Sixty Minutes: Fluch der Zigeuner 21.10.2020.
Die Sinti und Roma - gemeinhin als Zigeuner bezeichnet - leben unter keinem guten Stern. Eigentlich stammen sie aus dem indischen Raum und wanderten als nomadische Volksgruppe seit Jahrhunderten stetig nach Westen. An keinem Ort dieser Welt fanden sie Kontakt oder wohlwollende Aufnahme, weil sie bedingt durch ihre Kultur immer noch in hierarchischen Familienclans leben, deren Regeln kein Abweichen davon dulden. Dazu möchte ich einige Facetten erzählen, die mir im Laufe meines Lebens begegnet sind.
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In meiner Jugend lernte ich István kennen, der in Ritterhude ein besonderes Lokal hatte. Gerne erzählte er von seinem vorhergehenden Leben als Artist im Zirkus. Verbittert fügte er hinzu. "Ich wurde Artist, um vor meiner Familie zu flüchten. Mein Clan war auf Kleinkriminalität spezialisiert. Ich fühlte mich dabei nie wohl und das Gewissen zerfraß mein Hirn, mein Herz und meine Seele. In Ungarn bot sich mir die Gelegenheit. Meine Familie reiste nach Rumänien und ich blieb versteckt zurück. Nach einer Irrfahrt traf ich einen Artisten, der mich für ein paar Forint und beschaffte mir Papiere. Er adoptierte mich und so kam ich nach Wien und wurde zuerst Jongleur, dann Sprungartist und fand mein Leben als Hochseilartist. Vor vier Jahren hängte ich den Beruf an den Nagel um eine eigene Familie zu gründen. Erst in dem Moment wurde mir bewusst, dass ich meine erste Familie nun endgültig verlassen würde. Ich würde kein Zigeuner mehr sein und kein Ungar mehr sein, sondern einfach ein Bürger von Ritterhude. Ich will Vater sein und ein stinknormaler Vater werden. Somit muss ich keinen Tanz mehr auf einem Hochseil vollführen. Mehr nicht."
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Als Sicherheitsbeauftragter musste ich ein Gespräch mit einer jungen Sinti führen. Sie weigerte sich in den Unterrichtsräumen die vorgeschriebene Kleidung zu tragen, weil ihr Onkel sie dazu zwang stets im Minirock und mit High Heels zu tragen. "Frau Zyn, ihre Lehrerin hat mich eingeschaltet, um mit ihnen ein Gespräch zu führen. Bei der Ausbildung zur Köchin müssen Sie in den Unterrichtsräumen die vorgeschriebene Kleidung tragen. Sie besteht aus Hosen, flachen Schuhen mit Antirutschsohlen und einer Schürze. Zudem ist es Vorschrift, dass Sie ein Haarnetz und eine Schürze tragen und darunter ein Kochjacke. Können Sie mir bitte erklären, warum sie diese Kleidung nicht tragen?" "Unsere Regeln schreiben mir absoluten gehorsam vor meinem Vater, meinen Onkeln und Brüdern vor. Weiche ich von diesen Vorgaben ab, dann bin ich Tod." Sie schaute mich traurig an und ich wusste, ich würde sie nie wieder sehen. Zum Abschied drückte ich ihr eine Karte vom Frauenhaus in die Hand, weil ich kein persönliches Wort mit ihr wechseln durfte. Zudem hatte ich den Typen im Anzug gesehen, der mit seinem fetten AMG Benz als Aufpasser fungierte. Ich hatte recht, ich sah sie nie wieder.
Bild 3 Scheiße warum werden die Texte immer wieder gelöscht?
Neulich traf ich im Kirchenkreis einen orthodoxen Priester, der gerne von seiner Arbeit mit den Randgruppen der Gesellschaft erzählte. "Neulich war ich im Zigeunerlager. Nurdi ein großer Herr fragte mich, wie er sich verhalten sollte. Der Clan hat beschlossen meine Mutter hier zurück zu lassen. Sie kann nicht mehr Wahrsagen und tanzen kann sie schon lange nicht mehr. Als Muslim darf ich es nicht, aber als Sinti muss ich es, weil das Wohl der Gruppe über meinen Gefühlen steht. Also mein Freund, wie soll ich mich entscheiden?" Der Priester sah uns an. "Noch bevor ich antworten konnte schob Nurdi mir einen Briefumschlag zu. Ich grübelte noch, als mir zwei Männer Nurdis Mutter zuschoben und kurz darauf von dem Lager. Der Priester lächelte. "Hunderttausend Euro steckten in dem Briefumschlag und seit der Zeit habe ich eine wunderbare Haushälterin. Mit einem Hörgerät ausgestattet versteht sie wieder alles. Natürlich weiß ich, dass Nurdi schon bald wieder nach Kassel kommen wird, schließlich hat er ein weicheres Herz als warme Butter."
Welches Bild wir uns von Zigeunern machen liegt in unserem Beritt. Es ist der Fluch der Zigeuner, dass wir kaum mehr wissen, dass es Sinti und Roma gibt. Auch ich habe keine Einblicke in deren Lebewelt, aber da ich ein einfach gestrickter Mensch bin und festen Regeln folge bleibt mir nur noch eines zu sagen. "Sollten wir nicht alle genügend Toleranz aufbringen, um über den Fluch der Zigeuner hinauszusehen. Wir alle sind Menschen und nur weil eine Gruppe etwas anders auf uns wirkt, sollten wir keinen Stab über Menschen brechen, die wir nicht kennen. Pflegen wir nicht alle alte Traditionen ohne zu hinterfragen was wirklich GUT oder SCHLECHT ist.