Durch die verdreckten Fenster der Straßenbahn fiel ihr Blick auf Betonriesen, die ruckelnd vorüber zogen. Das Grau der Stadt war erdrückend und auch die vereinzelten Bäume vor besonders hässlichen Gebäuden, konnten daran nichts ändern. Ein plötzlicher Ruck ging durch den Wagen. Nach vorne schielend versuchte Elva zu erkennen, was der Grund für den Stillstand war, der sie so wertvolle Minuten kostete.
Der Bahnfahrer klingelte und ein silbener Kombi fuhr zur Seite. Elva blickte auf ihre Uhr. Noch 5 Minuten. Es würde knapp werden. Viel länger würde sie diese stickige Luft auch nicht ertragen. Warum man jedes Jahr, sobald es kühler wurde, in den Bahnen trotz dicht gedrängter Menschen mit Hilfe von Heizanlagen tropische Verhältnisse herstellte, wollte ihr nicht in den Kopf gehen. Als wäre das nicht auch schon unangenehm genug, schienen diverse Passagiere lediglich während ihrer Bahnfahrten eine Gelegenheit zum Essen zu finden. Und ihr Sitznachbar biss gerade gemütlich in ein Salamibrötchen.
"Ich muss hier raus", murmelte Elva, doch der füllige Mann neben ihr kaute lediglich weiter genüsslich auf seinem Brot herum. "Ich muss hier raus!", stellte Elva diesmal lauter und mit einem auffordernden Unterton fest.
"Oh Emschuhliung", nuschelte der Mann mit vollem Mund. Umständlich erhob er sich von seinem Platz und tat einen Schritt zur Seite. Sie zwängte sich an ihm vorbei, ihre Tasche dabei eng an sich gepresst, und drückte den roten Knopf, auf dem groß in weißen Buchstaben 'Stop' geschrieben stand. Vorne leuchteten die gleichen Buchstaben in rotem Licht auf. Eine mechanische Frauenstimme verkündete die nächste Haltstelle, während Elva sich mental darauf vorbereitete gleich einen Sprint einzulegen. Sie hasste es zu rennen. Noch unangenehmer allerdings wäre es, am Bahnhof eine Stunde auf den nächsten Zug warten zu müssen.
Ein lautes Grummeln entsprang ihrem Bauch. Genervt nahm sie es zur Kenntnis, während die Bahn langsamer wurde und zum Stehen kam. Ihr Zeigefinger drückte ungeduldig auf das Wort 'open' , bis die Türen wie in Zeitlupe auseinander fuhren. Noch bevor sie vollkommen offen standen, sprang Elva auf den Fußweg und rannte auf den Bahnhof zu. Ausgerechnet jetzt schaltete die Ampel auf rot. Eilig drehte sie ihren Kopf nach links, dann nach rechts und dann wieder nach links, um kurzentschlossen über die Straße zu laufen. Im nächsten Moment verloren ihre Füße den Halt.
Ein dumpfer Schlag traf ihre Seite, bevor die Welt für einen kurzen Augenblick stehen blieb. Dann fiel der Boden auf sie herab.
Stille. Schwarze Stille. Kurz flackerten fremde Gesichter vor ihrem Auge auf, doch sie war zu benommen, um den Stimmen zu lauschen, die den Weg zu ihrem Ohr suchten.