Also, nachdem der kleine Colabär wieder in seinem Stammbaum untergebracht war, wurde ich etwas sorgfältiger bei der Baumwahl. Aber schließlich habe ich mir doch ein Floß gebaut. Einziges Problem: Naja, es stand mitten im Dschungel auf einer Lichtung. Dabei wollte ich damit doch ein wenig auf Urlaub gehen.
Nun denn. Dumm ist nicht faul. Ich wickel mir noch ein paar Lianen um den Arm und binde sie am Floß fest und dann geht's los: Ab durch die Mitte aller Bäume, hinunter ans Meer. So war's jedenfalls geplant. Aber da hatte ich nicht die Rechnung mit dem Wirt gemacht. Oder besser: Dem Wächter des Dschungels. Vielleicht erinnert ihr euch, damals als ich hier ankam und durch die Lande irrte. Da war dieses rätselhafte Geschöpf, nur lauter Augen ... also zwei Augen, nix sonst.
Diese Augen starren mich also wieder grell aus dem Baumland an. Voll direkt von vorne, aus Richtung wo ich hin will. Geht gar nicht, denke ich, jetzt wird nicht wieder geflohen! Also ich mit heiserem Kampfschrei brüll.
Da faucht's mich nur an und ist jetzt direkt vor mir. Auf Augenhöhe!
He, das will was heißen. So riesig ist das Vieh? So riesig wie ich?!
Da schrei ich ihm ins Gesicht.
Aber es klimpert nicht mal ein bisschen mit den Augenlidern. Ob es überhaupt welche hat?
Naja, ich werd's wohl nicht herausfinden: Etwas krallte quer durch meinen Pelz und reißt was an Fell raus! Also das geht gar nicht.
Da bleibt mir nix übrig, als auch hinzulangen.
Huch! So hab ich mich noch nie erschrocken. Ein Schlag wie von Strom 100 Volt oder so fährt'S da durch mich. Und in meiner Pranke? Da ist ein Büschel schwarzes Haar!
Es faucht vor mir, ich verlier noch ein bisschen Fell. Dann bin ich wieder dran und hol mir Pantherhaare. Und immer so weiter.
Schließlich denk ich mir, so kommen wir nicht weiter. Ich jedenfalls nicht.
Also sag ich: "He, du, ich wieso lässt du mich nicht einfach meines Weges ziehen? Ich bin auf dem Weg zum Meer und dann segel ich fort für 'ne Weile und nix stört dich mehr die nächsten Wochen oder so." Tolle Rede, oder?
Also es faucht wieder. Aber wenigstens wird nicht mehr gehauen.
Einen Moment später sind die Augen weg.
Dafür spüre ich, wie sich ein immenses Gewicht, etwa wie ein Riesen-Gorilla schwer, auf mein Floß niedergelassen hat. Huch? Na, als ich mich umdrehe, starren mich wieder diese gelben Augen an!
Ein unsichtbarer Geist mit Übergewicht? An sowas glaube ich nicht. Also brauchte ich mich auch nicht zu gruseln. Bin halt los marschiert, die Lianenseile über die Schulter geworfen. War ein bisschen schwer mit dem Gast im Schlepptau. Immerhin hatte ich so langsam eine Ahnung, womit ich es hier zu tun hatte ...
Nach einer gefühlten Ewigkeit erreiche ich dann das Meer: Phantastisch, diese Wellen, doppelt so hoch wie ich mich selbst! Wow! Vor lauter Begeisterung lasse ich meine Lianen los - und es faucht und schriekt hinter mir. Gerade eben sehe ich, wie mein Floß, gebaut im Schweiße meines Fells, niedersaust die Klippen ...
Am Boden zerschellen sie. Aber was war das? Da liegt doch glatt ein Kegel-förmiges Etwas mit schwarzem Pelz daneben - ein Pelz mit ein paar Löchern darin. Ähm. Irgendwie ist mir das jetzt peinlich. Aber halt wahr ... Naja. Es wendet sich und schaut mit gelbem Katzenblick zu mir rauf. Vorwurfsvoll. Aber unverletzt.
Dann wendet es sich ab und robbt zum Wasser, wo es hinein taucht und geschmeidig schwimmt.
Wahnsinn, denke ich, und winke dem Wesen nach. Es wackelt wie zum Dank mit einer Flosse, bevor es endgültig aus meiner Sicht verschwindet. Langsam hangel ich mich die Klippen hinab, um die Reste meines Floßes zusamen zu klauben. Das wird jetzt ein bisschen Arbeit. Aber wer macht die nicht gerne, wenn er dafür eine leibhaftige Pantherrobbe zu Gesicht bekommt?
--------------------------- Links zum Hintergrund und Nachspiel ---------------------------
Hintergrund: Erstmalig tauchte das im Urwald nur als Augen wahrnehmbare, fauchende Geschöpf in diesem Buch auf, das meine Anfangszeit hier beschreibt: https://belletristica.com/de/books/11991-der-dichterdemon/chapter/28682-einfuhrung
Nachspiel: Nach dem Bärness-Tag habe ich dann die Einzelteile meines Floßes wieder zusammen geklaubt und gehe nun (hoffentlich) auf große Abenteuer-Fahrt. Darüber könnt ihr dann später im nächsten Kapitel lesen ... Gute Zeit bis dahin!
Win T. Erdemon, genannt WD,
der Dichterdemon, Flauschdemon, Gourmetdemon