"'Geh zur wissenschaftlichen Fernaufklärung', haben sie gesagt", murmelte Mikar, während Tar seinen schmerzenden linken Arm anhob, "'Nutze deinen Pflichtdienst zum Sammeln unvergesslicher Erfahrungen am Rand des erforschten Weltraums', haben sie gesagt."
Davon, dass die Wissenschafts-Flotte aus kampfuntauglich geschossenen Kriegsraumschiffen bestand, die durch den endlosen Konflikt mit den Kjitupa-Aliens permanent unterbesetzt und unterfinanziert waren, war nie die Rede gewesen.
So kam es, dass Mikar, ein Sicherheitskadett im ersten Dienstmonat, und Tar, ein Linguistik- und Exo-Archäologie-Student im Praxissemester, zu zweit die Ruinen der längst vergangenen Quoruk-Zivilisation auf einem verlassenen Eismond erforschten. Mikar hielt keinen von ihnen beiden wirklich für diese Mission qualifiziert. Aber außer ihnen war im Orbit gerade niemand entbehrlich gewesen...
Mit einem seinen ganzen Körper durchzuckenden Knacken renkte Tar Mikars Arm wieder ein. Fuck, tat das weh!
Unvergessliche Erfahrungen…
"Wieso hast du überhaupt losgelassen?", fragte Tar kopfschüttelnd, "Ich hatte dir doch signalisiert, dass ich das Seil noch nicht wieder gesichert hatte."
"Du hast mir signalisiert, du hättest es gesichert! Zweimal kurz!"
"Nein, zweimal kurz war doch das Signal für Halt – zweimal lang für Los."
"Ich bin mir ziemlich sicher, dass es anders herum war", brummte Mikar und strich sich mit der rechten Hand über das Gesicht, „Zukünftig brauchen wir eindeutigere Signale."
Er stand auf und leuchtete im Raum umher, in den sie hineingestürzt waren. Es war eine große, schlichte Kaverne, mit einem rechtwinkligen Grundriss – etwa dreißig Meter lang, zehn Meter breit und mindestens ebenfalls dreißig Meter hoch. Während Mikar noch die Umgebung inspizierte, war Tar schon zu so etwas wie einer uralten Kontrolleinheit in der Mitte der Halle geeilt.
Mikar wandte sich der Wand neben der Öffnung zu und strich mit seiner Hand darüber. Durch den Handschuh fühlte er nur wenig. Dennoch wurde er das Gefühl nicht los, dass diese Wand absolut glatt war, ohne auch nur eine Spur von Verwitterungserscheinungen zu zeigen.
„Hey, super!“, rief Tar von der Konsole her, „Hier sind Tafeln mit Quoruk-Schriftzeichen.“
„Kannst du sie lesen?“, fragte er, während er die Wand auf irgendeinen Makel hin absuchte, ohne fündig zu werden, und sich dann seinem Partner zuwandte.
„Na klar, darum bin ich ja hier“, erklärte Tar mit einem selbstzufriedenen Grinsen, „Hier steht so etwas wie: ‚Zum Starten hier drücken.‘“
Dabei drückte er auf einen großen, rautenförmigen Knopf, der die Schaltkonsole beherrschte.
„Was machst du denn da?!“, fauchte Mikar, „Wir haben keine Ahnung, ob noch irgendwas hiervon funktio…“
Ein Grummeln unterbrach ihn. Die Wände der Halle wurden von rhythmischen Schockstößen erschüttert. Dann wurde es plötzlich hell, als überall an der Decke matte, grüne Lichter angingen.
„Was zum Geier…“, stammelte Tar.
Die Wand linker Hand ihres Einstiegs war gar keine Wand gewesen, sondern die Scheibe von so etwas wie einem gewaltigen Aquarium, in dem dunkle Schlieren einer trüben Flüssigkeit herumwirbelten. Ihm fielen die Schriftzeichen auf, die oben über der Scheibe prankten.
„Tar, was steht da oben?“
Der Student sah erschrocken zu der Beschriftung auf und dann zu ihm herüber. Mit großen Augen antwortete er: „Quitaz-City-Kryo-Gefängnis – Häftling 0042.“
Etwas regte sich in den Schlieren.
Zwei große, leuchtende Augen starrten zu ihnen herab, dann kam ein sicherlich sechs bis sieben Meter großes, teilweise humanoides Monster nach vorn in den Schein der grünen Lampen. An seinen grotesk verlängerten Armen trug es Ketten, wovon aber zumindest eine zerborsten zu sein schien.
Aus seinem Maul heraus stieß es eine Phalanx von Tentakeln, und nun sah Mikar endlich einen Makel an diesem Raum. Einen feinen Riss, der sich quer über die Scheibe zog.
Was für ein beschissener Tag!