklich gewöhnen können, dennoch wusste sie, dass er ihr bald schmerzlich fehlen würde.
"I'm good, thanks", erwiderte sie lächelnd, "I guess I'll just enjoy the view as long as I can."